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Erbrecht

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Bundesrat plant Modernisierung des Erbrechts

Datum:
07.03.2016
Rubrik:
Berichte, Gesetzgebung
Rechtsgebiet:
Erbrecht
Stichworte:
Erbrechts-Gesetzesrevision
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Vernehmlassung bis 20.06.2016

Einleitung

Die heutige Zeit kennt ganz andere und vielfältigere Lebensformen als bei Inkraftsetzung des geltenden Erbrechts vor 100 Jahren. Der Bundesrat schlägt daher zur Modernisierung des Erbrechts eine Senkung der Pflichtteilsquoten vor, damit der präsumtive Erblasser freier über seinen dereinstigen Nachlass verfügen kann. Bekanntlich bestehen weitergehende Begünstigungsbedürfnisse zugunsten des Lebenspartners und deren Kinder sowie für die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen. Das Erbrecht soll flexibler ausgestaltet werden.

A. Geltendes Erbrecht

Im aktuellen Erbrecht kann der Erblasser nur eingeschränkt über seinen künftigen Nachlass verfügen. Der sog. „Pflichtteil“ beschränkt die Dispositionsmöglichkeiten. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen, die Ehegatten bzw. die eingetragenen Partner und – falls keine Nachkommen vorhanden sind – die Eltern. Der Pflichtteilsanspruch berechnet sich nach Quoten (Bruchteilen) des gesetzlichen Erbanspruchs. Die Hinterbliebenen erben nach einer vom Gesetz vorgegebenen Reihenfolge. An erster Stelle erben die Ehepartner bzw. die eingetragenen Partner sowie die Nachkommen (Kinder, Enkel, Urenkel). Sind keine Ehegatten bzw. keine eingetragenen Partner oder Kinder vorhanden, erben die Eltern oder deren weitere Nachkommen (Geschwister des Erblassers). Falls die Eltern vorverstorben sind und keine Geschwister vorhanden sind, erben die Grosseltern und deren Nachkommen (Onkel und/oder Tanten des Erblassers). Sind auch keine solchen Verwandten vorhanden und hat der Erblasser nicht anderweitige Erben letztwillig berufen, so fällt das ganze Vermögen dem Staat zu.

GesetzlicherErbanspruch

B. Neues Erbrecht für vielfältige Lebensformen

1. Grundlage

Mit der Vernehmlassungsvorlage erfüllt der Bundesrat die 2010 von Felix Gutzwiller (exStänderat ZH) eingereichte Motion 10.3524. Die Motion beauftragte den Bundesrat, eine Vorlage auszuarbeiten, die das Erbrecht zwar flexibler ausgestaltet, das geltende Recht aber in seinem Kerngehalt bewahrt und weiterhin die Familie als institutionelle Konstante schützt.

2. Ziele

Seit Inkraftsetzung haben sich die für das Erbrecht relevanten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in wesentlichen Punkten verändert bzw. weiterentwickelt. Insbesondere ist die durchschnittliche Lebenserwartung stark angestiegen und die familiären Lebensformen sind vielfältiger geworden (Konkubinat oder Patchwork-Familien etc. / siehe Linkliste unten).

Zur angestiegenen Lebenserwartung vgl. ferner:

Erbrecht – Sterblichkeit und Lebenserwartung

3. Senkung Pflichtteile

Der Bundesrat will die Pflichtteilsquoten senken. Die Flexibilisierung zielt auf folgende Lebenssachverhalte und Dispositionen:

  • Weitergehende Begünstigung des faktischen Lebenspartners, also des nicht mit ihm verheirateten Partners, oder ein Stiefkind
  • interessante Optionen für die Unternehmensnachfolge.

Um die Verfügungsfreiheit des Erblassers zu erhöhen, will der Bundesrat die Pflichtteile senken. Diese Vorschläge (siehe nachfolgende Tabelle) sollen dem Erblasser ermöglichen, über einen grösseren Teil seines Vermögens als bisher frei zu verfügen, zumal dem faktischen Lebenspartner oder den Stiefkindern weiterhin kein gesetzlicher Erbanspruch zukommen soll.

