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Konkubinat + Patchworkfamilien / Vorsorge

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Begünstigung des Lebenspartners bei der 2. Säule

Datum:
29.09.2022
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Konkubinat
Stichworte:
2. Säule, Begünstigung, Konkubinat, Konkubinatspartner, Lebenspartner, Lebenspartner-Begünstigung, Patchwork-Familien, Vorsorge
Autor:
RA Urs Bürgi und RA Marc Peyer
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Anspruchsvoraussetzungen und Formalitäten

Urs Bürgi
Rechtsanwalt und Inhaber des zürch. Notar-, Grundbuch- und Konkursverwalter-Patentes

Marc Peyer
Rechtsanwalt / Fachanwalt SAV Erbrecht

Ausgangslage

Derjenige Konkubinatspartner, der seinen Lebensgefährten im Todesfall hinsichtlich seiner Anwartschaft bei der beruflichen Vorsorge (Säule 2) absichern möchte, muss handeln.

Agenda

Begünstigungsordnung bei der beruflichen Vorsorge (Säule 2)

BVG 20a Abs. 1 ermöglicht es den Vorsorgeeinrichtungen, in ihren Reglementen Bestimmungen vorzusehen, welche nebst der von Gesetzes wegen anspruchsberechtigten Hinterbliebenen (Ehepartner, Waisen und überlebende geschiedene Ehegatten) auch weitere begünstigte Personen für Hinterlassenenleistungen vorzusehen.

Arten und Formen der Leistungen

Im Vorsorgereglement können – ausschliesslich oder kumulativ – vorgesehen sein:

  • Beitragsrückgewähr
    • = Ausrichtung des angesammelten, beim Tod des Versicherten nicht verbrauchten Altersguthabens in Form einer einmaligen Kapitalleistung an die begünstigten Personen
  • Echtes Todesfallkapital
    • = Ausrichtung der reglementarisch vorzusehenden, beim Tod der versicherten Person an die Begünstigten gemäss BVG 20a auszubezahlende, im Voraus bestimmte, fixe Summe
  • Lebenspartnerrente
    • = Ausrichtung einer reglementarisch vorzusehenden, einer Ehegattenrente nachgebildete Lebenspartnerrente.

Personenkategorien und Kaskadenordnung der Begünstigten

Zwingend einzuhalten sind die Personenkategorien und die Kaskadenordnung gemäss BVG 20a Abs. 1 lit. a – c.

Die Reglementsautonomie erlaubt es den Vorsorgeeinrichtungen:

  • sämtliche in BVG 20a angeführten Personenkreise als Begünstigte vorzusehen;
  • – ohne Verletzung der Kaskadenordnung – bestimmte Personenkreise auszuschliessen (zB nur begünstigte Personen der Kreise gemäss BVG 20a Abs. 1 lit. a und b, unter Ausschluss der übrigen Erben gemäss BVG 20a Abs. 1 lit. c.
  • nur einzelne Personen einer Personenkategorie zu begünstigen (gewisse Schranken können sich aus dem Rechtsgleichheitsgebot bzw. Diskriminierungsverbot ergeben)

Gesetzliche Anspruchsberechtigte

Als primäre gesetzliche Anspruchsberechtigte gelten gemäss BVG 20a Abs. 1 lit a:

  • Natürliche Personen, die vom Versicherten in erheblichem Masse unterstützt worden sind, oder die Person, die mit diesem in den letzten fünf Jahren bis zu seinem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat oder die für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder aufkommen muss.

Nichteheliche Lebenspartner

In formeller Hinsicht ist es zulässig, den Anspruch auf Leistung an den nicht ehelichen Lebenspartner abhängig zu machen von:

  • einer Anmeldung der Lebenspartnerschaft, oder
  • einer Begünstigtenerklärung
    • zu Lebzeiten durch die versicherte Person, oder
    • in einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag), wobei ein expliziter Hinweis auf die Reglementsbestimmungen oder auf die berufliche Vorsorge erforderlich ist (eine Erbeneinsetzung allein, reicht nicht; vgl. BGE 142 V 233), oder
  • einem schriftlichen Unterstützungsvertrag

Eine Meldepflicht des Arbeitgebers gemäss BVV2 10 an die Vorsorgeeinrichtung besteht nicht, auch wenn er vom Bestand der Lebenspartnerschaft Kenntnis hat, da BVV2 10 nur für den obligatorischen nicht aber für den überobligatorischen Bereich gilt (vgl. BGer 9C_710/2007 vom 28.11.2008).

In materieller Hinsicht ist es sodann zulässig, dass die Vorsorgeeinrichtung im Vorsorgereglement weitere Anspruchsvoraussetzungen vorsehen darf, die ggf. kumulativ erfüllt sein müssen, zB:

  • Knüpfung der Begünstigung des nichtehelichen Lebenspartners an eine lebzeitige Unterstützung der versicherten Person in erheblichem Masse;
  • Führung einer ununterbrochenen Lebensgemeinschaft mit dem Versicherten in den letzten fünf Jahren bis zu seinem Tod.

