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Kindsrecht

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Grundzüge des Kindesunterhaltrechts

Datum:
14.12.2017
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Kindsrecht
Stichworte:
Kindesunterhalt, Unterhalt
Autor:
RAin Dr. iur. Caterina Nägeli und RAin Anna Schuler-Scheurer
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Einleitung

Der Bundesgesetzgeber entschied sich anfangs 2015 für eine Revision des Kindesunterhaltsrechts. Diese bildete den zweiten Teil des Revisionsprojekts, wodurch die elterliche Verantwortung neu geregelt werden sollte. Dabei sollte gleichzeitig das Kindeswohl ins Zentrum gestellt werden. Per 1. Januar 2017 traten die Gesetzesänderungen in Kraft und beschäftigt seit knapp einem Jahr die Gerichte, wie die Anwaltschaft.

Kritik am vormals geltenden Recht

Auslöser zur Gesetzesrevision waren verschiedene Faktoren. Einerseits bestand unter dem alten Recht eine Ungleichbehandlung zwischen Kindern verheirateter und unverheirateter Eltern. Ein unverheirateter Elternteil hatte selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, auch wenn das Kind bei ihm wohnhaft war. Bei geschiedenen Eltern erhielt der betreuende Teil hingegen über den nachehelichen Unterhalt eine Entschädigung für die Betreuung. Andererseits wurde die bisherige Gesetzeslage dahingehend kritisiert, dass wenn die finanziellen Mittel nicht zur Deckung der Bedürfnisse der Eltern und Kinder ausreichten, das Manko allein von den Unterhaltsberechtigen zu tragen war. Folglich war es der betreuende Elternteil jeweils, der den Gang zum Sozialamt (zuerst) vornehmen musste, wenn nicht genug Einkommen erzielt wurde. Die Revision hatte somit unter anderem zum Ziel, die Stellung der Alleinerziehenden aufzubessern, die auf Sozialhilfe angewiesen sind und dementsprechend später vom Sozialamt zu Rückzahlungen aufgefordert werden könnte.

Grundzüge und Ziele der Revision

Der Kindesunterhalt setzt sich aus dem Barunterhalt und seit Inkrafttreten der Revision auch aus dem Betreuungsunterhalt zusammen. Dem Barunterhalt kommt ein Vorrang gegenüber dem Betreuungsunterhalt zu. Die neuen Regelungen zielen auf eine Stärkung des Unterhaltsanspruchs des Kindes ab, wobei der Zivilstand der Eltern nicht mehr von Belang ist. Dem Anspruch des Kindes wird nach Art. 276a Abs. 1 ZGB Vorrang gegenüber anderen familienrechtlichen Unterhaltspflichten eingeräumt. Durch die Entschädigung der Betreuung soll eine bestmögliche Betreuung jedes Kindes gewährleistet werden (Art. 285 Abs. 2 ZGB). Reichen die Einkommen der Eltern zur Deckung des Bedarfs nicht aus, ist gemäss Art. 286a Abs. 1 ZGB ein Manko festzustellen. Um die Betreuungslast gleichmässiger auf die Eltern zu verteilen, prüft das Gericht zudem die Möglichkeit der alternierenden Obhut (Art. 298 Abs. 2ter).

Die verfahrensrechtliche Stellung des Kindes wurde ausserdem verbessert. Die Kindesverfahrensrechte sind nach Art. 297 ZPO nicht mehr bloss auf eherechtliche Verfahren, sondern auf alle familienrechtlichen Verfahren anwendbar. Ferner hat das Kind seit anfangs 2017 einen eigenen Anspruch auf unentgeltliche Inkassohilfe (Art. 290 ZGB). Die Verjährung von Ansprüchen des Kindes gegen seine Eltern beginnt erst mit bzw. steht still bis zum Erreichen der Volljährigkeit des Kindes (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 1 OR).

Barunterhalt

Die Eltern haben nach Art. 276 Abs. 2 ZGB für den Barbedarf der gemeinsamen Kinder aufzukommen. Seit dem 1. Januar 2017 ist der Bedarf für jedes Kind einzeln zu berechnen. Der Bedarf eines Kindes lässt sich aus den folgenden Kostenpunkten ableiten:

  • Grundbetrag (CHF 400/600)
  • Wohnkostenbeitrag
  • Krankenkassenprämien
  • Schulkosten
  • Fremdbetreuungskosten
  • Hobbies und weitere regelmässig anfallende Kosten

