BGFA 12 lit. a und c – Disziplinarverfahren gegen Anwälte
Rechtsanwalt A.________ vertrat in einer strafrechtlichen Auseinandersetzung seinen Klienten C.________ (Mieter) gegen den B.________ (ebenfalls Mieter).
Rechtsanwalt A.________ erwarb die Mietobjekt bildende Liegenschaft und wurde so Vermieter seines Klienten C.________ und der Gegenpartei B.________.
Hierdurch schuf er ein Interessenkonflikt.
BGFA 12 lit. c verpflichtet den Anwalt, Konflikte zwischen den eigenen und den Klienten-Interessen zu vermeiden (siehe Box unten). Das Risiko eines potentiellen Interessenkonfliktes muss konkret sein; der Interessenkonflikt muss sich noch nicht verwirklicht haben.
Wenn ein Interessenkonflikt eintritt, muss ein Anwalt das Vertretungsverhältnis beenden:
- A.________ hat den Mietvertrag mit B.________ zu einem Zeitpunkt aufgelöst, als er noch als Anwalt seinen Mieter C. gegen seinen Mieter B.________ vertrat.
- Nach dem Liegenschaftserwerb kam es zu verschiedenen Verfahren zwischen A.________ und B.________ sowie am 12.10.2016 zu einem Strafbefehl gegen A.
- B.________ verzeigte A.________ bei der «Commission du Barreau du canton de Genève».
- Auch wenn A.________ nicht als Anwalt kündigte, zeigte der Sachverhalt doch die Schwierigkeiten von A.________, zwischen seinen Interessen und denjenigen seines Klienten C.________ zu unterscheiden.
- Laut Bundesgericht (BGer) hätte A.________ das Vertretungsverhältnis spätestens mit dem Kauf der Immobilie auflösen sollen:
- Da der Kauf vom 27.07.2015 wohl nicht auf die Schnelle erfolgen konnte, hätte A.________ nach dem Kaufentschluss seinem Klienten C.________ mitteilen müssen, dass er ihn bezüglich des Verfahrens im Zusammenhang mit der Immobilie nicht mehr vertreten könne.
- Die Auflösung des Mandatsverhältnisses zu C.________ erst am 05.11.2015 war laut BGer verspätet.
Das BGer wies daher die Beschwerde von A.________ in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten gegen die vorinstanzliche Bestätigung des Disziplinarentscheids der «Commission du Barreau du canton de Genève» (Busse von CHF 1’750) vollumfänglich ab.
BGer 2C_101/2023 vom 11.05.2023
Art. 12 BGFA Berufsregeln
Für Anwältinnen und Anwälte gelten folgende Berufsregeln:
- Sie üben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft aus.
- Sie üben ihren Beruf unabhängig, in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung aus.
- Sie meiden jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen.
- Sie können Werbung machen, solange diese objektiv bleibt und solange sie dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht.
- Sie dürfen vor Beendigung eines Rechtsstreits mit der Klientin oder dem Klienten keine Vereinbarung über die Beteiligung am Prozessgewinn als Ersatz für das Honorar abschliessen; sie dürfen sich auch nicht dazu verpflichten, im Falle eines ungünstigen Abschlusses des Verfahrens auf das Honorar zu verzichten.
- Sie haben eine Berufshaftpflichtversicherung nach Massgabe der Art und des Umfangs der Risiken, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind, abzuschliessen; die Versicherungssumme muss mindestens eine Million Franken pro Jahr betragen; anstelle der Haftpflichtversicherung können andere, gleichwertige Sicherheiten erbracht werden.
- Sie sind verpflichtet, in dem Kanton, in dessen Register sie eingetragen sind, amtliche Pflichtverteidigungen und im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen.
- Sie bewahren die ihnen anvertrauten Vermögenswerte getrennt von ihrem eigenen Vermögen auf.
- Sie klären ihre Klientschaft bei Übernahme des Mandates über die Grundsätze ihrer Rechnungsstellung auf und informieren sie periodisch oder auf Verlangen über die Höhe des geschuldeten Honorars.
- Sie teilen der Aufsichtsbehörde jede Änderung der sie betreffenden Daten im Register mit.
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Quelle
LawMedia Redaktionsteam