Der Begriff der Lebensgemeinschaft wird gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung umschrieben als:

  • Verbindung von zwei Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts, welcher Ausschliesslichkeitscharakter zukommt, sowohl in geistig-seelischer als auch in körperlicher und wirtschaftlicher Hinsicht.
  • Ein kumulatives Vorhandensein ist vom BGer nicht verlangt:
    • Weder eine ständige ungeteilte Wohngemeinschaft,
    • noch, dass der eine Lebenspartner vom anderen massgeblich unterstützt worden sein muss.
  • Massgebend ist eine Bereitschaft beider Lebenspartner, einander Beistand und Unterstützung zu leisten, wie es bei Ehepartnern in ZGB 159 Abs. 3 vorgesehen ist.

Mit dieser Offenheit trägt die Rechtsprechung den modernen Lebens- und Arbeitsformen Rechnung, die einen gemeinsamen Wohnsitz und eine ungeteilte Wohngemeinschaft möglicherweise verunmöglichen.

Für die Vorsorgeeinrichtungen und den überlebenden Lebenspartner führen einschränkende Reglementsbestimmungen zu einem zusätzlichen Abklärungs- bzw. Nachweisaufwand.

Entscheidend ist letztlich der individuell konkrete Einzelfall.

Meldungsobliegenheiten

Die Begünstigtenmitteilung bzw. -erklärung an die PK ist (sofern im Reglement vorausgesetzt) für eine Begünstigung aus der beruflichen Vorsorge unabdingbar. – Eine rückwirkende Meldung ist nicht möglich.

Bei den meisten Pensionskassen ist eine solche Begünstigung heute möglich. Denkbare Schritte des Versicherten für eine Meldungsvorbereitung und Mitteilung:

  • PK-Reglement verlangen
  • bei der PK rückfragen
  • Partner bzw. Partnerschaft der PK nachweisbar mitteilen.

Individuelle Begünstigungsabreden

Die Norm von BVG 20a schliesst individuelle Begünstigungsabreden nicht aus:

  • Im Vorsorgereglement zugelassene individuelle Begünstigungsabreden erlauben es, dass die versicherte Person die Ansprüche mehrerer Personen innerhalb einer Kaskadengruppe näher bezeichnen kann, v.a. damit dem Vorsorgezweck besser Rechnung getragen werden kann.

Voraussetzungen sind indessen:

  • Keine Verletzung der zwingenden Personenkategorien und der gesetzlichen Kaskadenordnung
  • Formelle Anforderungen (in reglementarischer Definition von Vorteil)
    • Frage, ob die Begünstigungsabrede zu Lebzeiten der versicherten Person erfolgen muss;
    • Frage, ob bestimmte Formerfordernisse eingehalten werden müssen (zB Verwendung des Formulars der Vorsorgeeinrichtung);

Für die individuellen Begünstigungsabreden gilt ferner folgendes:

  • Definition
    • Individuelle Begünstigungsabrede   =   Konkretisierung des Vorsorgevertrages zwischen der versicherten Person und der Vorsorgeeinrichtung
  • Anwendbares Recht
    • Sofern und soweit das Vorsorgereglement nichts anderes bestimmt, der Allgemeine Teil (AT) des Schweizerischen Obligationenrechts (OR), Art. 1 ff. OR.
  • Widerruf der Begünstigungsabrede durch die versicherte Person
    • Vorbehältlich anderslautender reglementarischer Vorschrift zulässig.
  • Nachträgliche Änderung oder Anpassung durch die versicherte Person
    • Grundsätzlich zulässig.

Begünstigung bei Freizügigkeitseinrichtungen (Säule 3a)

Rein pro memoria wird erwähnt, dass natürlich bei den Freizügigkeitskonten und -policen (Säule 3a) aufgrund von Reglement ähnliche Fragestellungen und Meldeobliegenheiten vorhanden sein können.

Es liegt an den Lebenspartnern, diese Fragen leb- und rechtzeitig zu klären, um allfälligen Begünstigungs-Meldeobliegenheiten nachkommen zu können.

Exkurs: Lebensversicherungen

Weitere Absicherungsmöglichkeiten zugunsten des Lebenspartners sind Todesfall-Risikoversicherungen:

  • Der Lebenspartner kann bei bestehenden oder neu abgeschlossenen Lebensversicherungen als Begünstigter gemeldet und vorgemerkt werden.

Vgl. dazu (nur bezüglich der Erläuterung von Lebensversicherungen):

Exkurs: Erbrechtsrevision

Am 01.01.2023 treten die Änderungen des Erbrechts in Kraft.

Für Lebenspartner bringen die neuen Pflichtteilsregeln und Änderungen erweiterte Dispositionsmöglichkeiten zugunsten des überlebenden Lebenspartners:

s.e.&o. – Keine Gewähr für die Richtigkeit.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

RA Urs Bürgi

Urs Bürgi berücksichtigt bei seiner Beratungstätigkeit die betriebswirtschaftlichen Aspekte und strebt pragmatische Lösungen an, um seiner Klientschaft einen Mehrwert zu generieren.

RA Marc Peyer

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