Einleitung + Problemstellung
Das Grundmodell der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsverfassung verlangt auch in der Schweiz nach einer
- funktionierenden Wettbewerbsordnung.
Die Wettbewerbskommission WEKO ist gegenüber Unternehmen, die sich nachweislich kartellrechtswidrig verhalten haben, mit Befugnissen zur Ergreifung von Massnahmen ausgestattet, wie
- Anordnung der Unterlassung vergleichbarer Verstösse;
Bei einer weiteren Missachtung kann als nächst höhere Massnahme
- eine Sanktion verhängt werden.
Seit der Teilrevision 2003, in Kraft seit 1.4.2004, hat die WEKO zudem die Befugnis,
- bestimmte Verstösse gegen das Kartellgesetz direkt zu sanktionieren;
- zu denken sind vor allem an:
- Preisabreden;
- Marktmachtmissbrauch;
- Austausch des Interesses an einem Projekt
- Informationsaustausch über Arbeitsgemeinschaften (ARGE)
- Verpflichtung an ein marktbeherrschendes Unternehmen,
- ein anderes Unternehmen zu bestimmten Konditionen zu beliefern (Beispiel: Service Après Vente für Uhren).
- zu denken sind vor allem an:
Rechtsschutz von Unternehmen
Dabei stellen sich Fragen des Rechtsschutzes von Unternehmen bei Massnahmen der WEKO.
Für direkte Sanktionen der WEKO sind – von den Rechtsgrundlagen ausgehend – wie bei jedem verwaltungsrechtlichen Handeln folgende Kriterien zu beachten:
- Legalitätsprinzip
- KG 30 Abs. 1 + 2
- KG 12
- KG 5 + 7
- EMRK
- Verhältnismässigkeitsprinzip
- Öffentliches Interesse
- Die Massnahmen müssen sicherstellen, dass sich ein Unternehmen, welches einen Kartellrechtsverstoss begangen hat, in Zukunft kartellrechtskonform verhält und so im öffentlichen Interesse eines wirksamen Wettbewerbs steht (vgl. KG 1).
- Hinreichender Zusammenhang mit dem Regelverstoss
- Kartellgesetz-Verstoss des Unternehmens
- Massnahme nach Art des Verstosses
- zB Untersagung vergleichbaren Verhaltens
- zB Anordnung zu einem Tun oder Unterlassen,
- wie der Verpflichtung eines marktbeherrschenden Unternehmens, das konkurrenzierte Unternehmen zu bestimmten Bedingungen zu beliefern (= Kontrahierungspflicht)
- zB Unterlassungsanordnung bei unzulässiger Wettbewerbsabrede
- Erforderlichkeit der Massnahme
- Andauernder Kartellrechtsverstoss
- > Unterlassungsanordnung
- Beendeter Kartellrechtsverstoss
- > Differenzierte Anordnung
- Unterlassungsanordnung, wenn die Gefahr besteht für
- Wiederaufnahme einer Wettbewerbsverletzung
- erneute unzulässige Wettbewerbsabreden
- Unterlassungsanordnung, wenn die Gefahr besteht für
- > Differenzierte Anordnung
- Andauernder Kartellrechtsverstoss
- Abwägung der betroffenen Interessen
- d.h.
- das Interesse am Wettbewerbsschutz +
- das Interesse des betroffenen Unternehmens
- d.h.
- Öffentliches Interesse
- Verfahrensgrundsätze + Verfahrensrechte
- Zwecksetzung / Motivierung
- Korrekte Sachverhaltsermittlung
- Richtige Anwendung materiellen Rechts
- Faires Verfahren
- Vermeidung willkürlicher Eingriffe in die Rechtsstellung der Unternehmen
- Sicherstellung von Legitimation und Akzeptanz durch Unternehmen + Publikum
- Grundsatz Unschuldsvermutung
- Im kartellverwaltungsrechtlichen Verfahren sind die strafprozessualen Garantien von EMRK 6 EMRK anwendbar, sofern und soweit ein direkt sanktionierbarer Kartellrechtsverstoss in Frage steht
- Die WEKO weist in ihren Medienmitteilungen regelmässig darauf hin, dass die erwähnten bzw. bestimmte oder bestimmbare Unternehmen Anspruch auf die Unschuldsvermutung hätten.
- Grundsatz Fairness
- Auch für Kartellverfahren gilt das Prinzip des fairen Verfahrens (vgl. BV 29 Abs. 1 + EMRK 6 Abs. 1 sowie VwVG, insbeso VwVG 10 und VwVG 59)
- Obwohl die Fairnessgarantien nur für Gerichtsverfahren gelten, sind sie auch in den Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen
- Grundsatz des Rechtlichen Gehörs
- Das rechtliche Gehör bzw. die Anhörungsrechte sollten durchwegs beachtet werden (vgl. VwVG 29 ff. zu den Gehörsregeln)
- In folgenden Stadien eines WEKO-Verfahrens sollte der Gehörsanspruch gelten:
- Vorgängige Anhörung bei der Untersuchung
- Einbringung von Standpunkten der Unternehmen in einem frühen Zeitpunkt des Untersuchungsverfahrens
- Zugang zu den Verfahrensakten
- Pflicht oder Obliegenheit der Unternehmen, sich nach Treu und Glauben über den Verfahrens- und Aktenstand zu informieren
- Nach Abschluss der Untersuchung
- Begründung des Verfügungsantrags des WEKO-Sekretariats
- Kenntnisnahme der Endverfügung der WEKO
- Rechtsschutz, Entscheiddispositiv und Begründung
- Erfordernis einer ausführlichen Begründung, auch im Hinblick auf ein allfälliges Rechtsmittelverfahren des Unternehmens,
- obwohl im Beschwerdeverfahren ein Nachschieben von Begründungen möglich ist und Begründungsmängel geheilt werden können (vgl. BVGer vom 02.09.2013, A-821/2013, Erw. 3.2 (BLS AG + Kanton Wallis vs. SBB)).
- Erfordernis einer ausführlichen Begründung, auch im Hinblick auf ein allfälliges Rechtsmittelverfahren des Unternehmens,
- Zwecksetzung / Motivierung
Fazit
Die erwähnten Massnahmen sind in einem fairen Verfahren unter Wahrung der dargelegten rechtsstaatlichen Prinzipien auszuüben.
Weiterführende Informationen
- WEKO / Kontrahierungszwang
- Begründungspflicht
- A-821/2013 | entscheide.weblaw.ch
- Arbeitsgemeinschaft (ARGE)
- LAWINFO Arbeitsgemeinschaft
- LAWINFO Unterschiede zwischen echter und unechter ARGE
- WEKO / Bussen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam