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Verkehrsrecht

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Führerausweisentzug: Ablenkung am Steuer ist ein Entzugsgrund

Datum:
15.04.2019
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Verkehrsrecht
Stichworte:
Ablenkung, Busse, Freiheitsstrafe, Führerausweisentzug, Gefährdung Dritter, Verkehrsrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Starke Ablenkung kann Leben gefährden

Einleitung

Am 07.03.2018 hat der Mediendienst des Bundesamtes für Strassen ASTRA die Führerausweisstatistik 2018 und die Statistik der Administrativmassnahmen vorgestellt.

Wir informierten:

Führerausweisentzugs-Statistik 2018

Wenn auch die Zahl der Ausweisentzüge 2018 rückläufig war, fallen in der Statistik 2018 die hohen Ausweisentzugszahlen bei Unaufmerksamkeit bzw. Ablenkung auf.

Der Rückgang darf nicht über die hohen Zahlen hinwegtäuschen:

  • Ausweisentzug aufgrund der Gefährdung Dritter durch Unaufmerksamkeit
    • in 7760 Fällen
  • Ausweisentzug aufgrund von Ablenkung wie beispielsweise durch Telefonieren, Surfen am Smartphone oder Essen am Lenkrad
    • in 1544 Fällen.

Ablenkung darf nicht sein

Aus Gründen der Unfallprävention darf Ablenkung nicht sein.

Wer Auto fährt, hat

  • auf die Strasse zu schauen und hat
  • die Hände am Steuer.

Ablenkung steigert das Unfallrisiko.

Ablenkung als wichtiger Entzugsgrund

Der abgelenkte Fahrer gewärtigt je nach Situation

  • eine hohe Busse oder gar Freiheitsstrafe
  • den Entzug des Führerausweises

Gesetzliche Grundlage

Nach Art. 31 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetztes (SVG) muss der Lenker sein Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann.

Der Fahrer muss gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verkehrsregelverordnung (VRV) seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden.

Mass der Aufmerksamkeit

Das Mass der Aufmerksamkeit des Lenkers richtet sich nach den gesamten konkreten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (vgl. BGE 137 IV 290 ff., Erw. 3.6, S. 295 mit Hinweis).

Der Fahrer darf, wenn es die Verkehrssituation erlaubt, zum Ablesen der Geschwindigkeit oder der Treibstoffreserve kurz auf das Armaturenbrett schauen, ohne dass ihm eine ungenügende Aufmerksamkeit zur Last gelegt werden kann (vgl. Urteil 1C_183/2016 vom 22.09.2016 E. 2.1).

Gleiches gilt für den Fahrzeuglenker, der in Phasen des Stillstands seines Fahrzeugs im Stau eine Zeitung liest und diese in den Phasen des Aufrückens um einige Meter im Schritttempo teils auf seinen Oberschenkeln, teils am Lenkrad aufgestützt lässt (Urteil 6P.68/2066 vom 06.09.2006, Erw. 3.3).

Dagegen widmet ein Fahrer dem Verkehr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit, wenn er während der Fahrt seinen Blick zum Schreiben einer Nachricht (SMS) länger auf sein Mobiltelefon richtet (vgl. Urteil 6B_666/2009 vom 24.09.2009, Erw. 1.3 f.).

Der Fahrzeugführer darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV). Er muss das Lenkrad mindestens mit einer Hand halten (vgl. Art. 3 Abs. 3 VRV) und hat die andere, wenn sie nicht zum Lenken gebraucht wird, für Handgriffe wie die Betätigung der Warnsignale, der Richtungsanzeiger, gegebenenfalls des Schalthebels, der Scheibenwischer, des Lichtschalters und dergleichen zur Verfügung. Ob eine Verrichtung das Lenken oder einen dieser Handgriffe erschwert bzw. verunmöglicht, hängt grundsätzlich von der Art der Verrichtung, vom Fahrzeug und von der Verkehrssituation ab. Dauert eine solche Verrichtung nur sehr kurz und muss dabei weder der Blick vom Verkehr abgewendet noch die Körperhaltung geändert werden, kann eine Erschwerung der Fahrzeugbedienung in der Regel verneint werden.

Ist die Verrichtung jedoch von längerer Dauer oder erschwert sie in anderer Weise die nötigenfalls sofortige Verfügbarkeit der sich nicht am Lenkrad befindlichen Hand, so ist die Fahrzeugbedienung in unzulässiger Weise behindert (vgl. BGE 120 IV 63 ff., Erw. 2d, S. 66; Urteil 1C_183/2016 vom 22.09.2016, Erw. 2.1.1; Urteil 6B_1183/2014 vom 27.10.2015, Erw. 1.3).

