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Patentrecht: Praxisänderung zu ergänzenden Schutzzertifikate (ESZ)

Datum:
08.11.2018
Rubrik:
Gesetzgebung
Rechtsgebiet:
Immaterialgüterrecht Schweiz
Stichworte:
Bundesgerichtsurteil, Patent, Patentrecht, Praxisänderung
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

BGer 4A_576/2017 „Tenefovir“ vom 11.06.2018

Einleitung

Das Institut für geistiges Eigentum (IGE) ändert rückwirkend per 11.06.2018 seine Praxis zur Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten (ESZ). Die Praxisänderung erfolgt auf Grund der vom Bundesgericht im Entscheid BGer 4 A_576/2017 «Tenefovir» vom 11.06.2018 vorgenommenen Praxisänderung.

Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Voraussetzung für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats (ESZ), wonach ein Erzeugnis «durch das Grundpatent geschützt» sein müsse, entsprechend des europäischen Vorbilds (in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)) auszulegen sei.

Der EuGH stellt darauf ab, ob das Erzeugnis des ESZ-Antrags in den Ansprüchen des Grundpatents genannt ist («Medeva», C-322/10) oder, ob sich die Patentansprüche stillschweigend, aber notwendigerweise und in spezifischer Art und Weise auf den Wirkstoff / die Wirkstoffkombination beziehen («Eli Lilly», C-493/12).

Bundesgerichturteil und Praxisänderung

Die bisherige Rechtsprechung stellte darauf ab, ob das Erzeugnis in den Schutzbereich des Grundpatents fällt (sog. Verletzungstest).

Für die Erteilung ist neu entscheidend, ob das mit einem ESZ zu schützende Erzeugnis in den Patentansprüchen in einer für den Fachmann erkennbaren Art und Weise wiedergegeben ist.

Mit dem «Tenefovir-Fall» wendete sich das Bundesgericht von der alten «Fosinopril»-Praxis (BGE 124 III 375), wonach nur geprüft wurde, ob das Erzeugnis in den Schutzbereich des Grundpatents fällt (eben vom sog. Verletzungstest), ab.

IGE-Vernehmlassung

Das Institut für geistiges Eigentum (IGE) hatte bereits von 2014 – 2017 mit den Patentanwaltsverbänden, den betroffenen Industrieverbänden und einem externen Experten ein Konsultationsverfahren zu einer Praxisänderung zur Erteilung von ESZ auf der Grundlage der neueren europäischen Rechtsprechung durchgeführt. Involviert waren u.a.:

  • Patentanwaltsverbänden
    • VESPA
    • VSP
    • VIPS
    • AIPPI Schweiz
  • Industrieverbände
    • Interpharma
    • Scienceindustries
    • Vips
    • Intergenerika

Geänderte ESZ-Richtlinie

Die neu eingeführte Richtlinie entspricht unverändert den mit den involvierten Kreisen gemeinsam erarbeiteten neuen Prüfungsgrundsätzen, wie sie vom IGE am 22.03.2017 sämtlichen involvierten Kreisen kommuniziert wurden.

Die geänderte ESZ-Richtlinie finden Sie auf der Webseite des IGE:

Fiktive Fallbeispiele

Für ein besseres Verständnis der neuen ESZ-Praxis hat das Institut für geistiges Eigentum (IGE) mit den involvierten Kreisen fiktive Fallbeispiele entwickelt:

Anwendung der Praxisänderung auf alle seit 11.06.2018 hängigen ESZ-Gesuche

Die Umsetzung der Praxisänderung in Kapitel 13.2.1 der Richtlinien für die Sachprüfung der nationalen Patentanmeldungen erfolgt rückwirkend ab dem Zeitpunkt der bundesgerichtlichen Entscheidung, d.h. ab 11.06.2018.

Die neue Praxis wird also auf alle zu diesem Zeitpunkt hängigen und später eingereichten Gesuche um Erteilung eines ESZ angewandt.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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