Sachverhalt
«A.
A.a. Mit Vertrag vom 12. Februar 2007 mieteten B.________ und C.________ (Beklagte, Beschwerdegegner) von der damaligen Da.________ AG (Vermieterin) ein Einfamilienhaus sowie eine Reitanlage in U.________. Gegenüber den Beklagten war stets E.________ als Verwaltungsratsmitglied der Da.________ AG Ansprechsperson. Im Zusammenhang mit der Kündigung des Mietverhältnisses durch die Beklagten entwickelte sich ein Rechtsstreit, namentlich betreffend die Rechtzeitigkeit der Kündigung. …»
Prozess-History
«B.
B.a. Mit Klage vom 8. Juni 2018 beantragte die Klägerin beim Bezirksgericht Zurzach, die Beklagten seien unter solidarischer Haftbarkeit zu verpflichten, ihr Fr. 51’000.– nebst Zins zu bezahlen.
Mit Entscheid vom 7. Juli 2020 wies das Bezirksgericht die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin ab, soweit es darauf eintrat. Es erachtete die Zession der eingeklagten Forderung als nichtig.
B.b. Eine dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hiess das Obergericht des Kantons Aargau teilweise gut, es hob den Entscheid des Bezirksgerichts auf, soweit damit die Klage mangels Aktivlegitimation abgewiesen wurde, und wies die Streitsache insoweit im Sinne der Erwägungen an das Bezirksgericht zurück.
B.c. Am 23. Februar 2022 hiess das Bezirksgericht die Klage teilweise gut. Es verpflichtete die Beklagte 1, der Klägerin Fr. 25’500.– (Mietzinse für das Quartal vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2012) zu bezahlen. Weiter verpflichtete es die Beklagten, der Klägerin Fr. 25’500.– (Mietzinse für das Quartal vom 1. Januar bis 31. März 2013) zu bezahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
B.d. Eine dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hiess das Obergericht gut. Es hob den Entscheid des Bezirksgerichts vollständig auf und wies die Klage ab, soweit darauf eingetreten wurde (Ziff. 1). Die Berufung der Klägerin wies es hingegen ab (Ziff. 2). Die Entscheidgebühr für das obergerichtliche Verfahren in Höhe von Fr. 6’400.– auferlegte es der Klägerin (Ziff. 3) und verpflichtete diese, den Beklagten eine Parteientschädigung von Fr. 9’215.– zu bezahlen (Ziff. 4).
Das Obergericht erwog, es sei von einer form- und fristgerechten Kündigung des Mietverhältnisses per Ende September 2012 durch die Beklagten auszugehen, womit die eingeklagten Mietzinsforderungen für die Monate Oktober 2012 bis und mit März 2013 nicht bestünden.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, die Ziffern 1-4 des Entscheids des Obergerichts seien aufzuheben. In Gutheissung der Beschwerde sei das Urteil insofern neu zu fassen, als erstens die Beschwerdegegnerin 1 verpflichtet werde, ihr Fr. 25’500.– nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 2012 zu bezahlen; zweitens die beiden Beschwerdegegner (in solidarischer Haftbarkeit) verpflichtet würden, ihr Fr. 25’500.– zu bezahlen. Auf diese Forderung fordert sie – einzig von der Beschwerdegegnerin 1 – Zins zu 5 % seit 1. Januar 2013. Eventualiter sei die Angelegenheit zu neuem Entscheid an das Obergericht zurückzuweisen. Die Beschwerdegegner beantragen, auf die Beschwerde betreffend den Beschwerdegegner 2 sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Die Beschwerde betreffend die Beschwerdegegnerin 1 sei vollumfänglich abzuweisen. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeführerin hat unaufgefordert repliziert. Die Beschwerdegegner haben mitgeteilt, sie würden auf eine diesbezügliche Stellungnahme verzichten.»
Erwägungen
Eine Kündigung des Mieters vorab per Fax erfüllt Schriftformerfordernis nicht (vgl. BGer 4A_32/2024 vom 10. Oktober 2024)
Die Mieter
- informierten die Vermieterin am 29. März 2012 telefonisch über ihre Kündigungsabsicht,
- sandten am Samstag, 31. März 2012, um 09.16 Uhr ihr eigenhändig unterzeichnetes Kündigungsschreiben per Fax an die Vermieterin und
- gaben das Original gleichentags um 10.32 Uhr bei der Post auf.
Am Montag, 2. April 2012, wurde es der Vermieterin – nach Ablauf der Kündigungsfrist – postalisch zugestellt.
Die Vermieterin klagte – letztinstanzlich erfolgreich – den Mietzins für die Dauer vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013 ein:
- Schriftformerfordernis
- Vermieter und Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen müssen schriftlich kündigen (vgl. Art.266l Abs. 1 OR).
- Formerfordernis der einfachen Schriftlichkeit
- Es gilt das Formerfordernis der einfachen Schriftlichkeit:
- Das Kündigungsschreiben hätte die eigenhändige Unterschrift des Kündigenden oder seines Vertreters enthalten müssen (vgl. Art. 14 Abs. 1 OR; vgl. ferner BGE 140 III 54 zur Unterschrift des Vermieters).
- Einer eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt ist die qualifizierte elektronische Signatur (vgl. Art. 14 Abs. 2bis OR).
- Es gilt das Formerfordernis der einfachen Schriftlichkeit:
- Kündigung als sog. empfangsbedürftige Willenserklärung
- Die Kündigung ist eine «empfangsbedürftige Willenserklärung»:
- Eine Kündigung entfaltet ihre Wirkungen erst, wenn sie in den Machtbereich des Adressaten gelangt, sodass dieser bei normaler Geschäftsorganisation davon Kenntnis nehmen kann.
