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Konkursreiterei: Prävention in der Geschäfts-Praxis

Datum:
06.05.2019
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Legal - Compliance
Stichworte:
Compliance, Prävention
Autor:
RA Adrian Lienert
Verlag:
LAWMEDIA AG

Früherkennung in der Geschäfts-Praxis

Einleitung

Die behördliche Bekämpfung der Konkursreiterei zeigte in den letzten Jahren grosse Fortschritte und, vor allem, beachtenswerte Erfolge. Dennoch besteht – vor allem im Tages- und Massengeschäft – immer noch ein nicht zu unterschätzendes Schadensrisiko, auf dubiose Firmen und / oder Geschäftspraktiken resp. auf Trickbetrüger hereinzufallen.

Prävention beginnt in den Köpfen der potentiell Geschädigten. Diese sind gehalten, das ihre zur Verhinderung von Schädigungen beizutragen, was firmenintern Aufgabe der Compliance ist.

Die nachfolgenden Ausführungen versuchen, sachdienliche Denkanstösse für die Praxis zu vermitteln. Die betriebsinterne Funktion Compliance ist aufgefordert, diese – bei Bedarf – angepasst an die besonderen Verhältnisse der Firma zu adaptieren.

Was ist Konkursreiterei?

Grundsätzlich spricht man von Konkursreiterei, wenn konkursreife Firmen bewusst weiter bewirtschaftet werden, um den Geschäftsverkehr zu schädigen.

Wesentliches Element der Konkursreiterei ist ein arglistiges, täuschendes Vorgehen der Verantwortlichen, welches den Willen und die Absicht zur bewussten Schädigung von alten oder neuen Geschäftspartnern beinhaltet. Es handelt sich im weitesten Sinne um Trick-Betrüger („Con Artists“), mit mehr oder weniger professionellem Vorgehen.

Schematik Konkursreiterei

Die Konkursreiterei spielt sich, mit unzähligen Variationsmöglichkeiten, nach folgendem Schema ab:

A. Vorstadium / Voraussetzung

  • Eine Firma ist konkursreif, d.h. vermögenslos und – ohne Neugeldzuschuss – unrettbar.

B. Inkriminiertes Set-Up / Durchführung innert kurzer Frist

  • Ein spezialisierter Vermittler (Treuhänder oder Berater) sucht einen Firmenbestatter, d.h. eine Person, die neu als Organ eingetragen wird, ein klein wenig Geld für seine Organstellung erhält, jedoch kein Haftungssubstrat besitzt („End-Organ“).
  • Personalmutation Organe im Handelsregister: Eintragung des End-Organs; Streichung der Vor-Organe.
  • Der Geschäftssitz wird in einen anderen Kanton verlegt, um den Betreibungsregisterauszug zu „säubern“.
  • Wechsel der Firmenbezeichnung.
  • Änderung des Firmenzwecks.
  • Ziel: Set-Up einer „Fake-Firma“, welche nur „nimmt“, aber nicht „gibt“.
  • Kontrolle durch „4er-Faustregel“: Sitzverlegung / Änderung Firmenbezeichnung / Zweckänderung / Personalmutation Organe, als Alarmglocken (auch „nur“ 3 resp. 2 von 4 Änderungen möglich, mindestens aber Wechsel Sitz und Organe).

C. Missbräuchlicher Betrieb der „Fake-Firma“

  • Bis zur Konkurseröffnung wird im grossen Stil „Misswirtschaft“ betrieben.
  • Die Konkurseröffnung erfolgt regelmässig in weniger als einem Jahr seit dem inkriminierten Set-Up.
  • Die „Vor-Organe“ sind möglichst unauffindbar resp. nach unbekannt verzogen und können nicht zur Verantwortung gezogen werden.

TIPP

Falls man bei einem ehemaligen oder neuen Kunden erkennt, dass ein inkriminiertes Set-Up vorliegen könnte (4-Faustregel: Änderungen Sitz, Firma, Zweck, Organe), sollten Leistungen nur gegen Barzahlung resp. gegen Vorauskasse erbracht werden. Dies gilt nicht nur für den Beginn der Geschäftsbeziehung, sondern allenfalls auch für Folgegeschäfte.

