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Rententeilung bei kinderlosen Ehegatten

Datum:
13.12.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Eherecht / Eheschliessung / Ehe
Stichworte:
Vorsorgeausgleich
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZGB 124a

Sachverhalt

Die kinderlose Ehe eines Paars hatte rund 25 Jahre gedauert. Beide Ehegatten befanden sich im Urteilszeitpunkt im Rentenalter, aber nur der Ehemann verfügte über eine BVG-Rente.

Unter diesen Prämissen war zu klären, wie eine ermessensweise Rententeilung nach ZGB 124a zu erfolgen hat.

Erwägungen

Gemäss Bundesgericht (BGer) soll eine Teilung der Austrittsleistungen vor Eintritt des Rentenalters, bei der ZGB 123 Abs. 1 den Grundsatz der hälftigen Teilung — unter Vorbehalt eng umschriebener Ausnahmen nach ZGB 124b — vorsieht, weniger schematisch erfolgen.

Im Kontext der Rententeilung sind verschiedene Sachverhaltselemente zu berücksichtigen:

  • Ehedauer

    • Unter anderem ist gemäss ausdrücklichem Wortlaut von ZGB 124a Abs. 1 die Ehedauer von Bedeutung.
      • In Analogie zu ZGB 123 Abs. 1 wird die hälftige Rententeilung als angemessen betrachtet, wenn
        • die Ehe einen erheblichen Einfluss auf die berufliche Situation der Ehegatten während vieler Jahre hatte
        • während dieser Zeit der grösste Teil der Austrittsleistung erarbeitet wurde (vide Botschaft des Bundesrates zur Revision des Vorsorgeausgleichs).
  • Keine Altersvorsorge nach Eintritt Rentenalter

    • Prozedere bei Rententeilung

      • Nach Eintritt des Rentenalters wird keine Altersvorsorge mehr gebildet und es können scheidungs-bedingte Vorsorgelücken nicht mehr geschlossen werden.
      • Daher rechtfertige sich bei der Rententeilung nicht das sonst übliche Vorgehen in zwei Schritten:
        • (grundsätzlich hälftige) Rententeilung und
        • Hälften-Korrektur mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Ehegatten (vgl. ZGB 124b Abs. 2).
      • Keine nachträgliche Änderung der Rententeilung

        • Zu berücksichtigen ist, dass — anders als bei der Unterhaltsrente — eine nachträgliche Abänderung der Rententeilung gesetzlich nicht vorgesehen ist
      • Gesamtbetrachtung, auch für die Zukunft

        • Es muss daher von Anfang an eine Gesamtbetrachtung der massgeblichen Umstände stattfinden.
  • Unbestrittenes Quantitativ

        • Während Ehe erworbener Rentenanteil

          • Im konkreten Fall war dem Grundsatze nach unbestritten, dass der während der Ehe erworbene Rentenanteil sich auf CHF 5310.— belief.
        • Kontroverse

          • Strittig war die Frage, ob bei der Teilung dieser Rente dem Umstand Rechnung getragen werden sollte, dass der in der Schweiz wohnhafte geschiedene Ehemann (Beschwerdeführer) wesentlich höhere Lebenshaltungskosten hat als die dauerhaft in Thailand wohnhafte geschiedene Ehefrau.
        • Vorinstanz

          • Die Vorinstanz hatte die Rente hälftig geteilt, mit den Argumenten,
            • beide Ehegatten hätten Anspruch auf eine gleichwertige Vorsorge und
            • der Umzug der Ehefrau ins ferne Ausland habe keinen Einfluss auf deren Vorsorgebedürfnisse.
          • Vorbringen des Ehemanne vor BGer + bundesgerichtliche Erwiderung

            • Vor BGer brachte der Ehemann dagegen vor:
              • Bei der durch die kantonalen Instanz vorgenommenen Teilung hätte er selbst nur einen Überschuss von CHF 1473.— über seinen familienrechtlichen Bedarf hinaus, die geschiedene Ehefrau hingegen einen solchen von CHF 3306.—.
            • Dieses Argument liess das BGer nicht gelten und entgegnete folgendes:
              • Beim Vorsorgeausgleich gehe es nicht um die nacheheliche Solidarität, sondern um die Teilung der während der Ehe geäufneten Vorsorge.
              • Nicht die völlige wirtschaftliche Gleichstellung der Ehegatten sei das Ziel.
              • Es bleibe den Ehegatten unbenommen, über die im Vorsorgeausgleich zugesprochene Rente nach eigenem Ermessen zu verfügen.

Entscheid

Der Ehemann unterlag daher vor Bundesgericht.

Quelle

BGer 5A_211/2020 vom 03.11.2020

IV. Ausgleich bei Invaliden­renten nach dem reglementarischen Renten­alter und bei Altersrenten

Art. 124a ZGB174

1 Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente nach dem reglemen­tarischen Rentenalter oder eine Altersrente, so entscheidet das Gericht nach Ermessen über die Teilung der Rente. Es beachtet dabei insbesondere die Dauer der Ehe und die Vorsorgebedürfnisse beider Ehegatten.

2 Der dem berechtigten Ehegatten zugesprochene Rentenanteil wird in eine lebenslange Rente umgerechnet. Diese wird ihm von der Vorsorgeeinrichtung des verpflichteten Ehegatten ausgerichtet oder in seine Vorsorge übertragen.

3 Der Bundesrat regelt:

  1. die versicherungstechnische Umrechnung des Rentenanteils in eine lebenslange Rente;
  2. das Vorgehen in Fällen, in denen die Altersleistung aufgeschoben oder die Invalidenrente wegen Über­entschädigung gekürzt ist.

174 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313BBl 2013 4887).

Meccano der Rententeilung

  • Der Entscheid illustriert
    • den Mechanismus der Rententeilung nach ZGB 124a;
    • auch, dass die Grundsätze des nachehelichen Unterhalts nicht unbesehen auf die Rententeilung nach ZGB 124a übertragen werden können, obwohl zu beachten sind:
      • die Ehedauer;
      • die konkreten Vorsorgebedürfnisse der beiden Ehegatten.
    • Nebst der Unterhaltsrente nach ZGB 125 könnte sich eine dauerhafte Senkung der Lebenshaltungskosten ein entscheid-relevantes Element anbieten, v.a. im Falle des Umzugs ins Ausland (hier Thailand).

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