25.401 Parlamentarische InitiativeEidgenössische Gerichte. Disziplinarsystem einführen, um das Vertrauen in diese Institutionen zu stärken
Summary
Aufgrund der Erkenntnisse der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) kommt es auch an den eidgenössischen Gerichten immer wieder zu Fehlverhalten von Richterinnen und Richtern:
- Sanktionierungsmöglichkeit?
- Eine Sanktionierung ist nicht möglich:
- Ausnahme: Amtsenthebung.
- Eine Sanktionierung ist nicht möglich:
- Motiv der Parlamentarischen Initiative
- Um das Vertrauen in die eidgenössischen Gerichte und deren Funktionsfähigkeit zu stärken,
- hält es die GPK für notwendig,
- ein Disziplinarsystem einzuführen.
- hält es die GPK für notwendig,
- Um das Vertrauen in die eidgenössischen Gerichte und deren Funktionsfähigkeit zu stärken,
- Gewaltentrennungs-Beachtung
- Bei deren Umsetzung sind zu berücksichtigen:
- Grundsätzen der richterlichen Unabhängigkeit;
- Organisationsautonomie der Gerichte;
- Gewaltentrennung.
- Bei deren Umsetzung sind zu berücksichtigen:
Eingereichter Text
«Es seien die gesetzlichen Grundlagen zu erarbeiten, um eine Disziplinaraufsicht über die Richterinnen und Richter an den eidgenössischen Gerichten einzuführen. Dabei ist den Grundsätzen der richterlichen Unabhängigkeit, der Organisationsautonomie und der Gewaltentrennung Rechnung zu tragen.»
Begründung
«Das Vertrauen in die Justiz und damit deren Akzeptanz in der Bevölkerung ist für den Rechtsstaat von grundlegender Bedeutung. Bei der Wahrnehmung der Oberaufsicht über die Geschäftsführung der eidgenössischen Gerichte haben die Geschäftsprüfungskommissionen des National- und des Ständerates (GPK‑N/S) in den letzten Jahren wiederholt Verfehlungen einzelner Richterpersonen festgestellt. Diese Vorfälle, welche nicht zufriedenstellend gelöst werden konnten – unter anderem mangels verbindlicher Instrumente –, schaden den jeweiligen Gerichten und dem Vertrauen in die Justiz. Ungelöste Schwierigkeiten auf der personellen Ebene können zudem auch zu institutionellen Problemen führen.
Das geltende Recht sieht als einzige Disziplinarmassnahme gegenüber Richterinnen und Richtern an erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichten die Amtsenthebung durch die Bundesversammlung vor (Art. 49 StBOG; Art. 10 VGG; Art. 14 PatGG). In Bezug auf Richterinnen und Richter am Bundesgericht fehlt auch diese Möglichkeit. Weitere Disziplinarmassnahmen sind nicht vorgesehen. Es gibt somit keine eigentliche Disziplinaraufsicht. Eine Amtsenthebung durch das Parlament ist die einzige, letzte und aus staatspolitischen Überlegungen höchst umstrittene Sanktionierungsmöglichkeit. Dieser aktuell bei den erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichten bestehende Alles-oder-Nichts-Mechanismus in Disziplinarangelegenheiten wird auch von der Verwaltungskommission des Bundesgerichtes (VK BGer) als unbefriedigend erachtet. Dass weniger gravierende Disziplinarmassnahmen fehlen, wird zudem von der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) in ihrem Evaluationsbericht zur Schweiz aus dem Jahr 2016 kritisiert.
Das Fehlen einer Disziplinarsaufsicht stellt eine Frage staatspolitischer Trageweite dar. Aus Sicht der GPK‑N/S besteht somit ein entsprechender gesetzgeberischer Handlungsbedarf bezüglich Richterinnen und Richtern an den eidgenössischen Gerichten. Dabei ist zwingend eine Rekursmöglichkeit gegen von Disziplinarmassnahmen betroffenen Richterpersonen einzuführen. Je nach Ausgestaltung der konkreten Kompetenzen der verschiedenen Akteurinnen und Akteure im Bereich der Disziplinaraufsicht ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten und Herausforderungen in Bezug auf die Rekursmöglichkeit.
