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Auslegung eines Autoabstellplatzes

Datum:
14.11.2016
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Sachenrecht / Immobiliarsachenrecht
Stichworte:
Dienstbarkeit
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZGB 738 Abs. 1

Lautet die Dienstbarkeit zugunsten eines in Stockwerkeigentum aufgeteilten Grundstücks, steht die Ausübungsbefugnis in der Regel den einzelnen Stockwerkeigentümern und nicht der Stockwerkeigentümergemeinschaft zu. Für Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit ist in erster Linie der Eintrag im Hauptbuch massgebend. Auf den Erwerbsgrund kann nur im Rahmen des Hauptbucheintrags zurückgegriffen werden. Lautet der Hauptbucheintrag auf dem belasteten Grundstück „Benützungsrecht Autoabstellplatz“ besteht das Dienstbarkeitsrecht an einem ganzen Abstellplatz, auch wenn im Dienstbarkeitsplan nur eine Teilfläche auf dem belasteten Grundstück eingetragen ist.

Bemerkung der Redaktion der Zeitschrift Beurkundungs- und Grundbuchrecht:

„Im zu beurteilenden Fall lagen gemäss dem Bestandteil des Dienstbarkeitsvertrags bildenden Dienstbarkeitsplans nur gerade 1/6 des Autoabstellplatzes auf der belasteten Liegenschaft. Das Bundesgericht stellt fest, dass der Dienstbarkeitsvertrag, der lediglich einen (kleinen) Teil des Abstellplatzes zum Gegenstand hat, dem Eintrag auf dem Hauptbuchblatt des belasteten Grundbuchblattes widerspreche, zumal letzterer keine Einschränkung enthalte. Massgebend sei daher der Eintrag auf dem Hauptbuchblatt und nicht der davon abweichende Dienstbarkeitsvertrag. Beim Dienstbarkeitsplan handle es sich ohnehin lediglich um einen Architektenplan, der am öffentlichen Glauben des Grundbuchs, da nicht amtlich vermessen, nicht teilnehmen könne.

Es trifft zu, dass für den Inhalt und die räumliche Umschreibung einer Dienstbarkeit in erster Linie der Eintrag auf dem Hauptbuchblatt des belasteten Grundstücks massgebend ist und die Belege nur in zweiter Linie, und auch dies nur im Rahmen des Hauptbucheintrags, herangezogen werden können. Dem Wortlaut des Gesetzes kann somit klar entnommen werden, dass eine im Dienstbarkeitsvertrag vereinbarte dingliche Berechtigung, die den Eintrag auf dem Hauptbuchblatt sprengt, keine Grundbuchwirkung entfalten kann. Im vorliegenden Fall schränkt der Dienstbarkeitsvertrag jedoch die räumliche Ausdehnung der Dienstbarkeitsberechtigung ein. Wohl belastet die Dienstbarkeit, wie das Bundesgericht ausführt, (formell) das ganze Grundstück. Es ist aber ebenso klar, dass das Benützungsrecht an einem Autoabstellplatz auf eine räumlich begrenzte Bodenfläche hinweist. Dies umsomehr, als der Hauptbucheintrag lautet: „Benützungsrecht Autoabstellplatz Nr. 1 in der Tiefgarage“. Dies bedeutet, dass sich der gutgläubige Erwerber eines Rechts am berechtigten Grundstück durch Einsicht in den Rechtsgrundausweis vergewissern muss, welche Bodenfläche in der Tiefgarage dienstbarkeitsbelastet ist. Der Dienstbarkeitsplan bezeichnet in Farbe angelegt die belastete Grundstücksfläche. Daraus ergibt sich unzweideutig, dass nur ein kleiner Teil des Abstellplatzes im belasteten Grundstück liegt und die Dienstbarkeitsbelastung auf diese Teilfläche beschränkt ist. So hat sich auch der Berechtigte eines im Grundbuch eingetragenen „Fuss- und Fahrwegsrechts“ durch Einsicht in den Dienstbarkeitsvertrag zu vergewissern, ob sich die örtlich materiell belastete Grundstücksfläche anhand eines Dienstbarkeitsplans eingeschränkt und definiert ist.

Der Hinweis des Bundesgerichts unter Bezugnahme auf den neuen Wortlaut des Art. 732 Abs. 2 ZGB, wonach der von einem Architekten ausgestellte Dienstbarkeitsplan keine Grundbuchwirkung zukomme, da er nicht vermessen sei, ist unhaltbar. Auch ein Dienstbarkeitsplan, der auf Grund der amtlichen Vermessung im Sinne von Art. 732 Abs. 2 ZGB erstellt worden ist, bleibt ein Vertragsplan und nimmt nicht als amtlich vermessener Plan für das Grundbuch am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teil. Diese Rechtsfolge kommt nur dem Original-Grundbuchplan zu, der Bestandteil der amtlichen Vermessung ist. Der Dienstbarkeitsplan nimmt als den Eintrag ergänzenden Rechtsgrundausweis am öffentlichen Glauben des Grundstücks teil.

Für die Grundbuchführung stellt sich gestützt auf dieses Urteil die Frage, ob in ähnlichen oder vergleichbaren Fällen im Hauptbucheintrag auf den Dienstbarkeitsplan hinzuweisen ist, was in keiner Art und Weise der konstanten Grundbuchpraxis entsprechen würde.      sd“

Quelle

BGE 5A_657/2014, in: ZBGR 97 (2016) 345 ff.

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