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Kindsrecht / Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

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Erwachsenenschutz Teil 7: Kostentragung Alters- und Pflegeheimaufenthalt

Datum:
28.01.2016
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Kindsrecht
Stichworte:
KESB, KESR, KOKES, Kommunikation, Zwangsmassnahmen
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Gastautor: Urs Bürgi

Rechtsanwalt und Inhaber des Zürch. Notar-, Grundbuch- und Konkursverwalter-Patentes
Partner Bürgi Nägeli Rechtsanwälte, Zürich

Einleitung

In Teil 6 wurde die Urteilsfähigkeit im Alter thematisiert. Die Alterskrankheit der Demenz wurde angesprochen und aufgezeigt, dass deren Verlauf zur Urteilsunfähigkeit des Patienten führt und ihn zu einem Pflegefall werden lässt.

Der Partner bzw. die Angehörigen müssen dann prüfen, ob die Pflege in Selbstorganisation zu Hause oder in einem Pflegeheim stattfinden soll. Beides hat Vor- und Nachteile und bei beiden Varianten stellen sich Kostenfragen. Bei der Pflege zu Hause stellt sich zunächst die Frage, ob eine Pflege durch verschiedene Angehörige (Familienpflege), durch Haushalthilfen, durch professionelle Pflegedienste oder durch fest angestelltes Pflegepersonal erfolgen soll. Die Pflege zu Hause erfordert eine gute Vorbereitung, ev. Anpassungen im Hause, Einschränkungen, weil eine Pflegeperson im gleichen Haushalt lebt, die anspruchsvolle Auswahl von Pflegeorganisation bzw. Pflegepersonal und eine gute Organisation in vertraglicher oder arbeitsrechtlicher Hinsicht. Bei der „Heimpflege“ sind eine professionelle Betreuung und Pflege, die ärztlichen und therapeutischen Leistungen und das Drittmanagement der Pflegebedürfnisse von Vorteil. Der Entscheid über die Pflegeart kann nur individuell unter Einbezug der Angehörigen angemessen erfolgen.

Heimbetreuung und Kosten

Die Betreuung pflegebedürftiger Personen in einem Alters- und Pflegeheim zieht verschiedene Kosten nach sich:

  • Kosten aus „Hostellerie“-Leistungen des Alters- und Pflegeheims
  • Kosten für Betreuungs- und Pflegeleistungen des Alters- und Pflegeheims
  • Kosten für die ärztlichen Leistungen
  • Kosten einer Akut- und Übergangspflege

Die Kosten werden in der Regel wie folgt übernommen:

  • Ärztliche Leistungen (Arzthonorar, Arznei, Pflegematerial, Therapien und Pflege)
    • durch die Krankenkasse
      • gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG)
  • Pflegezentrumstaxen / Übrige Leistungen
    • durch die Wohnsitzgemeinde
      • Pflegebeitrag der Gemeinde, je nach Standort der Pflegeeinrichtung
    • durch die Krankenkasse
      • Pflegetaxen (Tarif gemäss KVG und kantonalen Richtlinien)
    • durch die pflegebedürftige Person selbst
      • Pensionstaxe + Taxe für soziale Betreuung und Pflege
        • Tilgung
          • aus dem persönlichen Einkommen und Vermögen,
          • falls dieses nicht ausreicht,
            • aus Ergänzungsleistungen
          • falls Einkommen, Vermögen und Ergänzungsleistungen nicht für die Kostendeckung ausreichen,
            • aus Sozialhilfe
            • unter allf. Regress
              • via Verwandtenunterstützung
    • durch die Sozialversicherung
      • Mehrkosten von Pflege und Überwachung
        • als Hilflosenentschädigung

Hilflosenentschädigung

Die Hilflosenentschädigung nach ATSG 9 bezweckt die Deckung gesundheitsbedingter Mehrkosten. Es geht um die Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit, deretwegen die versicherte Person für die alltäglichen Lebensverrichtungen dauernd (d.h. täglich, regelmässig, nicht nur sporadisch) die Hilfe Dritter benötigt oder der Überwachung wegen Selbst- oder Fremdgefährdung bedarf.

