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Arbeitsrecht

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Arbeitsprozess: Aufteilung in 4 Teilklagen rechtsmissbräuchlich

Datum:
10.10.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Arbeitsprozess
Stichworte:
Arbeitsprozess, Rechtsmissbräuchlichkeit, Teilklagen
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 322a Abs. 2 / ZPO 243

Sachverhalt

A._____ (Klägerin + Beschwerdeführerin) war eine ehemalige Arbeitnehmerin der B._____ AG (Beklagte + Beschwerdegegnerin). Die B._____ AG betreibt Zahnarztkliniken in der Schweiz. Die Klägerin war ab 01.03.2011 bei der Beklagten als Zahnärztin und zusätzlich ab 01.11.2012 als Zentrumsleiterin im Nebenamt angestellt.

Letzteren Arbeitsvertrag kündigte die Beklagte per 17.06.2018, ersteren per 04.01.2019.

Die Klägerin erhob bei der Vorinstanz vier Klagen:

  • Im unter der Geschäftsnummer AH200005-L geführten Verfahren machte sie eine Forderung von CHF 29’999.– wegen missbräuchlicher Kündigung der Anstellung als Zahnärztin geltend.
  • Im zweiten Verfahren (Geschäftsnummer AH200006-L) verlangte die Klägerin ebenfalls die Zusprechung von CHF 29’999.–, und zwar wegen missbräuchlicher Kündigung der Anstellung als Zentrumsleiterin.
  • Zwei weitere Klagen erhob die Klägerin später bei der Vorinstanz: Im unter der Geschäftsnummer AH200203-L geführten Verfahren machte sie Lohnansprüche aus beiden Arbeitsverträgen in der Höhe von CHF 29’999.– geltend.
  • Die zweite Klage hat – wiederum aus den beiden Arbeitsverträgen – Ferienlohnansprüche von CHF 8’587.–zwei Arbeitszeugnisse und die Erstellung von Schlussrechnungen zum Gegenstand (Geschäftsnummer AH200204-L; …).

Überblick über die Klageverhältnisse

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin also folgende Ansprüche zum Gegenstand von vier separaten Klagen gemacht:

Der Streitwert für die Arbeitszeugnisse betrug praxisgemäss ein Monatslohn,

  • somit ca. CHF 16’000.– oder – weil es nur um Änderungen ging – mit der Beklagten mindestens CHF 6’000.–.

In der dazugehörigen Klagebewilligung wurde der Streitwert der vierten Klage

  • mit CHF 23’600.– beziffert.

Insgesamt summiert sich der Streitwert der vier Klagen auf

  • mindestens CHF 113’597.– (3 x CHF 29’999.– + CHF 23’600.–).

Vorbehalten hat sich die Klägerin die Geltendmachung von Ansprüchen als variabler Lohnanteil ab Beginn ihrer Anstellung als Zentrumsleiterin.

Aufschluss über das Quantitativ dieses Lohnanteils erhofft sich die Klägerin aus der entsprechenden «Schlussabrechnung» zu erhalten.

Im Zahlungsbefehl vom 05.01.2021 wurde der variable Lohnanteil 2015 beziffert mit

  • CHF 90’000.– beziffert.

Gemäss Arbeitsvertrag vom 06.06.2012 setzte sich der Lohn für die Zentrumsleitung zusammen aus

  • einem Fixlohn und
  • einem variablen Lohn, welcher auf dem Standortgewinn basierte.

Prozess-History

  • Arbeitsgericht Zürich (VI)
    • Prozessvereinigung und Prozessweiterführung im ordentlichen Verfahren, mitgeteilt mit Rechtsmittelbelehrung (siehe nachfolgende Box)
  • Obergericht des Kantons Zürich
    • Gegen die vorinstanzliche Verfügung hat die Klägerin mit Eingabe vom 25.02.2021 Beschwerde erhoben und folgende Anträge gestellt (…): Wortlaut siehe nachfolgende Box.

Erwägungen des Obergerichts des Kantons Zürich (OGZ)

OR 322a Abs. 2 statuiert für diesen Fall ein Auskunfts- und Einsichtsrecht der Arbeitnehmerin:

  • Die Auskunfts- und Einsichts-Rechte sind vermögensrechtlicher Natur.
  • Sie bilden die Voraussetzung für eine spätere Geltendmachung allfälliger weiterer Ansprüche.

Zu Recht warf die Beklagte der Klägerin vor, sie missbrauche das vereinfachte, kostenlose Verfahren:

  • Rechtsmissbrauch von Teilklagen
    • Gemäss OGZ erscheint nur schon die Aufteilung in vier Teilklagen als rechtsmissbräuchlich,
      • dient doch das Institut der Teilklage nicht dazu,
        • durch eine nahezu beliebige Anzahl Teilklagen mit einem Streitwert von jeweils unter CHF 30’000.– ohne Gerichtskosten im vereinfachten Verfahren zu prozessieren.
    • Die Kostenfreiheit verfolge den Zweck, den am Arbeitsverhältnis Beteiligten, namentlich der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer als schwächere Partei, zu ermöglichen, ohne Kostenrisiko um ihr Recht zu kämpfen.
    • Dieser Zweck wurde durch die Klägerin mit der gleichzeitigen oder gestaffelten Erhebung mehrerer Teilklagen unter CHF 30’000.– missbraucht.
  • Nicht gerechtfertigte Nutzung der «Vorteile des vereinfachten Verfahrens»
    • Mit Blick auf den Gesamtstreitwert von über CHF 100’000.– sei es auch nicht gerechtfertigt gewesen, dass die Klägerin die «Vorteile des vereinfachten Verfahrens» beanspruche, welches im Bereich von kleinen Streitwerten sich durch die Verfahrensbeschleunigung und die Laientauglichkeit sowie richterliche Hilfestellung bei der Feststellung des Sachverhalts auszeichne.
  • Sanktionierung des Rechtsmissbrauchs durch die Vorinstanz (VI): Überführung ins ordentliche Verfahren
    • Die Vorinstanz (VI) habe den Rechtsmissbrauch mit der Vereinigung der Verfahren und Überführung ins ordentliche Verfahren sanktioniert.
      • Dies wurde für den Fall, dass der Tatbestand des Rechtsmissbrauchs bejaht wird, von der Klägerin nicht gerügt!
  • Alternative Sanktionierungsmöglichkeit: Nichteintreten
    • Alternativ hätte die Vorinstanz nach Ansicht des OGZ auf die Klagen mangels Rechtsschutzinteresse nicht eintreten können und der Klägerin wäre es offen gestanden, ihre Ansprüche mit einer neuen Klage im ordentlichen Verfahren geltend zu machen.

Aufgrund der Erwägungen war die Beschwerde gegen die Verfügung des Arbeitsgerichts Zürich (VI) vom 09.02.2021 abzuweisen und der angefochtene Entscheid zu bestätigen.

Entscheid des OGZ

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen und die Verfügung des Arbeitsgerichts Zürich, 3. Abteilung, vom 9. Februar 2021 wird bestätigt.
  2. Für das zweitinstanzliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.
  3. Für das zweitinstanzliche Verfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
  4. (Schriftliche Mitteilungen)
  5. (Rechtsmittelbelehrung)

Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich
I.Zivilkammer
vom 23.04.2021
RA210006-O/U

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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