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Rechtsgebiete / Bau- und Planungsrecht / Sachenrecht / Immobilien

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Einwirkungen aus Bau eines öffentlichen Werkes: Zivilrechtliche Haftung oder Enteignung des Abwehranspruchs?

Datum:
28.11.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Bau- und Planungsrecht, Sachenrecht / Immobilien
Stichworte:
Entschädigung, Nachbarn
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

„Unvermeidbarkeit der Immissionen“ als für den Rechtsweg entscheidendes Kriterium

Einleitung

ZGB 6, 779, 679a, 684, EntG 5, AbtrG ZH § 1

Gegenstand des Streitfalles 5A_772/2017 bildete ein Nachbarlicher Abwehranspruch, di Entschädigung für Einwirkungen aus Bauarbeiten für ein öffentliches Werk und letztlich der Rechtsweg,

Sachverhalt

„A.   

A.________ ist seit dem Jahre 2010 Eigentümer der Liegenschaft C.________strasse xxx in U.________. Sein Grundstück grenzt direkt an die C.________strasse. Diese ist eine öffentliche Strasse im Gemeingebrauch, die im Eigentum der Politischen Gemeinde U.________ steht. Im Sommer 2012 fanden an der C.________strasse umfassende Sanierungsarbeiten statt. Die Politische Gemeinde U.________ betraute die D.________ AG mit der Ausführung der Tiefbauarbeiten. Die Bauleitung hatte die B.________ AG inne. Im Rahmen der Bauarbeiten wurden Walzen und andere Verdichtungsgeräte verwendet. Der Einsatz dieser Baumaschinen verursachte Erschütterungen. Nach der Darstellung von A.________ sollen diese Geräte den Untergrund in Bewegung gebracht haben, was sich auf die umliegenden Gebäude – unter anderem auf die Liegenschaft von A.________ – ausgewirkt und dort zu Schäden (insbesondere Rissen in der Gebäudehülle) geführt haben soll. 

  1.  

Mit Klage vom 27. Februar 2015 gelangte A.________ an das Bezirksgericht Dietikon. Er verlangte, die Politische Gemeinde U.________ zu verpflichten, ihm einen Betrag von Fr. 67’597.65 nebst 5 % Zins seit dem 9. Oktober 2013 zu bezahlen. Zudem sei der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. yyy des Betreibungsamtes V.________ im Umfang des Klagebetrages nebst Zins aufzuheben. Mit dieser Klage verlangte A.________ Schadenersatz für die an seiner Liegenschaft entstandenen Schäden, für die eingeholten Expertisen und die vorprozessualen Anwaltskosten. 

Mit Klageantwort vom 9. Juni 2015 ersuchte die Politische Gemeinde U.________ um Abweisung der Klage, soweit auf sie einzutreten sei. Zudem verkündete sie der B.________ AG und der D.________ AG den Streit. Das Bezirksgericht nahm davon mit Verfügung vom 12. Juni 2015 Vormerk. Innert angesetzter Frist erklärte die B.________ AG den Prozessbeitritt als Nebenintervenientin. 

Mit Beschluss vom 23. November 2016 trat das Bezirksgericht auf die Klage nicht ein, da es sachlich nicht zuständig sei, sondern die Entschädigung auf dem Enteignungsweg geltend zu machen sei.“

Prozess-History

„C.   

Dagegen erhob A.________ am 12. Januar 2017 Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Er verlangte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Bezirksgericht sei sachlich zuständig zu erklären und anzuweisen, auf die Klage einzutreten. 

Mit Urteil vom 25. August 2017 wies das Obergericht die Berufung ab und bestätigte den Beschluss des Bezirksgerichts. 

D. 

Gegen dieses Urteil hat A.________ (Beschwerdeführer) am 29. September 2017 Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt die Aufhebung dieses Urteils. Das Bezirksgericht sei sachlich zuständig zu erklären und anzuweisen, auf die Klage einzutreten. Zudem ersucht er um aufschiebende Wirkung und darum, das vorliegende Beschwerdeverfahren mit demjenigen in Sachen E.________ gegen Politische Gemeinde U.________ und B.________ AG zu vereinigen. 