Die Leistungsvoraussetzungen sind:

  • Hilfe Dritter
    • Handanlegen
    • Aufforderung der hilflosen Person
    • Überwachung der hilflosen Person)
  • Alltägliche Lebensverrichtungen
    • Die Gerichtspraxis hat folgende 6 Lebensverrichtungen für täglich notwendig erklärt:
      • Ankleiden / Auskleiden
      • Aufstehen / Absitzen / Abliegen
      • Essen / Trinken
      • Körperpflege
      • Verrichten der Notdurft
      • Kontaktnahme und Fortbewegung im und ausserhalb Haus

Die Bemessung der Hilflosigkeit erfolgt abstrakt und unabhängig vom Aufenthaltsort (Heimaufenthalt oder zu Hause) oder der Lebensform (alleine oder in Familie) nach dem Zustand der Person:

  • Prüfungsschritt
    • Normale Mithilfe ohne erheblichen Aufwand durch Angehörige (Schadensminderung)
  • Prüfungsschritt (ärztliche Stellungnahme)
    • Welche Lebensverrichtungen der Patient nicht mehr selber ausführen kann bzw. in welchem Mass eine dauernde Überwachung notwendig ist
    • Schwere Hilflosigkeit
      • Alle 6 Lebensverrichtungen sind nicht mehr möglich +
      • dauernde Pflege oder zumindest persönliche Überwachung ist nötig
    • Mittlere Hilflosigkeit
      • Einschränkung in zwei Lebensverrichtungen und kumulativ
      • dauernde persönliche Überwachung
    • Leichte Hilflosigkeit
      • Einschränkung in zwei Lebensverrichtungen oder
      • dauernde persönliche Überwachung oder dauernde aufwendige Pflege oder Hilfe Dritter zwecks Kontaktnahme bei schwerer Sinnes- oder Körperschädigung

Die Höhe der Hilflosenentschädigung wird nach dem Grad der Hilflosigkeit bemessen und differenziert:

  • Aufenthalt der hilflosen Person zu Hause oder im Heim
  • Alter (Voll- oder Minderjährigkeit)
  • Leistungsform (monatliche Rente)
  • Quantitativ einkommensunabhängig
    • AHV
      • 80 % des Mindestbetrags der einfachen Altersrente
      • 50 % des Mindestbetrags der einfachen Altersrente
      • 20 % des Mindestbetrags der einfachen Altersrente (nur bei Aufenthalt zu Hause)
    • IV, UV und MV
      • pro memoria

Ergänzungsleistungen

Reichen die finanziellen Mittel der pflegebedürftigen Person (AHV-/IV- und BVG- sowie Säule 3a/3b-Leistungenen bzw. die sonstigen Einkommen und das Vermögen) nicht oder nicht mehr aus, kann sie Ergänzungsleistungen gemäss Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) beantragen.

Die Höhe der Ergänzungsleistung (EL) berechnet sich wie folgt:

  • jährliche EL =   anerkannte Ausgaben – anrechenbare Einnahmen

Die anrechenbaren Einnahmen ergeben sich aus dem Katalog von ELG 11. Das Vermögen wie auch der Vermögensverzehr sind in dieser Rechnung zu berücksichtigen. Ebenso sind Vermögenswerte, auf die verzichtet wurden (zB durch Erbvorbezug, Schenkung, Erlass usw.), ohne Fristbeschränkung in die EL-Kalkulation einzustellen.

Je höher die anrechenbaren Einnahmen nach ELG ausfallen, desto geringer sind die Ergänzungsleistungen.

