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Kanzleiwechsel: Interessenkonflikt und Vertretungsverbot

Datum:
16.12.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Stichworte:
Anwälte, Interessenkonflikt
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

BGFA 12 lit. c – Konfliktvermeidung durch Mandatsniederlegung

Einleitung

In einem Fall aus der Westschweiz hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob die kantonale Instanz zu Recht einen Interessenkonflikt annahm und die Mandatsniederlegung durch „Kläger-Anwälte“ verlangte, weil eine Mitarbeiter-Anwältin mit Dossier-Kenntnis aus der früheren „Beklagten-Anwaltskanzlei“ zu ihnen wechselte.

Sachverhalt

Die A. Sàrl durch ihre Anwälte B. und C. von der Anwaltskanzlei E. in Genf Strafanzeige gegen ihren ehemaligen Arbeitnehmer D. ein, mit dem Vorwurf, Computerdaten während des Arbeitsverhältnisses entwendet zu haben, um sie im Konkurrenzunternehmen seines neuen Arbeitgebers zu nutzen. Gleichzeitig leitete die A. Sàrl ein Zivilverfahren gegen ihren ehemaligen Mitarbeiter D. ein.

  1. beauftragte die Anwaltskanzlei F. Sàrl mit seiner Vertretung. Damals praktizierte G., mit dem Titel «Fachanwältin SAV Arbeitsrecht», in dieser Kanzlei. In der Folge wechselte Anwältin G. von der F. Sàrl zur Anwaltskanzlei E.

Wiederum später teilte die F. Sàrl der Staatsanwaltschaft des Bezirkes La Côte mit, dass sie die Interessen von D. nicht mehr vertrete und, dass der Anwalt X. ihr nachfolge.

Anschliessend beantragte D., vertreten durch seinen neuen Rechtsanwalt, bei der Staatsanwaltschaft, es sei B., C. sowie jedem anderen in der Kanzlei E. arbeitenden Anwalt zu untersagen, weiterhin im Strafverfahren A. Sàrl zu vertreten und/oder zu beraten.

Erwägungen

Gemäss der bundesgerichtlichen Erwägungen sollen Situationen, in denen ein Interessenkonflikt entstünde, vermieden werden.

Entstehe ein Interessenkonflikt, müsse der Anwalt das Mandat niederlegen.

Dies gelte auch bei der Parteivertretung durch verschiedene Anwälte, die als Partner in der gleichen Kanzlei praktizierten. Das Verbot des Interessenkonflikts erstrecke sich auf die ganze Anwaltskanzlei oder Gruppe.

Das durch einen Interessenkonflikt verursachte Hindernis eines Anwalts, jemanden zu vertreten, erstrecke sich grundsätzlich auch auf alle Anwälte, die zum Zeitpunkt der Begründung des Mandatsverhältnisses in der gleichen Kanzlei tätig waren, und zwar unabhängig vom Status der Anwälte (Partner oder Mitarbeiteranwälte). Ein Interessenkonflikt könne auch entstehen, wenn ein mitarbeitender Anwalt die Kanzlei wechsle.

Kenne der Mitarbeiter aufgrund seiner vorherigen Stelle die Akten, so

  • liege ein konkreter Interessenkonflikt vor, der die weitere Mandats-Führung verbiete
  • sei das Mandat von allen Beteiligten niederzulegen.

Vorliegend kannte die Anwältin die Akten, so dass die Niederlegung des Mandats erforderlich wurde,

  • weil die Interessenkonflikt-Möglichkeit konkret war und
  • nicht durch interne Massnahmen in der Kanzlei beseitigt werden konnte, d.h.
    • weil die Errichtung organisatorischer Barrieren oder Abschottungen (sog. «Chinese Walls») durch die neue Kanzlei unzureichend sei.

Ergebnis

Beim Kanzleiwechsel eines Anwalts seien grundsätzlich betroffen,

  • alle Anwälte, die
  • im Zeitpunkt des Mandatsentstehung
  • in der gleichen Kanzlei tätig waren, und
  • unabhängig von ihrer Stellung als Partner oder als Mitarbeiter.

Beim Kanzleiwechsel der Mitarbeiter-Anwältin war auf jeden Fall eine Mandatsniederlegung erforderlich.

Angesichts dieser Erwägungen konnte das kantonale Gericht, ohne Bundesrecht zu verletzen, die vom Beschwerdegegner eingereichte Beschwerde gutheissen und den Beschwerdeführern B. und C. und jedem in der Kanzlei E. arbeitenden Anwalt verbieten, die Beschwerdeführerin im Strafverfahren PE14.022957-XCR zu vertreten oder zu verbeiständen.

Das Bundesgericht hatte die Beschwerde abzuweisen.

Entscheid

  • Abweisung der Beschwerde in Strafsachen
  • Auferlegung der Gerichtskosten an die Beschwerdeführer
  • Entschädigung des Beschwerdegegners zL Beschwerdeführer.

Quelle

BGer 1B_510/2018 vom 14.03.2019   =   BGE 145 IV 218 ff.

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