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Vorsorgeeinrichtung – Kollektiver Übertritt und mitzugebende Rückstellungen und Schwankungsreserven

Datum:
07.06.2018
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Vorsorge
Stichworte:
berufliche Vorsorge, Schwankungsreserven, Vorsorgeeinrichtung
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

BVG 53d Abs. 1

Sachverhalt

A.

Nachdem die Versicherungsgesellschaft C._______ AG die Versicherungs-Gesellschaft D.________ AG übernommen hatte, wechselten deren Mitarbeiter – in berufsvorsorgerechtlicher Hinsicht – von der Pensionskasse A.________ auf den 01.01.2012 zur Pensionskasse B.________, was zu einer Teilliquidation der Pensionskasse A.________ per 31.12.2011 führte.

Dabei stellten die Pensionskasse B.________ sowie eine Gruppe ehemaliger Mitarbeiter der D.________ AG unter anderem den Verteilplan betreffend die kollektiv mitzugebenden Rückstellungen in Frage und ersuchten die Bernische BVG- und Stiftungsaufsicht (BBSA) um entsprechende Überprüfung.

Die BBSA verfügte am 19.01.2016, soweit sie auf den Überprüfungsantrag eintrat, dass die kollektiven Rückstellungen mit Ausnahme derjenigen für pendente Invaliditätsfälle den kollektiv ausgetretenen Versicherten anteilsmässig mitzugeben seien, die Pensionskasse A.________ die Teilliquidationsbilanz im Sinne der Erwägungen neu zu erstellen und unter gegebenen reglementarischen Voraussetzungen auch die kollektiven Rückstellungen neu zu berechnen habe.

Prozessgeschichte

B.

Mit Entscheid vom 19.07.2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die von der Pensionskasse A.________ gegen die Verfügung der BBSA vom 19.01.2016 erhobene Beschwerde ab (Dispositiv-Ziffer 1). Zudem sprach es den ehemaligen Mitarbeitenden der D.________ AG eine Parteientschädigung von CHF 15’000.- zu (Dispositiv-Ziffer 3).

C.

Die Pensionskasse A.________ reichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein und beantragte folgendes:

  • Hauptantrag
    • Aufhebung des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.07.2017 und Gutheissung ihrer Beschwerde gegen die Verfügung der BBSA vom 19.01.2016
  • Eventualantrag
    • Es sei der Entscheid vom 19.07.2017 teilweise aufzuheben und sie zu verpflichten, einzig die Rückstellungen für Versicherungsrisiken anteilsmässig mitzugeben
  • Subeventualantrag
    • Es sei die Sache zur Neubeurteilung an die BBSA zurückzuweisen
    • Ferner sei der Entscheid vom 19.07.2017 betreffend die Zusprechung einer Parteientschädigung zu Gunsten der (mit-) prozessierenden ehemaligen Mitarbeitenden der D.________ AG aufzuheben
    • Ausserdem sei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die aufschiebende Wirkung zu gewähren.

Die Pensionskasse B.________ und eine Gruppe ehemaliger Mitarbeitender der D.________ AG schliessen in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung des Rechtsmittels.

Die BBSA beantragt, ohne dass sie materiell Stellung zu nehmen, die Abweisung der Beschwerde.

Die Pensionskasse A.________ gelangt mit einer weiteren Eingabe an das Bundesgericht.

Erwägungen der Rechtsmittelinstanz

Laut Bundesgericht ergebe sich aus der Beschwerdebegründung, welche für die Auslegung der Rechtsbegehren heranzuziehen sei, dass der Anspruch der aktiven Versicherten, die per 01.01.2012 kollektiv aus der Pensionskasse A.________ ausgetreten seien, auf folgende Rückstellungen streitig sei:

  • für die Finanzierung der Besitzstände
  • für Pensionierungsverluste und
  • für den nicht finanzierten Teil der Risikoprämie.

Gemäss BVG 53d Abs. 1 muss die Teil- und Gesamtliquidation der Vorsorgeeinrichtung unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und nach fachlich anerkannten Grundsätzen durchgeführt werden. Der Bundesrat bezeichnet diese Grundsätze (Erw. 1.2.1.).

Treten mehrere Versicherte gemeinsam in eine andere Vorsorgeeinrichtung über (kollektiver Austritt), so gilt laut Bundesgericht folgendes:

  • Ansprüche
    • Anspruch auf die freien Mittel, zusätzlich ein
    • kollektiver anteilsmässiger Anspruch auf
      • die Rückstellungen und
      • die Schwankungsreserven
  • Bemessung
    • Angemessenheit
      • Bei der Bemessung des Anspruchs ist dem Beitrag, den das austretende Kollektiv zur Bildung der Rückstellungen und Schwankungsreserven geleistet hat, angemessen Rechnung zu tragen.
    • Umfang
      • Rückstellungen
        • Der Anspruch auf Rückstellungen besteht nur, sofern und soweit auch versicherungstechnische Risiken übertragen werden
      • Schwankungsreserven
        • Der Anspruch auf Schwankungsreserven entspricht anteilsmässig dem Anspruch auf das Spar- und Deckungskapital ( 27h Abs. 1 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1])
  • Beurteilung der Übertragung eines versicherungstechnischen Risikos
    • Massgeblichkeit der Situation der abgebenden PK
      • Für die Beurteilung, ob ein versicherungstechnisches Risiko übertragen wird, ist einzig die Situation in der abgebenden Vorsorgeeinrichtung relevant
      • Die künftige vorsorgerechtliche Situation bei der neu zuständigen Pensionskasse hat keinen Einfluss auf Bestand und Höhe des Anspruchs aus der Teilliquidation der abgebenden Kasse (BGE 140 V 121 4.4 S. 127).
    • Voraussetzung: Rückstellungen für den Abgabebestand
      • Durch die Rückstellungen abgesicherte versicherungstechnische Risiken sind zu übertragen, wenn die fraglichen Rückstellungen auch für den Abgangsbestand gebildet wurden
    • Gleichbehandlungsgebot
      • Nur so sind gleiche Verhältnisse zwischen verbleibendem und abgehendem Bestand gegeben, die dem Abgangsbestand in Nachachtung des Gleichbehandlungsgebots grundsätzlich Anspruch auf seinen Anteil verleihen:
        • Mit dem Austritt muss die Vorsorgeeinrichtung die bis dahin vorhandenen versicherungstechnischen Risiken des Abgangsbestandes nicht länger tragen (BGE 140 V 121 ff., Erw. 4.3 in fine S. 126 f.)
  • im Einzelnen Erw. 1.2.2. und 1.2.3.

Die Beschwerdeführerin versuchte eine Änderung der Rechtsprechung in Bezug auf die „technischen Rückstellungen“ herbeizuführen, was ihr nicht gelang.

Im Kostenpunkt war der Beschwerdeführerin indessen Erfolg beschieden.

Entscheid der Rechtsmittelinstanz

Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 3 des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.07.2017 wurde aufgehoben. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

Quelle

BGer 9C_615/2017 vom 16.03.2018

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