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Exequatur Schweiz / Gerichte

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Ausstandsgründe sind für jeden Richter einzeln geltend zu machen

Datum:
30.11.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Exequatur Schweiz
Stichworte:
Ausstandsbegehren, Gerichte, Richter
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

BV 30 Abs. 1 und EMRK 6 Ziff. 1 / StPO 56

Sachverhalt

A.________ erstattete im Zusammenhang mit einem Magistrats-Wahlverfahren bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen diejenigen Entscheidungsträger, die es in den zuständigen Amtsstellen (Obergericht, Justizkommission, Ratsleitung des Kantonsrats und Personalamt) betreffe. In Ziffer 2 der Anzeige beantragte er sodann, es sei das Strafverfahren aufgrund der latenten und offensichtlichen Interessenkollision (das Obergericht als Beschwerdeinstanz der Staatsanwaltschaft sei betroffen) an eine ausserkantonale Staatsanwaltschaft abzutreten.

Hintergrund der Strafanzeige bildete die Kandidatur von A.________ als Oberrichter in der Nachfolgewahl für zwei abtretende Oberrichter.

A.________ machte geltend, das Obergericht mische sich ohne gesetzliche Grundlage und ohne Wissen der Kandidierenden in das Wahlverfahren des Kantonsrats ein und gebe eine Wahlempfehlung ab.

Prozess-History

  • Verfahrenszuordnung im Kanton Solothurn / Einsetzung eines a.o. Staatsanwalts durch den RR Solothurn
  • Verfahrenseinstellung durch a.o. Staatsanwalt

Erwägungen des Bundesgerichts

Grundsätzlich kann ein Gesuchsteller zwar gegen alle Mitglieder einer Instanz ein Ausstandsbegehren stellen, nicht jedoch pauschal gegen eine Kollegialbehörde oder gegen alle Mitglieder einer Behörde.

Verlangt der Gesuchsteller den Ausstand eines ganzen Gerichts, muss er

  • die Ausstandsgründe für jeden Richter einzeln benennen
  • die Ausstandsgründe für jeden Richter glaubhaft machen.

Entscheid

  • Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden konnte.

Quelle

BGer 6B_1359/2019 vom 28.04.2020

Art. 56 StPO   Ausstandsgründe

Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:

  1. in der Sache ein persönliches Interesse hat;
  2. in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war;
  3. mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
  4. mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
  5. mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist;
  6. aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte.
Art. 57 StPO   Mitteilungspflicht

Liegt bei einer in einer Strafbehörde tätigen Person ein Ausstandsgrund vor, so teilt die Person dies rechtzeitig der Verfahrensleitung mit.

Art. 58 StPO   Ausstandsgesuch einer Partei

1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.

2 Die betroffene Person nimmt zum Gesuch Stellung.

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