GesetzlicherErbanspruchNeu

4. Unterhaltsvermächtnis zum Schutze von unverheirateten Lebenspartnern und von Stiefkindern

Zum Schutze des überlebenden, nicht mit dem Erblasser verheirateten Lebenspartners vor finanziellen Härtefällen will der Bundesrat den Anspruch auf ein sog. „Unterhaltsvermächtnis“ einführen, für:

  • Lebenspartner, die beispielsweise durch Pflege oder durch finanzielle Hilfe erhebliche Leistungen im Interesse des Verstorbenen erbracht haben
  • Stiefkinder und andere Kinder im Haushalt des Verstorbenen, die auf dessen finanzielle Unterstützung angewiesen waren.

5. Schutz vor Erbschleichern

Der Bundesrat will zum Schutze von Personen, deren Vertrauen missbraucht werden könnten, das Risiko der Erbschleicherei eindämmen:

  • Der Erblasser soll inskünftig höchstens einen Viertel seines Vermögens an Personen vererben können, die aufgrund einer beruflichen Funktion in einem Vertrauensverhältnis zum Erblasser stehen (zB Arzt oder Rechtsanwalt).

6. Präzisierungen und Änderungen der Berechnung der Erbmasse

Weiter will der Bundesrat im Gesetz explizit festhalten:

  • Nichtzugehörigkeit zur Erbmasse (Auszahlung an die vom Gesetz bestimmten Vorsorgebegünstigten
    • Ersparnisse der beruflichen Vorsorge (2. Säule)
    • Ersparnisse der privaten Vorsorge (Säule 3a)
  • Hinzurechnung zur Erbmasse (Anrechnungspflicht beim Begünstigten an seinen Erbteil)
    • ausbezahlten Beträge einer Lebensversicherung
      • Die Anrechnungspflicht besteht auch für:
        • Ehepartner, die aufgrund eines Ehevertrags beim Tod des erstversterbenden Ehepartners dessen Teil der gemeinsamen Errungenschaft erhalten (zB sog. Meistbegünstigung)
        • eingetragene Partner.

7. Stärkere Informationsrechte der Erben

Bereits das geltende Erbrecht verpflichtet die Erben, sich gegenseitig über sämtliche Tatsachen zu informieren, die sich auf die Erbteilung auswirken können (siehe Linkliste unten). Neu ist eine Informationspflicht Dritter vorgesehen. Sie sollen den Erben alle das Vermögen des Verstorbenen betreffenden Informationen mitteilen müssen.

8. Video-Nottestament

Neu sollen Personen in unmittelbarer Todesgefahr ein Nottestament per Video aufzeichnen können (zB mittels Smartphone, Videokamera o.ä.). Bei dieser Aufzeichnungsmethode sind die zwei Zeugen, wie sie beim klassischen Nottestament vorgesehen sind, nicht mehr notwendig.

9. Nächste Schritte und Vorabeinschätzung

Es wird sich weisen müssen, wie die zur Vernehmlassung eingeladenen Personen und Organisationen auf die Gesetzesretusche reagieren werden und welchen Anklang die geplante Gesetzesnovelle in den Räten finden wird.

Viele Elemente der vorgesehenen Gesetzesänderungen haben einen steuerlichen Hintergrund und zwar insofern, als sie durch die neue Zuordnung nicht mehr unter die kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuer, sondern unter die Einkommens- und Vermögensbesteuerung fallen. Teilweise wird dadurch in die Fürsorge- und Verwandtenunterstützungspflicht eingegriffen sowie der Staat von seinen Sozialleistungspflichten befreit, alles unter dem Deckmantel der „Modernisierung des Erbrechts“. – Eine einfachere und ehrlichere Lösung (zB durch Gleichstellung der Lebenspartner mit Ehegatten) wäre angezeigt gewesen.

Quelle:

Medienmitteilung des Bundesrats vom 04.03.2016

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