Mittel und Wege der Konkursreiterei

In faktischer Hinsicht werden, in möglichst grossem Umfang, Leistungen von Geschäftspartnern bezogen, welchen – infolge absehbarer Konkurseröffnung – keine Gegenleistung mehr gegenüberstehen wird („Schulden-Anhäufung“):

  • Mietzinse
  • Allenfalls Löhne und Spesen
  • Schuldzinsen für Banken etc.
  • Schulden aus Dienstleistungsbezügen, wie Beratungen, Kost und Logis etc.
  • Schulden aus Warenbestellungen, z.B. Mobiltelefone
  • Leasingraten für Fahrzeuge oder Investitionsgüter (Maschinen etc.)
  • Gebühren für Telekommunikation etc.

Indizien für Konkursreiterei

  • Offene Mahnungen
  • Offene Betreibungen für übliche Verbindlichkeiten (z.B. Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Mieten, Kommunikationsgebühren etc.).
  • Keine operative Betriebstätigkeit.
  • Keine Administration (Buchhaltung, Geschäftsabschlüsse etc.).
  • In rechtlicher Hinsicht werden folgende Massnahmen unterlassen:
    • Herbeiführung resp. Verschlimmerung der Überschuldung und / oder Zahlungsunfähigkeit
    • Nicht-Erstellung einer Zwischenbilanz
    • Nicht-Benachrichtigung des Richters
    • Bewusste Konkursverschleppung
  • Kriterien der Misswirtschaft:
    • Ungenügende Kapitalausstattung, d.h. Unterlassung der Sanierung der Firma
    • Betreiben eines unverhältnismässigen Aufwandes
    • Eingehen gewagter Spekulationen
    • Leichtsinniges Aufnehmen oder Gewähren von Krediten
    • Verschleuderung von Firmenvermögen
    • Arge Nachlässigkeit in der Berufsausübung resp. Vermögensverwaltung

Wo steht die behördliche Bekämpfung der Konkursreiterei?

Da sich die Konkursreiterei steigender Beliebtheit erfreute, wurde im Kanton Zürich im 2014 eine polizeiliche Sonderkommission gebildet. Dies führte zu interbehördlicher Zusammenarbeit von Strafverfolgungs-, Betreibungs- und Konkurs-, sowie Handelsregisterbehörden. Deren Erfolge können sich sehen lassen.

Das „Geschäftsmodell“ Konkursreiterei wurde durch die behördlichen Massnahmen empfindlich geschwächt. Der Hohe Grad der Sensibilisierung von Behörden und die Implementierung von wirkungsorientierten, interbehördlichen Vorgehensstandards machen Konkursreitern das Leben zunehmend schwerer. Als einem „Ongoing Task“ darf jedoch nicht (und niemals) davon die Rede sein, dass das Problem nun definitiv im Griff sei. Man kann demzufolge immer noch Opfer von Konkursreitereien werden.

Was gibt es betriebsintern zu tun?

Das Gegenpartei-Risiko existiert, sprichwörtlich, seit Kain und Abel. Geschäftspartner können, müssen aber nicht nett resp. vertrauenswürdig sein.

War man schon mal von Konkursreiterei betroffen, sollte anhand des realisierten Schadens resp. des bekannten Kausalverlaufs analysiert werden, was betriebsintern dagegen getan werden kann.

Hatte man das Glück, noch nie davon betroffen gewesen zu sein, oder ist man sich gar nicht bewusst, davon betroffen gewesen zu sein, gilt es dennoch, das eigene Personal sowie die betriebsinternen Abläufe zu sensibilisieren resp. zu optimieren.

Das Credo der internen Compliance muss sein, bereits das Schadensrisiko zu minimieren, und nicht nur „damage control“, nach Schadens-Eintritt. Dazu sind die Indikatoren für das Vorliegen einer „Fake-Firma“, d.h. einer Firma, welcher nur noch zwecks Konkursreiterei weiter betrieben wird, zu betrachten.

