Nachforderungsverfügung für nicht geleistete Einfuhrabgaben auf den Reisebussen
Einleitung
Strittig war, ob die vor Bundesverwaltungsgericht (A-1438/2020) unterlegene Steuerpflichtige und ihr Geschäftsführer eine verbotene Kabotage vorgenommen haben.
Sachverhalt
Die A.________ Srl. ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Italien. Ihr Geschäftsführer ist B.________. Sie betreibt mehrere direkte Busverbindungen aus Italien in die Schweiz aufgrund von entsprechenden Konzessionen, welche ihr vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation erteilt wurden.
Am 22. sowie 29.08.2019 reisten mehrere Passagiere mit einem Reisebus der A.________ Srl. mit dem italienischen Kennzeichen vvv in die Schweiz ein und stiegen dort für die Weiterreise zu ihren Schweizer Zielorten auf die Reisebusse mit den italienischen Kennzeichen www (Chassis Nr. xxx) respektive yyy (Chassis Nr. zzz) um. Der Bus yyy war zuvor teilweise über längere Zeit in der Schweiz parkiert gewesen, um solche sog. «Antennen- oder Gabelfahrten» vornehmen zu können.
Prozess-History
- Eidgenössische Zollverwaltung EZV (heute: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG)
- Gestützt auf vorstehenden Sachverhalt ging die Eidgenössische Zollverwaltung EZV (heute: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG) von unerlaubten Binnentransporten (sog. Kabotage) aus und erliess am 06.02.2020 gegenüber der A.________ Srl. und Geschäftsführer B.________eine Nachforderungsverfügung in der Höhe von insgesamt Fr. 31’578.45 für die nicht geleisteten Einfuhrabgaben auf den Reisebussen mit den italienischen Kennzeichen www sowie yyy.
- Bundesverwaltungsgericht
- Eine gegen die EZV-Verfügung gerichtete Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVGer) mit Urteil vom 08.07.2021 abgewiesen.
- Bundesgericht
- Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 07.09.2021 beantragen die A.________ Srl. und B.________, das Urteil des BVGer vom 08.0.2021 und die Nachforderungsverfügungen vom 06.02.2020 seien aufzuheben;
- eventualiter seien das Urteil und die Nachforderungsverfügungen in Bezug auf den Reisecar mit italienischem Kennzeichen www aufzuheben.
- Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 07.09.2021 beantragen die A.________ Srl. und B.________, das Urteil des BVGer vom 08.0.2021 und die Nachforderungsverfügungen vom 06.02.2020 seien aufzuheben;
Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht (BGer) erwog:
- Grundsatz
- Der Tatbestand der Kabotage gilt als erfüllt, wenn mit einem ausländischen Beförderungsmittel (hier Reisebus) Personen im Inland (Schweiz) aufgenommen werden, um sie an einem anderen Ort im Inland (Schweiz) abzusetzen.
- In concreto
- Reisebus 1
- Unbestritten war, dass einzelne Passagiere im Reisebus 1 mit italienischem Kennzeichen diesen auf schweizerischem Staatsgebiet verlassen und den Reisebus 2 mit (ebenfalls) italienischem Kennzeichen für die Weiterfahrt an den schweizerischen Zielort bestiegen haben.
- Reisebus 2
- Im Reisebus 2 wurden auch Passagiere befördert, welche diesen in Italien bestiegen hatten, keinen Umstieg in der Schweiz vornahmen und insofern mittels eines zulässigen internationalen Transportvorgangs an ihren Schweizer Zielort gebracht wurden.
- Der Reisebus 2 wurde somit gleichzeitig verwendet für
- einen zulässigen internationalen Transport und
- einen unzulässigen Binnentransport.
- Dies hatte zur Konsequenz,
- dass Einfuhrabgaben auf dem Reisebus zu erheben waren.