Insbesondere darf die Aufmerksamkeit nicht durch die Bedienung von Tonwiedergabegeräten, Kommunikations- und Informationssysteme beeinträchtigt werden.

Leistungskürzung durch Versicherer

Führt die Ablenkung zu einem Unfall, kann der Unfallversicherer wegen Grobfahrlässigkeit seine Leistungen kürzen (Art. 37 Abs. 2 UVG).

Kasuistik von Bundesgerichtsurteilen

Zur Ablenkung am Steuer gibt es Bundesgerichtsentscheide, die Handlungen qualifizieren und zulässige Ablenkungsdauern quantifizieren.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wird nachfolgend die Kasuistik neuerer Urteile wiedergegeben:

  • Verbotene Ablenkungen
  • Zulässige Verrichtungen

Verbotene Ablenkungen

Verbotene Handlungen Bundesgerichtsurteil
Länger als einen kurzen Moment dauernde Handlungen

Handlungen, die länger als einen kurzen Moment ablenken oder die auf andere Weise erschweren, dass beide Hände sofort am Lenkrad verfügbar sind

BGer 1C_422/2016 vom 09.01.2017
Telefonieren während der Autofahrt

Der Fahrzeugführer, der während der Fahrt telefoniert und dazu länger als einen kurzen Augenblick das Telefongerät mit der einen Hand hält oder es zwischen Kopf und Schulter einklemmt, nimmt eine Verrichtung vor, welche die Fahrzeugbedienung in unzulässiger Weise erschwert

BGE 120 IV 63 ff.
SMS-Schreiben

Das Schreiben einer SMS

BGer 6B_666/2009 vom 24.09.2009
Nebenfahrbahn-Schauen

Während längerer Zeit auf die Nebenfahrbahn zu schauen

BGer 6B_1157/2016 vom 28.03.2017
A4-Blatt lesen

Den Blick während rund sieben Sekunden auf ein A4-Blatt zu richten

BGer 1C_422/2016 vom 09.01.2017

 Zulässige Verrichtungen

Zulässige Handlungen Bundesgerichtsurteil
Kurze Verrichtungen ohne Blickabwendung oder Körperhaltungsänderung

Verrichtungen von nur kurzer Dauer, bei welchen weder der Blick vom Verkehr abgewendet, noch die Körperhaltung verändert werden muss

BGer 1C_422/2016 vom 09.01.2017, Erw. 3.2
Kurzer Armaturenbrett-Blick

kurzer Blick auf das Armaturenbrett, wenn es die Verkehrssituation erlaubt

BGer 1C_183/2016 vom 22.09.2016

Tipps für weniger Ablenkung im Straßenverkehr

Viele Ablenkungen lassen sich durch gezieltes und geplantes Vorgehen vermeiden. Überlegen Sie vor der Wegfahrt, was sie noch im „ruhenden Verkehr“ erledigen können. Besinnen Sie sich auf die Zeit zurück, als es noch keine Smartphones gab – Da mussten die Telefonate auch vorher erledigt werden.

Achten Sie bei Ihrer nächsten Fahrt darauf, dass Sie ohne störende und ablenkende Einflüsse unterwegs sind. Sie werden sicher feststellen, dass die Fahrt viel relaxter bzw. stressfreier sein wird.

Ablenkung vermeiden durch geplantes Vorgehen

  • Erledigen Sie alle fahrfremden Angelegenheiten vor der Wegfahrt
    • Dazu zählen
      •  Essen
      • Trinken
      • Rauchen
      • Telefonieren
      • E-mails, SMS oder Whatsapp‘s beantworten
      • Zieldestinationen-Navigieren
  • Elektronische Geräte nicht während der Fahrt nutzen
    • Dies gilt für
      • Mobiltelefone
      • CD-Wechsler
      • Radio
      • etc.
  • Gegenstände griffbereit ablegen
    • Bereitlegen von Hilfsmitteln wie
      • Sonnenbrillen
      • Schnupftücher
      • Maut-Münzen
      • usw.

Zukunft

Die Smartphone-Sucht vieler Autofahrerinnen und Autofahrer wird zu einer weiteren Zunahme von Unachtsamkeit und Ablenkung führen.

Die Polizeiorgane können das Manipulieren an Devices heute schon relativ gut nachweisen. Eine Optimierung der Strafprozessordnung (StPO) dürfte dazu führen, dass sich die Dunkelziffer derjenigen, die mit Ersatz-Unfallgründen (wie ein Tier querte die Strasse, Abdrängen durch einen anderen Autofahrer usw.) falsche Angaben machen, noch weiter reduziert.

Quelle

LawMedia-Redaktionsteam

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