Wie erkennt man eine Fake-Firma?

A. Fehlende Kontinuität

  • Kürzlich erfolgte Sitzverlegung aus einem anderen Kanton, mit folgenden Zwecken
    • „Säuberung“ des Betreibungsregisterauszuges
    • Erschwerung der Rechtsverfolgung
    • Building eines positiven Images durch Intransparenz
  • Umfirmierung mit automatisch vertrauensbildender oder schillernder Namensgebung
    • Anlehnung an bekannte Firmen, z.B. durch gedankliche Assoziationen
    • Assoziative Anlehnung an bekannte Marken
    • Annäherung an nationale oder internationale Institutionen, Verbände etc.
  • Nicht nachvollziehbare Zweckänderung
    • Von Orchideen-Züchten zum Raketenbau (beispielsweise)
    • Neuer Zweck rein zufällig ideal passend für die Konkursreiterei-Masche, als Teil des Gesamtplans zur Täuschung des Geschäftsverkehrs
  • Auswechslung von im Handelsregister vormals eingetragen Personen
    • Neu eingetragen: [Unscheinbare] Personen, bestenfalls mit Allerwelts-Namen, als Stroh-Personen, ohne Vermögen
    • Kein „Track-Record“ der neu eingetragenen Personen (Business No-Names)
    • Mysteriöse Nicht-Auffindbarkeit von ehemals eingetragenen Personen, z.B. durch Streichung in Registern (Telefon-Buch), Abmeldung vom Wohnort nach unbekannt etc.
    • Vorbestehender Verzicht auf Revisionsstelle (Opting-Out)

B. Potemkinsche Fassade

Viel Schein um Nichts:

  • Grandioser Auftritt
    • Top moderne Website
    • Schein-Reviews: Unkontrollierbare Credentials
    • Vorspiegelung illustrer Kundschaft
    • Vorspiegelung einer operativen, erfolgreichen Geschäftstätigkeit
    • Im persönlichen Verkehr: Weltgewandter, imposanter Auftritt und Anwendung diverser manipulativer Maschen
    • Auf den ersten Blick tadellose (Schein-)Reputation
  • Leere im Hintergrund
    • Keine Geschäftsräumlichkeiten, allenfalls nicht einmal einen Briefkasten, sondern nur ein Postfach
    • Keine operative Geschäftstätigkeit
    • Keine anderen Mitarbeitenden
    • Keine Buchhaltung
    • Keine Jahresabschlüsse
    • Keine Wirtschaftsinformationen über Drittquellen erhältlich

Kumulative und alternative Indikatoren

Die vorgenannten Indikatoren für fehlende Kontinuität und Erzeugung einer schillernden Schein-Fassade können in beliebigen Kombinationen vorkommen.

Da Fake-Firmen gerade zum Zweck der Abzocke bewirtschaftet werden, hängt es massgeblich von der gewählten, betrügerischen Masche ab, welche der besagten Indikatoren verwendet werden. Dies ist u.a. auch budget-abhängig, d.h. wie viel Mittel z.B. in die Fassadenbildung investiert werden.

Schliesslich ist auch der Grad der Verschlagenheit und „Professionalität“ der Akteure ein entscheidender Faktor. Zuviel Perfektion schadet auch einer Fassade. Das gesamte, täuschende Verhalten wird an der potentiellen Opfer-Herde ausgerichtet: Bauern fängt man sprichwörtlich mit grossen Kartoffeln (Aussage beispielhaft, ohne Beleidigungsabsicht), vermögende Privatpersonen (heute) mit bombensicheren Anlage-Algorhythmen.

Fragen an potentielle Geschäftspartner

Ein potentieller Geschäftspartner – Käufer, Besteller oder Auftraggeber – muss Willens und in der Lage sein, Fragen zum eigenen, ökonomischen Standing zu beantworten.

Insbesondere sind plausible Erklärungen zu Sitzwechseln, Firmenänderungen, Austausch von Personen im Handelsregister etc., vor Aufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung, nicht nur erwünscht, sondern erforderlich.

