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Strafprozess / Strafverfahren / Strafprozessrecht / Strafrecht

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Strafprozessordnung soll praxisorientierter werden

Datum:
11.12.2017
Rubrik:
Gesetzgebung
Rechtsgebiet:
Strafprozess / Strafverfahren
Stichworte:
Rechtsmittel, Strafprozessrecht, Strafrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Vernehmlassung

Einleitung

Nach Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) am 01.01.2011 wurden kritische Stimmen laut und es folgten parlamentarische Vorstösse. Mit der Überweisung der Motion 14.3383 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (Anpassung der Strafprozessordnung) entschied sich das Parlament für eine Gesamtüberprüfung und Gesamtrevision der StPO. Eine vom Bundesamt für Justiz (BJ) eingesetzte Arbeitsgruppe mit Vertretern aus der Praxis und der Wissenschaft hatte zu prüfen, inwieweit sich die StPO bewährt habe. Die nunmehrige Vernehmlassungsvorlage sieht die Anpassung jener Bestimmungen vor, die in der täglichen Praxis zu Schwierigkeiten geführt haben.

Die punktuellen Änderungen

Gemäss Mitteilung vom 01.12.2017 beabsichtigt der Bundesrat durch punktuelle Änderungen folgendes:

  • Einschränkung der Teilnahmerechte beschuldigter Personen zur Absprachevermeidung
  • Berücksichtigung der Opferanliegen
  • Erhöhung der Praxistauglichkeit der Strafprozessordnung (StPO)
    • Änderungen bei den Rechtsmitteln
    • Einvernahme der beschuldigten Person vor Erlass des Strafbefehls
    • Unabhängige Stelle soll amtliche Verteidigung einsetzen
    • Lockerung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft 

Einschränkung der Teilnahmerechte beschuldigter Personen zur Absprachevermeidung

Die am häufigsten kritisierte Regelung im geltenden Recht betrifft die Teilnahme an allen Beweiserhebungen. Die Teilnahme der Parteien an allen Einvernahmen und Beweiserhebungen wird als problematisch eingestuft, weil so eine Abstimmung der Aussagen möglich ist.

Künftig sollen deshalb die Teilnahmerechte eingeschränkt werden können:

  • wenn zu befürchten ist, dass die beschuldigte Person ihre Aussagen an jene der einvernommen Person anpassen könnte
    • zB wenn sie noch nicht zum Sachverhalt befragt worden ist
  • aber nur massvoll, denn die Teilnahmerechte würden einen Ausgleich zur starken Stellung der Untersuchungsbehörde im Vorverfahren bilden.

Berücksichtigung der Opferanliegen

Im Strafbefehlsverfahren sollen aufgrund der jüngsten Evaluation des Opferhilfegesetzes zwei Änderungen vorgenommen werden:

  • Beurteilung im ordentlichen Verfahren
    • Das Strafbefehlsverfahren soll inskünftig ausgeschlossen sein, wenn sich ein Opfer am Strafverfahren beteiligt und eine Strafe von mehr als 120 Tagessätzen Geldstrafe oder 4 Monaten Freiheitsstrafe in Betracht kommt, da für viele Opfer zur Verarbeitung des Erlittenen wichtig ist, dass sich ein Gericht mit der Strafsache befasst
  • Beurteilung bestimmter Zivilforderungen
    • Neu soll die Staatsanwaltschaft im Strafbefehlsverfahren gewisse Zivilforderungen beurteilen können.

Änderungen bei den Rechtsmitteln

Die geplanten Eingriffe in die Rechtsmittelordnung betreffen:

Rechtsmittelweg

  • Aktuelle Situation
    • Heute können bestimmte Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts direkt beim Bundesgericht angefochten werden. Damit werden dem höchsten schweizerischen Gericht systemwidrig Aufgaben einer ersten Rechtsmittelinstanz übertragen
  • Geplante Änderung
    • Künftig soll die Anfechtung von Entscheiden nur noch wie folgt möglich sein:
      • Anfechtung nur noch von Entscheiden kantonaler Obergerichte beim Bundesgericht
      • Streichung der geltenden StPO vorgesehenen Ausnahmen
    • Ziel
      • Entlastung des Bundesgerichts

Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft

  • Aktuelle Situation
    • Nur die beschuldigte Person kann Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts über die Untersuchungs- und Sicherheitshaft anfechten
  • Geplante Änderung
    • Die Revision sieht vor, dass neu auch die Staatanwaltschaft Entscheide über die Untersuchungs- und Sicherheitshaft anfechten kann
  • Ziel
    • Überführung der Rechtsprechung des Bundesgerichts in die StPO
  • Zuständigkeit
    • Für die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen Haftentscheide des Zwangsmassnahmengerichts soll nicht das ordentliche, sondern ein beschleunigtes Beschwerdeverfahren Anwendung finden

Weitere Revisionspunkte

Zur Vernehmlassung verstellt werden sodann folgende Revisionspunkte:

  • Einvernahme der beschuldigten Person vor Erlass des Strafbefehls
    • Die Staatsanwaltschaft soll ab einem bestimmten Strafmass verpflichtet sein, die beschuldigte Person vor dem Erlass eines Strafbefehls einzuvernehmen
  • Unabhängige Stelle soll amtliche Verteidigung einsetzen
    • Inskünftig soll neu nicht mehr die Verfahrensleitung (meistens die Staatsanwaltschaft), sondern eine unabhängige Stelle den amtlichen Verteidiger berufen
    • Damit wird die Kritik berücksichtigt, die geltende Regelung ermögliche es der Staatsanwaltschaft, die Vertretung ihrer Gegenpartei selber zu bestimmen
  • Lockerung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft
    • Sodann sollen die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft bei Wiederholungsgefahr leicht gelockert werden.

Vernehmlassungsdauer

Laut Bundesrat soll die Vernehmlassung zur Änderung der Strafprozessordnung bis Mitte März 2018 dauern.

Quelle

Medienmitteilung des Bundesrates vom 01.12.2017

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