Die GPK‑N/S haben zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben (veröffentlicht in der Medienmitteilung der GPK‑N/S vom 24.1.2025), um zur Einführung einer Disziplinaraufsicht den verfassungsmässigen und gesetzlichen Handlungsspielraum abzuklären. Die Gutachten zeigen auf, dass die Einführung einer Disziplinaraufsicht gegenüber Richterinnen und Richter an erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichten verfassungskonform ist, wenn dabei die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit, der Selbstverwaltung der Gerichte und der Gewaltentrennung eingehalten werden. Ob auch gegenüber Bundesrichterinnen und Bundesrichtern eine Disziplinaraufsicht einzuführen ist, lassen die beiden Gutachten offen, da hierfür noch weitergehendere Abklärungen notwendig seien. Die Einführung eines Disziplinarsystems und die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens sollen im Rahmen der Umsetzung der parlamentarischen Initiative von der zuständigen Kommission vertieft geprüft und umgesetzt werden. Bei diesen Abklärungen wird die Frage nach den Konsequenzen, welche sich durch den Status der Bundesrichterinnen und Bundesrichter als Magistratspersonen ergeben, von speziellem Interesse sein.
Die GPK‑N/S sind überzeugt, dass ein neu geschaffenes gerichtsexternes Aufsichtsgremium die Disziplinaraufsicht gegenüber Richterinnen und Richtern an eidgenössischen Gerichten am besten wahrnehmen könnte. Bei einem sogenannten Justizgericht handelt es sich um eine vollwertige Aufsichtsbehörde. Mehrere Kantone verfügen über ein solches Justizgericht (Freiburg, Aargau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf, Jura und ab 2025 auch Graubünden). Die Schaffung eines Justizgerichtes unterscheidet sich vom Vorschlag der RK-S zur Schaffung einer Justizkommission aus dem Jahr 2001 (BBl 2002 1181).
Des Weiteren müsste ebenfalls untersucht werden, inwiefern sich eine Anpassung der Aufsicht über die Eidgenössischen Schätzungskommissionen anbietet. Bezüglich Oberaufsicht gilt es festzuhalten, dass der Status quo beizubehalten ist.
Die Organaufsicht über die erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichte ist aus Sicht der GPK-N/S – im Gegensatz zur Disziplinaraufsicht – bereits heute ausreichend geregelt. Sie wird durch die VK BGer wahrgenommen. Im Rahmen der Erarbeitung eines Erlassentwurfes können Anpassungen diesbezüglich in Erwägung gezogen werden, allerdings sehen die GPK-N/S in dieser Hinsicht keinen dringenden Anpassungsbedarf.
Ferner bleibt zu erwähnen, dass die vorliegende parlamentarische Initiative aus verfahrensökonomischen Gründen formell nur von der GPK-S eingereicht wird; die GPK-N unterstützt das Anliegen.»
Quelle: Parlament vom 24.01.2025, 10.00 Uhr
Stellungnahme des Schweizerischen Bundesgerichts
Das Bundesgericht (BGer) hat gemäss Medienmitteilung vom 24.01.2025 von der Einreichung einer parlamentarischen Initiative der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Ständerates zur Einführung eines Disziplinarsystems für Richterinnen und Richter der eidgenössischen Gerichte Kenntnis genommen:
- Sofern und soweit auch eine Disziplinaraufsicht über die Mitglieder des BGer als oberste Recht sprechende Behörde der Eidgenossenschaft angestrebt werden sollte, würde dies laut BGer eine Revision der Bundesverfassung (BV) erfordern.
Weiterführende Informationen
Parlamentarische Initiative der Geschäftsprüfungskommissionen
Stellungnahme des Bundesgerichts
GRECO-Berichte
- Dritte Evaluationsrunde Zweiter Nachtrag zum Zweiten Konformitätsbericht über die Schweiz vom 18.–22. März 2024
- Vierte Evaluationsrunde vom 18. – 22.03.2019
- Evaluationsbericht Schweiz vom 28.11. – 02.12.2016
Transparenzregeln bei der Politikfinanzierung
- 19.400 Parlamentarische Initiative – Mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung
- Neue Transparenzregeln bei der Politikfinanzierung gelten erstmals für die Nationalratswahlen 2023
- Transparenz bei der Politikfinanzierung
Allgemein
- Umsetzung der Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke
- EU will stärker gegen steuergestaltende Briefkastenfirmen vorgehen
- Mareike Sinz: Internationales Soft Law und Fragen nach parlamentarischer Zustimmung
- Organisationsmängel-Liquidation
- Wirtschaftsstandort
- FINMA: BR genehmigt FINMA-Ziele 2021 – 2024
Quelle
LawMedia Redaktionsteam
Bildquelle: Von Comet Photo AG (Zürich) – http://doi.org/10.3932/ethz-a-001021498, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=97323256