Der Grundbetrag umfasst die Kosten für Nahrung, Kleidung und Wäsche und ist vom Alter des Kindes abhängig. Ab dem Alter von 10 Jahren wird ein Grundbedarf von CHF 600 angerechnet, davor lediglich CHF 400. Weitere Positionen sind je nach Leistungsfähigkeit der Eltern ebenfalls dem Bedarf anzurechnen. Dazu gehören Kosten für Freizeitbeschäftigungen und Ferien. Steuern sind nicht hinzuzurechnen, da nicht das Kind, sondern der Elternteil Steuersubjekt ist. Familienzulagen sind hingegen vom Barbedarf abzuziehen, da sie für die Lebenshaltungskosten des Kindes bestimmt sind. Kann der Barbedarf nicht für jedes einzelne Kind gedeckt werden, so ist ein Manko festzuhalten. Eine beispielhafte Aufstellung ergibt sich daher wie folgt:

Mutter Kind A Kind B Total
Grundbetrag 1350 400 400 2150
Wohnkosten 1200 200 200 1600
Krankenkasse 300 106 106 512
Kommunikation 120 120
Radio-/Fernsehgebühren 40 40
Hausrat-/Haftpflichtversicherung 30 30
Berufsauslagen 50 50
Betreuungskosten 775 775
Familienrechtlicher Notbedarf 3090 1481 1481 6052
Steuern 550 550
Erweiterter familienrechtlicher Notbedarf 3640 1481 1481 6602

Betreuungsunterhalt

Der Betreuungsunterhalt wird in Art. 285 Abs. 2 ZGB zwar erwähnt, an weiteren Regelungen fehlt es jedoch. Bei der Ausarbeitung der Revision definierte der Bundesrat den Betreuungsunterhalt dahingehend, dass dieser grundsätzlich die Lebenshaltungskosten der betreuenden Person zu decken hätte. Der Betreuungsunterhalt ist jedoch nur insofern geschuldet, als dass der betreuende Elternteil dieser nicht selbst zu decken vermag. Auch der Leitfaden des Obergerichts des Kantons Zürich zum neuen Unterhaltsrecht orientiert sich an dieser Definition.

Die Lebenshaltungskosten lassen sich nach dem Leitfaden im Allgemeinen aus den folgenden Positionen berechnen:

  • Grundbetrag für alleinerziehende Person
  • Wohnkosten inkl. Nebenkosten (abzgl. Anteil der Kinder)
  • Hausrat- und Haftpflichtversicherung
  • Kosten KVG (evtl. VVG)
  • Weitere Gesundheitskosten (evtl.)
  • Kommunikationskosten
  • Berufsauslagen
  • Steuern

Von den Lebenshaltungskosten ist das Einkommen der betreuenden Person in Abzug zu bringen. Kann der betreuende Elternteil für seine eigenen Kosten aufkommen, ist – wie erwähnt – grundsätzlich kein Betreuungsunterhalt geschuldet. Daraus lässt sich ableiten, dass die Frage nach der Zumutbarkeit des Wiedereinstiegs des betreuenden Elternteils in das Berufsleben bzw. die Ausweitung seiner beruflichen Tätigkeit entscheidend ist, für die Frage, wie lange der Betreuungsunterhalt geschuldet ist. Dazu haben die rechtsanwendenden Behörden weiterhin aufgrund der Kriterien nach Art. 125 Abs. 2 ZGB zu entscheiden. Nach der vom Bundesgericht entwickelten „10/16“ Regel wird dem betreuenden Elternteil, sobald das jüngst Kind 10 Jahre alt ist, zugemutet, 50 % einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Vollendet das jüngste Kind sein 16. Lebensjahr, empfindet das höchste Gericht eine 100 % Stelle als zumutbar. Spätestens in diesem Zeitpunkt ist demgemäss kein Betreuungsunterhalt mehr geschuldet. Diese Regelung erweist sich hingegen nicht mehr als realitätsnah und wird von einigen Gerichten praxisgemäss bereits nicht mehr angewandt. Hier wäre ein klärendes Urteil des Bundesgerichts sicherlich hilfreich.

Es gilt noch anzumerken, dass wenn auch kein Betreuungsunterhalt geschuldet ist, unter Umständen trotzdem die Pflicht bestehen kann, nachehelicher Unterhalt leisten zu müssen.

Beispiel Mankofall

Vater Mutter Kind A Kind B Total
Einkommen 5000 1800 200 200 7200
Bedarf -2700 -3090 -1481 -1481 -8752
Überschussanteil 0 0 0 0 -1552
Unterhaltsanspruch 0

Quelle

LawMedia-Redaktionsteam / 15.12.2017

RAin Dr. iur. Caterina Nägeli

Caterina Nägeli ist Unternehmensinhaberin von Bürgi Nägeli Rechtsanwälte. Sie berät und vertritt mit ihrer jahrelanger Erfahrung ihre Klienten vor Gericht und Behörden bevorzugt im Familien, Vertrags- und Strafrecht.

Anna Schuler
RAin Anna Schuler-Scheurer

Anna Schuler-Scheurer war während der Redaktionszeit der veröffentlichten Beiträge bei Bürgi Nägeli Rechtsanwälte angestellt.

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