Sozialhilfe

Reichen die eigenen Einnahmen der bedürftigen Person, die Leistungen der Krankenkasse und die Ergänzungsleistungen nicht zur Kostendeckung aus, kommt zunächst die Sozialhilfe für den Fehlbetrag auf (vgl. für den Kanton Zürich: Sozialhilfegesetz (SHG)). Die Sozialhilfe soll sicherstellen:

  • notwendige ärztliche Hilfe
  • notwendige therapeutische Behandlung
  • notwendige Pflege in einem Spital, in einem Heim oder zu Hause

Armut und Sozialhilfebedürftigkeit sind zu verhindern.

Verwandtenunterstützung

Wird die Sozialbehörde in Anspruch genommen, prüft sie, ob Verwandte zur Unterstützung des Sozialhilfeempfängers verpflichtet sind (vgl. ZGB 328 und 329; SHG ZH 25 Abs. 1). Infolge Vorranges der Verwandtschaftsunterstützungspflicht vor dem Sozialfürsorgerecht kommt das Gemeinwesen erst nach den Verwandten zum Zug. Daher wird die Sozialbehörde zunächst die Verwandten zur Hilfe auffordern (SHG 25 Abs. 1). Das Gemeinwesen kann die Verwandten nicht per Verfügung zur Leistung bzw. Unterstützung verpflichten, da es sich bei der Verwandtenunterstützung um einen privatrechtlichen Anspruch geht. Im Falle eines urteilsunfähigen Bedürftigen wird die Sozialbehörde eine Personensorge- und / oder Vermögenssorge-Anzeige an die KESB absetzen. Die KESB wird einen Beistand ernennen, der dann für die Interessenwahrung der urteilsunfähigen, bedürftigen Person verantwortlich ist.

Die Verwandtenunterstützung kann weder verhindert noch umgangen werden:

  • Anspruch des Bedürftigen
    • Anspruch des Bedürftigen auf laufende Unterstützung
      • Unvererblichkeit
      • Unabtretbarkeit
      • Unverpfändbarkeit
      • Unverrechenbarkeit
      • Unverzichtbarkeit
      • Unpfändbarkeit
  • Anspruch der Armenbehörde
    • Laufende Unterstützung des Bedürftigen
      • Anspruch auf laufende Unterstützung
    • Ersatzanspruch für erbrachte Unterstützung
      • Ersatzanspruch gegenüber dem Verwandten auf Ersatz der bereits erbrachten Unterstützungsleistungen

Die Verwandtenunterstützungspflicht hängt vom eigenen Einkommen und Vermögen des Verwandten ab; für die Inanspruchnahme der Verwandten werden in der Praxis oft die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (kurz SKOS-Richtlinien) zu Grunde gelegt.

Der in Anspruch genommene Verwandte hat unter Bedingungen Ersatzansprüche gegen Mitverwandte sowie gegen den Bedürftigen, falls dieser wieder zu neuem Einkommen und / oder Vermögen kommen sollte (zB aufgeschobene Rente oder Versicherungsleistung, Erhalt einer Schenkung, Erbschaft o.ä.).

Fazit

Abgesehen von der meist diffusen Parallelität des Abbaus von geistigem und physischem Zustand folgt auf eine Alters- oder Pflegeheimeinweisung eine klare Kostendeckungskaskade: Eigenleistung, Hilflosenleistung, Ergänzungsleistung, Sozialhilfe und Verwandtenunterstützung. Jede Phase der durch die hohen Altersheim- und Pflegekosten sinkenden Finanzmittel fordert von der bedürftigen Person oder ihren Ehegatten, Nachkommen und sonstigen Angehörigen viel ab. Gehen die finanziellen Mittel, bevor sich der Lebenskreis des bedürftigen geschlossen hat, aus, werden die Ehegatten oder bei erfüllten Voraussetzungen die Verwandten verwandtenunterstützungspflichtig. Unversehens werden die Betroffenen zu Leistungsträgern, wenn auch für mehr oder minder absehbare Dauer. Für die Beantwortung der drängenden Fragen ist externer Rat meist unabdingbar.

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