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Gesundheitsrecht / Personenrecht

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Maskentragepflicht und Eingriff in die persönliche Freiheit

Datum:
01.11.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Gesundheitsrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Bundesgerichtliche Beurteilung – BV 36, EMRK 8 Abs. 1, EpG 40, Covid-19-Verordnung besondere Lage 5a sowie COVID-19-Verordnung FR 5a Abs. 1 lit. a und b und 5b

Sachverhalt

Mit der Änderung der „Freiburger Covid-Verordnung“ vom 25.08.2020 führte der Staatsrat des Kantons Freiburg die Maskentragpflicht ein, in:

  • Supermärkten
  • Geschäften
  • Restaurants.

Die Einzelheiten ergaben sich aus der betreffenden Verordnung.

Die Änderung wurde im Amtsblatt des Kantons Freiburg vom 04.09.2020 veröffentlicht und auf den 28.08.2020 in Kraft gesetzt.

Prozess-History

  • ersuchte das Bundesgericht (BGer) mit seiner Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, die Verordnung vom 25.08.2020 unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben.
  • Der Staatsrat Freiburg beantragte die Abweisung der Beschwerde.
  • Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtete auf die Einreichung einer Stellungnahme.

Erwägungen

Den französisch-sprachigen Erwägungen des Bundesgerichts ist zusammenfassend zu entnehmen:

  • Abstrakte Normenkontrolle der Verordnung

    • Bei der abstrakten Normenkontrolle im Zusammenhang mit Massnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-10 ist zunächst die Einschränkung der persönlichen Freiheit zu prüfen:

      • Annahme eines geringen Eingriffs, weil sich die Kundschaft sich pro Person und Woche höchstens ein paar Stunden in Geschäften aufhält und bei Bedarf auf den Versandhandel ausweichen kann.
    • Prüfung des Erfordernisses einer genügenden Rechtsgrundlage

      • Die Prüfung gestützt auf BV 36 ergab, dass eine genügende gesetzliche Grundlage vorhanden ist:

        • Die Maskentragpflicht fügt sich in die gemäss EpG 40 nicht abschliessend aufgezählten Massnahmen ein, welche von den kantonalen Behörden angeordnet werden können, da der Eingriff in die persönliche Freiheit als gering einzustufen ist.
      • Öffentliches Interesse

        • Das öffentliche Interesse an der Maskentragpflicht ist gegeben, und zwar

          • angesichts der Zahl der Hospitalisierungen und Todesfälle als Folge von schlimmen Corona-Infektionen.
        • Verhältnismässigkeitsprinzip

          • Allgemeines

            • In Bezug auf das Verhältnismässigkeitsprinzip ist im Sinne der praktischen Konkordanz bei Grundrechtskonflikten anzustreben:
              • die bestmögliche Verwirklichung der öffentlichen Interessen und
              • der betroffenen Grundrechte.
            • Nullrisiko nicht möglich

              • Ein Nullrisiko ist nicht möglich, weshalb ein akzeptables Risiko mit Massnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken in Betracht zu ziehen ist.
            • Berücksichtigung der Folgen

              • Neben der Eintretenswahrscheinlichkeit von Risiken sind zu berücksichtigen:
                • die negativen gesellschaftlichen Folgen;
                • die gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen;
                • der Zeithorizont;
                • die regelmässige Überprüfung der Massnahmen.
              • Empfehlungen des BAG

                • Die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und der WHO erklären die Maskentragpflicht als geeignete Massnahme.
              • Erforderlichkeit

                • Mit der Maskentragpflicht kann die völlige Schliessung von Geschäften vermieden werden (= Erfordernis der Maskentragpflicht).
              • Abwägung

                • Auch gemessen am öffentlichen Interesse an der Bekämpfung der Corona-Krankheit sind die persönlichen Interessen bescheiden, zumal aus medizinischen Gründen Ausnahmen von der Maskentragpflicht erlaubt werden können (= Keine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips).

Entscheid

  • Abweisung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
  • Auferlegung der Gerichtskosten an den Beschwerdeführer.

Quelle

BGer 2C_793/2020 vom 08.07.2021

Art. 36 BV   Einschränkungen von Grundrechten

1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Aus­genommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.

2 Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.

3 Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.

4 Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.

Art. 40 EpG

1 Die zuständigen kantonalen Behörden ordnen Massnahmen an, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in der Bevölkerung oder in bestimmten Personengruppen zu verhindern. Sie koordinieren ihre Massnahmen untereinander.

2 Sie können insbesondere folgende Massnahmen treffen:

  1. Veranstaltungen verbieten oder einschränken;
  2. Schulen, andere öffentliche Institutionen und private Unternehmen schliessen oder Vorschriften zum Betrieb verfügen;
  3. das Betreten und Verlassen bestimmter Gebäude und Gebiete sowie bestimmte Aktivitäten an definierten Orten verbieten oder einschränken.

3 Die Massnahmen dürfen nur so lange dauern, wie es notwendig ist, um die Verbreitung einer übertragbaren Krankheit zu verhindern. Sie sind regelmässig zu überprüfen.

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