Hat die Geschäftsbeziehung vorbestanden, so handelt es sich dennoch um ein „People Business“: Fragen zum Verbleib der ehemaligen Ansprechpartner sind nicht nur zwischenmenschlich normal, sondern zur Absicherung auch erforderlich. U.a. die Aufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung hat immer auch ein wenig Brautschau-Charakter: Man will wissen, wer dahintersteht. Man will wissen, auf was man sich einlässt. Man heiratet schliesslich die ganze Verwandtschaft mit.

Je nach Professionalität der Akteure kann es aber dennoch schwierig sein, die Fäulnis des Apfels zu erkennen. Im Gegenzug dazu steht das unpersönliche Massengeschäft, welches zu anderen Mitteln der Gefahrenabwehr greifen muss.

Finanzielles Risk-Management / Vorleistungsrisiko

In Wirtschaftsbereichen, wo die Vorleistung des Dienstleistungserbringers die Regel ist, kann nichtsdestotrotz für Neukunden eine Vorschusspflicht vorgesehen werden. Ist der neue Kunde nämlich nicht einmal bereit, einen Vorschuss zu leisten, sind begründete Zweifel berechtigt, ob die Geschäftsbeziehung beidseitig fruchtbar wird, oder nur „Gratisleistungen“ bezogen werden wollen.

Falls man auch eine Vorauszahlung erhalten haben sollte, bleibt es zentral wichtig, dass Kontroll-Instrumente geschaffen werden, welche eine Überziehung des Vorschusses verhindern oder ein vordefiniertes Cap nicht überschreiten helfen sollen.

Im digitalen Wirtschaftssektor, vor allem im Warenverkehr über das Internet, stehen bereits diverse Instrumente zur Verfügung, welche erkennen helfen, ob eine Betrugsmasche vorliegt.

Interne Ausbildung / Risiko-Faktor Mitarbeitende

Das betrieblich grösste Compliance-Risiko stellen die eigenen Mitarbeitenden dar. Das ist normal, weshalb genau an diesem Punkt angesetzt werden sollte.

Mitarbeitende sind, gemessen an den betrieblichen Bedürfnissen, bezüglich bekannter, betrügerischer Maschen, insbesondere der Konkursreiterei, zu schulen.

Weiter ist es erforderlich, dass Mitarbeitende mit klaren Kompetenzen ausgestattet werden. Jeder Mitarbeitende muss wissen, was er darf, und was er nicht darf. Ein Mitarbeitender darf z.B. nicht ohne Rücksprache auf die Einforderung eines Vorschusses verzichten. Oder er darf keine Geschäfte abschliessen, welche ein gewisses, finanzielles Exposure überschreiten. Oder er darf keine aussergewöhnlichen Zugeständnisse machen.

Solche Weisungen des Arbeitgebers sind in Reglementen oder Arbeitsbeschrieben zu verschriftlichen, damit den Compliance-Anforderungen Genüge getan wird.

Fazit

Es gibt unzählige Varianten, wie Konkursreiter versuchen könnten, dass gutgläubige Geschäftspartner ihnen auf den Leim gehen.

Auf Stufe potentiell betroffener Firmen stehen drei Massnahmen im Vordergrund:

  1. Ausbildung / Aufklärung von Mitarbeitenden, was die üblichen Maschen der Konkursreiter sind. Einführung von Checklisten.
  2. Betriebsorganisation / Klare interne Anweisungen, welche Kompetenzen Mitarbeitende an der Front haben.
  3. Management des finanziellen Risk-Exposures: Vorschusspflicht bei Neukunden und / oder Definition, Implementation und Überwachung von Vorleistungs-Caps.

Besonders die vorstehende Ziffer 3 kann dazu führen, dass Neugeschäfte verhindert werden, da Konkurrenten allenfalls nicht so genau hinschauen. Dabei handelt es sich aber nur um einen Scheinvorteil, welcher sich an einem klaren Kosten-/Nutzenvergleich zu messen hat: Lieber nicht arbeiten resp. geschäften als für nichts arbeiten resp. geschäften (sofern man es sich leisten kann).

Quelle

LawMedia-Redaktionsteam

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