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Sozialversicherungsrecht / Sozialversicherung

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Arbeitslosenversicherung: Vermittlungsfähigkeit während Schwangerschaft?

Datum:
04.03.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Dem Bundesgericht wurde im Fall 8C_435/2019 diese Streitfrage unterbreitet.

Sachverhalt

Einer jungen schwangeren Versicherten wurde der Anspruch auf Arbeitslosentaggelder von der Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit (DIHA) in Sitten verweigert:

  • Begründung
    • Verneinte Vermittlungsfähigkeit
  • Argumente
    • Zeitnaher Geburtstermin
    • Nahender Beginn der Hochsaison mit schlechten Chancen auf eine Festanstellung im Gastgewerbe

Prozess-History

Das Kantonsgericht Wallis hatte

  • den Entscheid der DIHA aufgehoben und
  • der Versicherten Arbeitslosentaggelder zugesprochen.

Die DIHA focht diesen Entscheid vor Bundesgericht an.

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht erwog folgendes:

  • Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setze u.a. voraus, dass die versicherte Person vermittlungsfähig sei
  • Als vermittlungsfähig gelte, wer bereit, in der Lage und berechtigt sei, eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen
  • Entscheidend seien nicht primär
    • der Arbeitswille und
    • die Arbeitsbemühungen der versicherten Person oder
    • die Frage, ob sie effektiv eine Beschäftigung gefunden habe
  • Massgebend sei vielmehr,
    • o   ob mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, dass ein Arbeitgeber die versicherte Person für die konkret zur Verfügung stehende Zeit einstellen würde

Im vorliegenden Fall hatte die Versicherte

  • zahlreiche und genügende Arbeitsbemühungen für unbefristete Stellen nachgewiesen,
  • obschon sie zwei Monate vor dem Geburtstermin von der Arbeitssuche befreit gewesen wäre.

Somit durfte nicht angenommen werden, dass

  • sich die Versicherte nach der Geburt ganz oder für eine längere Zeit aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen wolle
  • die Frage der Vermittlungsfähigkeit nur der Zeitraum bis zur Geburt beschlage, weil ein Arbeitsverhältnis arbeitsrechtlich während des Mutterschaftsurlaubs weiterlaufe
  • Schwangerschaft und Geburt demzufolge der Vermittlungsfähigkeit entgegenstünden.

Die Nichtanstellung einer Frau wegen einer baldigen Niederkunft falle als Anstellungsdiskriminierung in den Schutzbereich des Gleichstellungsgesetzes (Artikel 3 Absatz 1 und 2):

  • Mit der Verneinung der Vermittlungsfähigkeit unter Hinweis auf die zu geringe Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitgeber die Versicherte siebeneinhalb Wochen vor der Geburt anstellen würde, unterstelle die DIHA potentiellen Arbeitgebern ebendiese diskriminierende Haltung
  • Diese Annahme wurde von der Vorinstanz zu Recht nicht geschützt.

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass das Kantonsgericht Wallis kein Bundesrecht verletzt habe, als es die Vermittlungsfähigkeit einer schwangeren Frau kurz vor der Niederkunft bejahte und ihr Arbeitslosentaggelder zusprach.

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies daher die Beschwerde der DIHA ab und bestätigte den Entscheid des Kantonsgerichts Wallis.

Urteil des Bundesgerichts vom 11.02.2020 (8C_435/2019)

Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 03.03.2020, 12.01 Uhr

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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