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Solothurner Gesetz über die Kantonspolizei: Automatisierte Fahrzeugfahndung erfordert Nachbesserungen

Datum:
10.01.2023
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Verkehrsrecht
Thema:
Automatisierte Fahrzeugfahndung
Stichworte:
Datenschutz, Regelungen
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Datenschutzverletzungen etc.

Das Bundesgericht (BGer) hat  die Beschwerde von zehn Verfahrensbeteiligten im Zusammenhang mit Änderungen des Solothurner Gesetzes über die Kantonspolizei teilweise gutgeheissen:

  • Es hob unter anderem eine Bestimmung zur automatisierten Fahrzeugfahndung auf,
    • die den Datenabgleich mit sämtlichen Personen- und Sachfahndungsregistern ermöglicht hätte.
  • Überdies darf die automatisierte Fahrzeugfahndung nicht angeordnet werden,
    • solange keine ergänzenden Regelungen zu verschiedenen Aspekten des Datenschutzes in Kraft sind.

Sachverhalt

Das Solothurner Stimmvolk hat die Teilrevision des Solothurner Gesetzes über die Kantonspolizei (KapoG/SO) im Jahr 2020 in einer kantonalen Volksabstimmung angenommen:

  • Zum Teil geändert wurden die Bestimmungen
    • zur Observation und
    • zur verdeckten Vorermittlung.
  • Neu eingefügt wurden
    • Regelungen zur verdeckten Fahndung,
    • zur automatisierten Fahrzeugfahndung und
    • zu einem Flugverbot für (private) Drohnen,
      • unter anderem bei Polizeieinsätzen.

Erwägungen und Entscheide

Das BGer hiess nun die von den zehn Personen erhobene Beschwerde teilweise gut.

  • Automatisierte Fahrzeugfahndung durch systematische Kontrollschilderfassung
    • Die automatisierte Fahrzeugfahndung, d.h.
      • die systematische Erfassung der Kontrollschilder vorbeifahrender Fahrzeuge
      • durch eine mobile oder stationäre Kamera
    • stellt einen schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
  • Gesetz ohne genügende Einschränkung
    • Das angefochtene Gesetz
      • lässt laut BGer einen systematischen Abgleich mit allen polizeilichen Personen- und Sachfahndungsregistern zu und
      • schränkt damit den Anwendungsbereich der automatisierten Fahrzeugfahndung nicht genügend ein.
    • Das BGer
      • hob daher die betreffende Bestimmung (§ 36octies Absatz 2 litera a) auf und
      • fordert den kantonalen Gesetzgeber auf,
        • diejenigen Personen- und Sachfahndungsdateien zu bestimmen,
        • mit welchen ein systematischer Abgleich erforderlich und
        • verhältnismässig ist,
        • aufgrund der Schwere der drohenden Gefahr oder
        • des erheblichen Gewichts der öffentlichen Interessen.
  • Erforderlichkeit ergänzender Datenschutzregeln
    • Weiter bedarf es laut BGer ergänzender datenschutzrechtlicher Regelungen auf Verordnungsebene:
      • Die erforderlichen Regeln betreffen folgendes:
        • die Dauer einer automatisierten Fahrzeugfahndung,
        • die Dauer der Datenaufbewahrung (in bestimmten Fällen),
        • zu welchen weiteren Zwecken die Daten verwendet werden dürfen und
        • an welche anderen Behörden sie übermittelt beziehungsweise mit welchen Behörden sie geteilt werden dürfen.
      • Vorzusehen sind zudem
        • periodische Kontrollen durch eine unabhängige Stelle sowie
        • die Protokollierung der Datenverwendung.
      • Weiter bedarf es
        • der Klärung, wer die Massnahme innerhalb der Kantonspolizei anordnen kann.
  • Verfassungswidrige Fahrzeuginsassen-Erfassung
    • Die übrigen Bestimmungen zur automatisierten Fahrzeugfahndung können verfassungskonform ausgelegt werden:
      • Die bildliche Erfassung der Fahrzeuginsassinnen und -insassen
        • ist nicht zulässig.
      • Das Gesetz wäre anzupassen, wenn
        • neue Software oder neue Geräte zum Einsatz kommen,
        • welche weiterte Funktionalitäten ermöglichen,
          • wie etwa eine Gesichtserkennung.
  • Generelles Flugverbot für private Drohnen während Behördeneinsätzen
    • Das generelle Flugverbot für (private) Drohnen während Einsätzen
      • der Polizei,
      • der Feuerwehr,
      • des Zivilschutzes und
      • des Rettungsdienstes,
    • ist auf ein Notfalleinsätze-Verbot zu beschränken.
  • Aufhebung der Bestimmung über den Aufschub oder die Unterlassung der Benachrichtigung von Personen, nach denen verdeckt gefahndet wurde
    • Aufgehoben hat das BGer schliesslich eine Bestimmung,
      • gemäss der die Benachrichtigung von Personen
        • aufgeschoben oder unterlassen werden kann,
        • gegen die verdeckt gefahndet wurde.
    • Der Kanton ist ferner darauf zu behaften,
      • die Kompetenz zur Anordnung einer verdeckten Fahndung im Dienstreglement der Kantonspolizei einschränkend zu regeln.

BGer 1C_39/2021 vom 29.11.2022

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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