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Betreuungsform der „alternierenden Kinder-Obhut“: Formelles und Erziehungsgutschriften

Datum:
21.09.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Eherecht / Eheschliessung / Ehe
Stichworte:
Familie, Scheidung
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZGB 298 Abs. 2ter / AHVV 52fbis Abs. 1 und 2

Ausgangslage

Im Falle 5A_139/2020 haben die Ehegatten zwei gemeinsame Kinder und die Ehefrau hat zwei voreheliche Kinder in die Ehe gebracht.

Betreuungsform als „alternierende Obhut“

Bezeichnung

Die Vorinstanzen entschieden, die gemeinsamen Kinder nach der Scheidung unter der gemeinsamen elterlichen Sorge zu belassen, wiesen jedoch die Obhut der Mutter zu.

Der Vater verlangte:

  • eine alternierende Obhut
  • mit zivilrechtlichem Wohnsitz der Kinder am Wohnsitz der Mutter.

Angesichts der ungefähr gleichwertigen Anteile der Parteien an der Kinderbetreuung ist bei der Formulierung der Betreuungsform als «alternierende Obhut» im Urteilsspruch zu beachten:

Wohnsitz

Strittig war die Wohnsitzfrage der beiden Kinder.

Gemäss BGer ist der zivilrechtliche Wohnsitz der Kinder an denjenigen eines Elternteils und nicht an einen bestimmten Wohnort zu knüpfen.

Ausgangsgemäss war der Wohnort der Kinder jener der Mutter.

Anrechnung der Erziehungsgutschriften bei Regelung der elterlichen Sorge , Obhut und Betreuungsanteile

Mit der Regelung der gemeinsamen elterlichen Sorge, der alternierenden Obhut und der Betreuungsanteile der Eltern ist gemäss AHVV 52fbis Abs. 1 und 2 gleichzeitig die Anrechnung der Erziehungsgutschriften zu regeln:

  • Erziehungsgutschriften und Anteile

    • Bei der Betreuung des Kinds durch die beiden Eltern etwa zu gleichen Teilen ist die Erziehungsgutschrift hälftig aufzuteilen, ohne dass dem Gericht diesbezüglich ein freies Ermessen zustehen soll.
  • Aufbau Altersvorsorge

    • Die Beanspruchung der beiden Elternteile durch die Kinderbetreuung ist auch beim Aufbau der Altersvorsorge entsprechend zu berücksichtigen.
    • Da die Mutter im vorliegenden Fall in ihrer Erwerbstätigkeit nicht eingeschränkt war, durfte von der hälftigen Aufteilung der Erziehungsgutschriften nicht abgewichen werden.

Die Rügen des Vaters hinsichtlich der Erhöhung der Unterhaltsbeiträge an die Mutter aufgrund von Mietzinserhöhungen blieben zu vage.

Entscheid

  • Teilweise Gutheissung der Beschwerde in Zivilsachen.
  • Rückweisung an die Vorinstanz zu neuem Entscheid.
  • Auferlegung der Gerichtskosten den Parteien, je zur Hälfte.

BGer 5A_139/2020 vom 26.11.2020

Art. 298 ZGB

1 In einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren überträgt das Gericht einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.

2 Es kann sich auch auf eine Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteile beschränken, wenn keine Aussicht besteht, dass sich die Eltern diesbezüglich einigen.

2bis Es berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persön­lichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regelmäs­sige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen.

2ter Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft es im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.

3 Es fordert die Kindesschutzbehörde auf, dem Kind einen Vormund zu bestellen, wenn weder die Mutter noch der Vater für die Über­nahme der elterlichen Sorge in Frage kommt.

Art. 52fbis  AHVV   Anrechnung der Erziehungsgutschriften bei gemeinsamer elterlicher Sorge geschiedener oder nicht miteinander verheirateter Eltern

1 Regelt das Gericht oder die Kindesschutzbehörde die gemeinsame elterliche Sorge, die Obhut oder die Betreuungsanteile geschiedener oder nicht miteinander verheirateter Eltern, so wird gleichzeitig die Anrechnung der Erziehungsgutschriften geregelt.

2 Betreut ein Elternteil das gemeinsame Kind zum überwiegenden Teil, so rechnet das Gericht oder die Kindesschutzbehörde diesem Elternteil die ganze Erziehungsgutschrift an. Betreuen beide Eltern ihr Kind zu gleichen Teilen, so wird die Erziehungsgutschrift hälftig aufgeteilt.

3 Kommt die gemeinsame elterliche Sorge aufgrund einer Erklärung der Eltern an das Zivilstandsamt oder an die Kindesschutzbehörde zustande, so vereinbaren die Eltern gleichzeitig schriftlich, dass die ganze Erziehungsgutschrift einem Elternteil anzurechnen ist oder dass sie hälftig aufzuteilen ist, oder sie reichen innert drei Monaten eine solche Vereinbarung bei der zuständigen Kindesschutzbehörde ein. Geht innert dieser Frist keine Vereinbarung ein, so regelt die Kindesschutzbehörde die Anrechnung der Erziehungsgutschriften von Amtes wegen gemäss Absatz 2.

4 Unter Vorbehalt von Artikel 52f Absatz 4 können die Eltern jederzeit schriftlich vereinbaren, dass die ganze Erziehungsgutschrift künftig einem Elternteil anzurechnen ist oder dass sie künftig hälftig aufzuteilen ist. Dies gilt auch, wenn das Gericht oder die Kindesschutzbehörde die Anrechnung der Erziehungsgutschriften bereits geregelt hat.

5 Für die hälftige Aufteilung der Erziehungsgutschrift gilt Artikel 29sexies Absatz 3 zweiter Satz AHVG sinngemäss.

6 Solange die Anrechnung der Erziehungsgutschriften nicht geregelt ist, wird die ganze Erziehungsgutschrift der Mutter angerechnet.

7 Änderungen in der Anrechnung der Erziehungsgutschriften werden am 1. Januar des Folgejahres wirksam.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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