- Bei Kündigungen gilt die «absolute Empfangstheorie» (vgl. BGE 143 III 15, Erw. 4.1; ferner BGE 140 III 244, Erw. 5.1 und 5.2).
- Die Kündigung ist eine «empfangsbedürftige Willenserklärung»:
Im verfahrensrechtlichen Kontext hat das Bundesgericht wiederholt festgehalten, dass eine Eingabe per Fax dem Erfordernis der einfachen Schriftlichkeit nicht genügt (Erw. 5.4.2, mit Hinweisen).
In Übereinstimmung mit der Mehrheit der mietrechtlichen Lehre verneint das Bundesgericht aber die Formgültigkeit einer Kündigung per Fax:
- Erklärungswirkung und Identifikations-Gewährleistung
- Durch die Unterschrift anerkenne der Erklärende einerseits die Erklärung und werde andererseits die Identifikation des Erklärenden gewährleitet.
- Original-Erklärung beim Absender verbleibend
- Bei einem Fax verbleibt das Original der Erklärung beim Absender, der Empfänger erhält lediglich eine Kopie.
- Wegen des erheblichen Fälschungsrisikos erweise sich die Kündigung mittels Fax aber nicht als formgerecht.
- Schaffung klarer Rechtsverhältnisse
- Mit der Kündigung sollen grundsätzlich klare Rechtsverhältnisse geschaffen werden.
- Vermieden werden sollen auch:
- langwierige Diskussionen über den Zugang der Kündigung.
- Unsicherer FAX-Zugangsnachweis
- Das erfolgreiche Eintreffen eines Faxes beim Adressaten sei aber oftmals unsicher und schwierig nachzuweisen.
- Erfordernis von Praktikabilität + Verkehrsgepflogenheiten
- Entsprechend könne auch nicht auf Praktikabilitätserwägungen und Verkehrsgepflogenheiten verwiesen werden,
- um die Formgültigkeit einer Kündigung per Fax zu begründen (vgl. Erw. 5.4.5.).
- Entsprechend könne auch nicht auf Praktikabilitätserwägungen und Verkehrsgepflogenheiten verwiesen werden,
- Haltung des Bundesgericht
- Das Bundesgericht stellte weiter klar,
- dass auf den Zeitpunkt des Empfangs des Kündigungsschreibens im Original abzustellen ist.
- Das Bundesgericht stellte weiter klar,
- Vorabkopie per Fax als ungenügende Fristwahrung
- Eine Vorabkopie per Fax genügt zur Fristenwahrung laut Bundesgericht nicht (vgl. Erw. 5.4.6).
Die Bedeutung von «Faxzustellungen» hat aufgrund anderer technischer Entwicklungen zugunsten der nachgenannten Mitteilungsarten, auf die sich die FAX-Eingangsprinzipien aber übertragen lassen, stark an praktischer Bedeutung verloren:
- per E-Mail
- SMS
So wahrt auch ein dem Vermieter «per E-Mail» übermittelter Scan des Kündigungsschreibens die Kündigungsfrist ebenfalls nicht!
- Einzig eine mit der qualifizierten elektronischen Signatur versehene E-Mail wahrt das Schriftformerfordernis von Art. 266l Abs. 1 OR.
Im vorliegenden Fall war auch zu prüfen,
- ob die Berufung der Vermieterin auf den Formmangel aufgrund der Umstände als rechtsmissbräuchlich qualifiziert werden könnte.
Das Bundesgericht ruft dabei in Erinnerung, dass Rechtsmissbrauch nur restriktiv anzunehmen wäre (vgl. E. 5.5.3; ferner BGE 143 III 666, Erw. 4.2, und BGer 4A_105/2024 vom 19. August 2024, Erw. 3.1.2).
Die weiteren Argumente der Mieter für den Akzept einer «Zustellung per Fax» waren weder hilfreich, noch ausreichend:
- Die postalische Zustellung der formgerechten Kündigung an die Vermieterin erst am Montag, 2. April 2012, und damit nach Ablauf der Kündigungsfrist – war nicht ausreichend.
Verpasste (Zustellungs-)Alternative
- Falls die Mieter erst im letzten Moment den definitiven Entschluss gefasst hätten, das Mietverhältnis zu kündigen,
- hätten sie das eigenhändig unterzeichnete Kündigungsschreiben notfalls selbst oder durch einen Vertreter in den Herrschaftsbereich der Vermieterin überbringen müssen,
- um form- und fristgerecht zu kündigen
- hätten sie das eigenhändig unterzeichnete Kündigungsschreiben notfalls selbst oder durch einen Vertreter in den Herrschaftsbereich der Vermieterin überbringen müssen,
- hiezu Erw. 5.5.3.
Entscheid
- Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau wird vollständig aufgehoben. In teilweiser Gutheissung der Klage wird die Beschwerdegegnerin 1 verpflichtet, der Beschwerdeführerin Fr. 25’500.– (Mietzinsen für das Quartal vom 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012) zu bezahlen. In teilweiser Gutheissung der Klage werden die Beschwerdegegner – unter solidarischer Haftbarkeit – verpflichtet, der Beschwerdeführerin Fr. 25’500.– (Mietzinsen für das Quartal vom 1. Januar 2013 bis 31. März 2013) zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Gerichtskosten von Fr. 2’500.– werden der Beschwerdeführerin zu Fr. 1’000.– und den Beschwerdegegnern zu Fr. 1’500.– unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
- Die Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit insgesamt Fr. 600.– zu entschädigen.
- Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an das Obergericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.
- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Quelle
BGer 4A_32/2024 vom 01.10.2024
Weiterführende Informationen / Linktipps
- Schriftformklausel
- Schriftform Mietvertrag
- Schriftform einfache Schriftlichkeit