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Sozialversicherungsrecht / Sozialversicherung

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Krankenversicherung: Schwarze Listen der Krankenkassen – Grosszügige Auslegung des medizinischen Notfallbegriffs

Datum:
12.12.2018
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht
Stichworte:
Kostenübernahme, Krankenkassen, Krankenkassenversicherung, Sozialversicherungen
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

KVG 64a Abs. 7 / Erster Gerichtsentscheid zum Thema

Ausgangslage

Insgesamt neun Kantone führen in der Schweiz schwarze Listen, darunter auch der Kanton St. Gallen, welcher vom Gerichtsfall betroffen ist (siehe Kartogramm am Berichtsende). Die Listen führenden Kantone können sich auf die gesetzliche Grundlage von KVG 64a Abs. 7 stützen (siehe Text-Box am Berichtsende). Auf diesen Listen werden Personen angeführt, die trotz einer Betreibung ihre Krankenkassenprämien nicht bezahlt haben. Wer auf dieser Liste aufgeführt ist, hat nur im Notfall Anspruch auf eine medizinische Behandlung.

Sachverhalt

Im konkreten Fall ging es um eine Frau, die im Kantonsspital St. Gallen ein Kind gebar. Sie war auf der sog. „schwarzen Liste“ erwähnt, weshalb ihr Versicherer der obligatorischen Grundversicherung, die „Assura“, sich weigerte, die Spitalkosten (eine Nacht im Spital wegen Geburt im Wert von CHF 1‘656.70 (zuzüglich CHF 635.80 für das Neugeborene) zu übernehmen. Strittig war, ob der Geburtsanlass unter den von KVG 64a Abs. 7 verwendeten Begriff der „Notfallbehandlungen“ subsumiert werden kann.

Begründung

Nach historischer, teleologischer und systematischer Auslegung des Begriffs «Notfallbehandlungen» kam das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hinsichtlich der „Kapitalforderung“ zu folgenden Schlüssen:

  • Der medizinische Notfallbegriff sei zu eng gefasst
  • Es erscheine als sachgerecht, in Fällen, in denen Medizinalpersonen eine Beistandspflicht zukomme, von einer Notfallbehandlung im Sinne von KVG 64a Abs. 7 auszugehen
  • Der stationäre Aufenthalt zur Entbindung im Zeitpunkt des Spitaleintritts sei notwendig und unaufschiebbar gewesen, weshalb es sich um eine Notfallbehandlung im Sinne von KVG 64a Abs. 7 gehandelt habe, deren Kosten von der Krankenkasse übernommen werden müssten, auch wenn die versicherte Person in der schwarzen Liste registriert sei.

Hinsichtlich der Entrichtung von „Verzugszinsen“ wurde der Antrag abgewiesen, da die Zahlungsfrist gemäss massgebendem Tarifvertrag bis zum Zeitpunkt der Differenz-Beilegung unterbrochen worden sei.

Entscheid

  1. Die Klage wurde gutgeheissen und die beklagte Assura verpflichtet, dem klagenden Kantonsspital St. Gallen die Kosten für die stationäre Behandlung von B.___ (Police Nr. 119.…) vom 13. bis 14.06.2016 im Betrag von CHF 1’656.70 und von CHF 635.80 aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu erstatten.
  2. Die Beklagte hatte die Gerichtsgebühr von CHF 5’000.– zu bezahlen; der Kostenvorschuss von CHF 1’000.– wurde der Klägerin zurückerstattet.
  3. Zudem hatte die Beklagte der Klägerin eine Parteientschädigung von CHF 4’000.– zu bezahlen.

Quelle

Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26.04.2018
KSCHG 2017/5

3a. Abschnitt: Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen

Art. 64a Abs. 7 KVG

Die Kantone können versicherte Personen, die ihrer Prämienpflicht trotz Betreibung nicht nachkommen, auf einer Liste erfassen, welche nur den Leistungserbringern, der Gemeinde und dem Kanton zugänglich ist. Die Versicherer schieben für diese Versicherten auf Meldung des Kantons die Übernahme der Kosten für Leistungen mit Ausnahme der Notfallbehandlungen auf und erstatten der zuständigen kantonalen Behörde Meldung über den Leistungsaufschub und dessen Aufhebung nach Begleichung der ausstehenden Forderungen.

Bildquelle: tagblatt.ch

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