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Strafrecht

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Anwälte mit Geschäftsmodell „Gründungsschwindel“

Datum:
12.11.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Strafrecht
Stichworte:
AG-Gründung, Aktiengesellschaft
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

StGB 251 Ziff. 1, StGB 253

Einleitung

Die nachfolgende Abhandlung betrifft das Thema „Gründungsschwindel“, d.h. die Gründung einer Aktiengesellschaft mit geliehenem Geld und Rückzahlung des geliehenen Kapitals (sog. Kapitalrückgewähr) nach erfolgter Eintragung der Aktiengesellschaft im Handelsregister und die strafrechtliche Einordnung.

Sachverhalt

In der Zeitschrift plädoyer 5/19, S. 7, erschien Ende Oktober 2019 unter dem Titel „Anwälte auf der Anklagebank“ folgende Information:

„… Zwei Zürcher Anwälte hatten über Jahre hinweg Dutzende von Aktiengesellschaften gegründet. Das Startkapital von jeweils 100 000 Franken erhielten sie von einem befreundeten Geschäftsmann. Das Geld stand den Gesellschaften jeweils nur kurzfristig zur Verfügung – auf den Zeitpunkt der Gründung hin. Anschliessend zogen sie es vom Konto der gegründeten Gesellschaft wieder ab. … Das Gericht verurteilte beide Angeklagten im abgekürzten Verfahren wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung sowie der mehrfachen Erschleichung einer falschen Beurkundung zu bedingten Freiheitsstrafen von 14 und 18 Monaten Gefängnis. Zudem müssen sie dem Staat für die widerrechtlich erlangten Vermögensvorteile 180 000 und 410 000 Franken zahlen. Den Anwälten droht nun auch ein Entzug des Patents.“

Rechtliche Einordnung im Detail

Wegen der Verurteilung im abgekürzten Verfahren ist – abgesehen von den beiden Straftatbeständen (ungetreue Geschäftsbesorgung und Erschleichung von Falschbeurkundung) die Detailbegründung des Strafurteils nicht bekannt.

Für Laien und Leser, die die Verwerflichkeit einer Kapitalrückzahlung nach der Gründung nicht anstössig empfinden, sind die Einzelheiten nachzuzeichnen.

Erschleichung Falschbeurkundung

Was war passiert?

Man muss bei einem „Gründungsschwindel“ von folgendem ausgehen:

  • Aktienzeichnung
    • Gründer zeichnen im Errichtungsakt der Aktiengesellschaft die Aktien und stellen fest, dass
      • sämtliche Aktien gültig gezeichnet sind,
      • die versprochenen Einlagen dem gesamten Ausgabebetrag entsprechen und
      • die gesetzlichen und statutarischen Anforderungen an die Leistung der Einlagen erfüllt sind
    • OR 629 Abs. 2
  • Liberierung des Gründungskapitals
    • Die Zeichnung bedarf zu ihrer Gültigkeit einer bedingungslosen Verpflichtung, eine dem Ausgabebetrag entsprechende Einlage zu leisten
    • OR 630
  • Einlage muss der AG zur freien Verfügung stehen
    • Die Leistung der versprochenen Einlage muss die Gesellschaft in die Lage versetzen, über die Mittel frei zu verfügen
  • Geliehenes Gründungskapital
    • Nach Feststellungen im eingangs erwähnten plädoyer-Artikel wurde das Gründungskapital von einem „befreundeten Geschäftsmann“ zur Verfügung gestellt
  • Scheineinzahlung
    • Die Kapitaleinzahlung des Gründungskapitals erfolgte nur zum Schein
  • Kapitalrückzahlung / sog. Kapitalrückgewähr
    • Das Gründungskapital wurde nach erfolgter Gründung scheinbar an den Kapitalgeber zurückbezahlt
    • Weil die bestraften Organe der gegründeten Gesellschaft Hand zu einer Kapitalrückgewähr in Verletzung der Kernbestimmungen über den Kapitalschutz boten
    • OR 680 Abs. 2
  • Vorgetäuschte Kapitalausstattung
    • Die Leistung der versprochenen Kapitaleinlage («Liberierung») erfolgte nur formell
    • In Tat und Wahrheit wurde das Aktienkapital nicht liberiert
    • Die Kapitalausstattung wurde nur vorgetäuscht und war in nachbezeichneten Elementen nicht wahr
      • Erklärungen in der Einzahlungsbescheinigung der Depositenstelle
      • notarieller Errichtungsakt
      • Bestätigung zuhanden des Handelsregisters, wonach das Aktienkapital der AG vollumfänglich liberiert worden sei und der Gesellschaft nach dem Eintrag ins Handelsregister frei zur Verfügung stehen würde
  • Täuschung Notar und Handelsregisteramt
    • Beim Gründungsschwindel werden der Notar und das Handelsregisteramt über die beabsichtigte rechtswidrige Verwendung des Gegenwerts des Gründungskapitals und damit über die erfolgte Liberierung sowie die freie Verfügungsmacht der Gesellschaft über das Kapital getäuscht
  • Strafrechtliche Einordung
    • Urkundenfälschung (StGB 251 Ziff. 1)
    • Erschleichung einer Falschbeurkundung (StGB 253)
  • Qualifikation als Gründungsschwindel
    • Beim vorstehend erwähnten Ablauf handelte sich um einen klassischen Gründungsschwindel, weil der liberierte Kapitalbetrag gar nie vorbehaltslos zur ausschliesslichen Verfügung der Gesellschaft stand.

Quelle

plädoyer, 5/19, S. 7

LawMedia Redaktionsteam

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