- Reisebus 1
- Fazit
- Es entsprach laut BGer dem Sinn und Zweck von ZV 34, die vollständige Abgabebefreiung nicht zuzulassen, wenn eine sog. «gemischte Verwendung» eines ausländischen Beförderungsmittels vorliegt.
Ein Verfahren der vorübergehenden gewerblichen Verwendung ausländischer Beförderungsmittel im Binnenverkehr war hier ausgeschlossen.
Entscheid des Bundesgerichts
- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
- Die Gerichtskosten von Fr. 2’500.– werden zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung den Beschwerdeführern auferlegt.
- Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
BGer 2C_677/2021 vom 28.03.2022
Begrifflichkeit «Kabotage»
Als «Kabotage» werden Transporte innerhalb eines Landes mit Fahrzeugen, die im Ausland immatrikuliert sind, beschrieben.
«Kabotage» gilt aufgrund des Landverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU (Art. 14 / 20) ausdrücklich als verboten, und zwar
- nicht nur für ausländische Fahrzeuge innerhalb der Schweiz,
- sondern auch für schweizerische Fahrzeuge innerhalb eines EU-Staates.
Güter- und Personentransporte auf Schweizer Zollgebiet, d.h. mit Start und Ziel innerhalb der Schweiz («Einladen und Ausladen»), dürfen somit grundsätzlich nur mit LKW’s oder Reisebussen ausgeführt werden,
- die in der Schweiz verzollt sind und
- schweizerische Kontrollschilder tragen.
Sind diese Voraussetzungen die Verzollung der Fahrzeuge in der Schweiz und die schweizerische Immatrikulation nicht erfüllt und werden trotzdessen sog. Binnentransporte, d.h. Inlandtransporte ausgeführt,
- handelt es sich um eine sog. «Kabotage».
Art. 34 ZV 23 Gewerbliche Verwendung von ausländischen Beförderungsmitteln
(Art. 9 Abs. 1 und 2 ZG)
1 Die zollfreie vorübergehende Verwendung von ausländischen Beförderungsmitteln für Binnentransporte zu gewerblichen Zwecken ist unter Vorbehalt der Absätze 4 und 5 untersagt.
2 Das BAZG kann Personen mit Sitz oder Wohnsitz im Zollgebiet die zollfreie vorübergehende Verwendung eines ausländischen Beförderungsmittels für grenzüberschreitende Beförderungen zu gewerblichen Zwecken bewilligen, wenn:
- die Person innerhalb eines Jahres höchstens zwölf Beförderungen durchführt; und
- das Beförderungsmittel jeweils nach Beendigung der Beförderung wieder ausgeführt wird.
3 Ein ausländischer Sachentransportanhänger kann zu gewerblichen Zwecken von einem inländischen Zugfahrzeug für grenzüberschreitende Beförderungen zur zollfreien vorübergehenden Verwendung ins Zollgebiet verbracht werden. Er ist wieder auszuführen, sobald die Beförderung beendet ist, für die er eingeführt worden ist.
4 Das BAZG kann für Binnentransporte die zollfreie vorübergehende Verwendung von ausländischen Beförderungsmitteln im Zollgebiet bewilligen, namentlich wenn die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller nachweist, dass:
- keine entsprechenden inländischen Beförderungsmittel zur Verfügung stehen und die ausländischen Beförderungsmittel nur für eine kurze Dauer benützt werden sollen; oder
- die ausländischen Beförderungsmittel zu Testzwecken eingeführt werden.
5 Ausländische Eisenbahnfahrzeuge dürfen für den Transport von Personen und Waren im Zollgebiet zollfrei vorübergehend verwendet werden, wenn:
- der Transport grenzüberschreitend ist; und
- sie wieder ausgeführt werden, sobald die Beförderung beendet ist, für die sie eingeführt worden sind.
23 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Juni 2012, in Kraft seit 1. Aug. 2012 (AS 2012 3837).
Weiterführende Informationen
- Allgemein
- Gesetzgebung
- Gerichtsentscheide im Reisebusbereich
Quelle
LawMedia Redaktionsteam