Mit Verfügung vom 3. Oktober 2017 hat das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen. Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen. Das Obergericht und die B.________ AG haben auf Vernehmlassung verzichtet. Die Politische Gemeinde U.________ (Beschwerdegegnerin) ersucht um Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat auf die Zustellung dieser Eingaben hin nicht mehr reagiert.“

Erwägungen

Das Bundesgericht befasst sich zunächst mit der Abgrenzung zwischen zivilrechtlicher Haftung und Ersatz der nachbarrechtlichen Ansprüche durch einen Entschädigungsanspruch nach Enteignungsrecht im vorliegenden Fall eines öffentlichen Werks.

Gemäss Rechtsprechung zu EntG 5 wird wie folgt unterschieden:

  • Bei unvermeidbaren Immissionen sei das Enteignungsrecht die Grundlage für Ersatzansprüche
  • Bei vermeidbaren Immissionen werde die Entschädigungsfrage dem Zivilrecht zugewiesen.

Vgl. Erw. 3.2.

Das Bundesgericht hat sich mit der Rechtsprechung befasst, mit dieser auseinandergesetzt und diese bestätigt. Vgl. Erw. 3.3.2.

Weiter kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass das Bundeszivilrecht es den Kantonen nicht untersage, die Enteignung des nachbarrechtlichen Schadenersatzanspruchs in ihrem Zuständigkeitsbereich vorzusehen. Vgl. Erw. 3.3.2.3. bis 3.3.2.5.

Folglich erwies sich die Zuständigkeitsabgrenzung der zivil- und enteignungsrechtlichen Zuständigkeit als anhand des Kriteriums der „Vermeidbarkeit der Immissionen“ als zulässig.

Vgl. Erw. 3.3.4.

Der Beschwerdeführer hatte mehrfach die Vermeidbarkeit der Immissionen behauptet. Dass es dabei zu Verwechslungen zwischen Immissionen (Erschütterungen bzw. Vibrationen) und ihren Folgen (Risse am Gebäude) gekommen war, war insofern nachvollziehbar, als vorliegend nicht die Vermeidbarkeit von Vibrationen allgemein von Interesse war, sondern einzig von bestimmten Vibrationen, nämlich von solchen, die – entsprechende Kausalität unterstellt – zu Rissen am Gebäude geführt hätten. Damit ging es also Indirekt sehr wohl um die Vermeidbarkeit der Folgen der Immissionen (Rissbildung).

Bei diesem Stand der Dinge wäre es an der Beschwerdegegnerin gelegen, die Unvermeidbarkeit der Immissionen darzutun. Da die Vorinstanzen die entsprechende Beweislast dem Beschwerdeführer auferlegt haben, findet sich dazu im angefochtenen Entscheid nichts Weiterführendes. Das Bundesgericht konnte daher nicht abschliessend darüber befinden, ob die Zivilgerichte für die Beurteilung der Streitsache zuständig seien. Es konnte deshalb die Angelegenheit auch nicht an das Bezirksgericht zur materiellen Beurteilung der Klage zurückweisen. Die Beschwerde war demnach bloss teilweise gutzuheissen.

Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. August 2017 war aufzuheben und die Sache zur Prüfung zurückzuweisen, ob die Beschwerdegegnerin die Unvermeidbarkeit der Immissionen nachgewiesen hat.

Vgl. Erw. 3.4.

Entscheid

  1. Das Gesuch um Vereinigung mit dem Verfahren 5A_773/2017 wird abgewiesen.
  2. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 25. August 2017 wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
  3. Die Gerichtskosten von Fr. 3’000.– werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
  4. Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit Fr. 4’000.– zu entschädigen.
  5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Quelle

BGer 5A_772/2017 vom 14.02.2019

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