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Credit Suisse AG / FINMA: Rechtswidrige Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumenten

Teilentscheid des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren B-2334/2023

Datum:
17.10.2025
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Bankenrecht
Thema:
Credit Suisse AG / FINMA
Stichworte:
AT1-Kapitalinstrumente, Credit Suisse, Finma, Rechtswidrige Abschreibung
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Summary

Der von der FINMA im März 2023 verfügten

  • Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumenten der Credit Suisse
    • fehlt die Rechtsgrundlage.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in einem Verfahren

  • die FINMA-Verfügung in einem Teilentscheid aufgehoben.

Die Begründung

Sachverhalt

Es verkündeten am 19.03.2023 die Vertreter

  • des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD),
  • der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA),
  • der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und
  • der beteiligten Banken

ein umfassendes Massnahmenpaket zur Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS.

Bestandteil dieses Massnahmenpakets war

  • die Abschreibung sämtlicher Additional Tier 1 Kapitalinstrumente (AT1-Instrumente)
    • im Nominalwert von ca. CHF 16.5 Mrd.

Gleichentags ergänzte der Bundesrat die kurz davor erlassene Notverordnung mit einer Bestimmung (Art. 5a),

  • welche die FINMA ermächtigte,
    • gegenüber der betroffenen Bank die Abschreibung des AT1-Kapitals anzuordnen.

Unter anderem gestützt auf diese Bestimmung wies die FINMA in ihrer Verfügung vom 19.03.2023 die CS an,

  • die Abschreibung sämtlicher AT1-Anleihen sofort vorzunehmen und
  • die betroffenen Gläubiger darüber zu informieren, was die CS in der Folge umsetzte.

Aufhebung der Verfügung der FINMA vom 19.03.2023

Gegen diese Verfügung haben rund 3000 Beschwerdeführende in rund 360 Verfahren Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) erhoben:

  • Mehrparteienverfahren
    • Es liegt ein Mehrparteienverfahren vor,
      • welches sich dadurch charakterisiert,
        • dass mehrere Parteien in ein und demselben Verfahren auftreten (eine Verfügung, gleicher Sachverhalt).
  • Rechtliches Gehör
    • Eine Besonderheit besteht in concreto darin,
      • dass sich der Gehörsanspruch der einzelnen Parteien
        • auch auf die von den anderen Beteiligten vorgebrachten Äusserungen und Beweismittel bezieht,
          • sofern nicht den Begehren der Beschwerdeführenden entsprochen wird.
  • Aufhebung der Verfügung
    • Die Beschwerdeführenden haben hauptsächlich verlangt:
      • die Aufhebung der Verfügungund
      • eine Rückabwicklung (d.h. Rückgängigmachen der Abschreibung).
    • Sie argumentierten, dass
      • weder eine vertragliche,
      • noch eine gesetzliche Grundlage für die Abschreibung der AT1-Anleihen vorgelegen habe.
  • Argumente der FINMA und der UBS AG
    • Die FINMA und die UBS haben dagegen im Wesentlichen
      • die Legitimation zur Beschwerdeführung bestritten und
      • sich auf den Standpunkt gestellt,
        • dass am 19.03.2023 die vertraglichen Voraussetzungen für eine Abschreibung der AT1-Anleihen erfüllt gewesen seiensowie
        • eine genügende gesetzliche Grundlage für die betreffende Anordnung bestanden habe,mit
          • 26 des Bankengesetzes (BankG),
          • 31 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (FINMAG) und
          • 5a der Notverordnung.

Das BVGer hat in einem der rund 360 Beschwerdeverfahren am 01.10.2025 einen Teilentscheid gefällt:

  • Es hat
    • die Legitimation der Beschwerdeführenden bejaht und
    • die Verfügung vom 19.03.2023 aufgehoben.

Zur Rückabwicklung hat das BVGer noch nicht entschieden.

Die anderen Verfahren werden nun sistiert, bis der Entscheid über die Aufhebung der Verfügung rechtskräftig ist.

Kein Viability Event eingetreten

AT1-Kapitalinstrumente zählen

  • zum regulatorisch den Eigenmitteln anrechenbaren zusätzlichen Kernkapital einer Bank und
  • sind in der Regel
    • entweder als bedingte Pflichtwandelanleihen oder
    • (wie vorliegend) als Anleihen mit bedingtem Forderungsverzicht («Write-off-Bonds») ausgestaltet.

Write-off-Bonds zeichnen sich dadurch aus,

  • dass sie bei Eintritt eines vertraglich vordefinierten Ereignisses («Viability Event»)
    • durch die emittierende Bank abgeschrieben werden können.

Das BVGer gelangte zum Schluss,

  • dass die Voraussetzungen für eine Abschreibung nicht vorlagen,
    • weil im Abschreibungszeitpunkt der vertragliche Viability Event nicht eingetreten war.

Die CS war zum fraglichen Zeitpunkt

  • hinreichend kapitalisiert und
  • erfüllte die regulatorischen Eigenmittelanforderungen.

Die vom Bund und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gewährten Massnahmen dienten

  • einzig der Sicherstellung der Liquidität und
  • hatten nach dem vertrauenstheoretisch relevanten Verständnis der Anleihensbedingungen
    • keinen unmittelbaren Einfluss auf die Eigenkapitalbasis.

Fehlende gesetzliche Grundlage

Das Gericht befasste sich auch mit der Frage nach der gesetzlichen Grundlage für die angeordnete Abschreibung:

  • Es hielt fest, dass ein schwerwiegender Eingriff in die Eigentumsrechte der Anleihensgläubiger vorlag, der nur auf einer klaren und formellen gesetzlichen Grundlage hätte abgestützt werden dürfen.
  • Eine solche Grundlage bestand jedoch nicht:
    • So beschlägt  26 BankG, der Schutzmassnahmen bei Insolvenzgefahr vorsieht,
      • einen anderen Gegenstand und
      • ist in jedem Fall im Sinne des Legalitätsprinzips zu unbestimmt,
        • um Rechte von Drittpersonen abzuschreiben.
  • Das Gleiche gilt auch für
    • 31 FINMAG und Art. 5a der Notverordnung des Bundesrates.
  • Da die Verfügung vom 19.03.2023 auf der Notverordnung basierte,
    • hat das BVGer diese vorfrageweise auch auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüft.
  • Die Bestimmung von  5a Notverordnungerwies sich dabei in mehrfacher Hinsicht als verfassungswidrig,weil sie namentlich verletzt:
    • Die Verfassungsvorgaben an das bundesrätliche Notverordnungsrecht(Art. 184 Abs. 3 bzw. Art. 185 Abs. 3 Bundesverfassung, BV),
    • die Anforderung an die Übertragung eines Enteignungsrechts(Art. 178 Abs. 3 BV) und
    • die Eigentumsgarantie(Art. 26 BV).

Der Entscheid

Dieser Entscheid kann beim Bundesgericht (BGer) angefochten werden.

Bundesverwaltungsgericht (BVGer)
Teilentscheid vom 01.10.2025
B-2334/2023

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

Bildquelle: Von Thomas Wolf, www.foto-tw.de – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de

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