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Rechtsgebiete / Bau- und Planungsrecht

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Unnötige Gesetzesänderung zur Mängelhaftung bei neuen Stockwerkeigentumswohnungen

Datum:
15.02.2016
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Bau- und Planungsrecht
Stichworte:
Stockwerkeigentum
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Parlamentarische Initiative Petra Gössi (14.453)

Petra Gössi (FDP) plant mit ihrer parlamentarischen Initiative eine Ergänzung der kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln für Stockwerkeigentumswohnungen (vgl. nachfolgende Box). Käufer neuer Stockwerkeigentumswohnungen sollen künftig vom Verkäufer zwingend die Beseitigung allfälliger Mängel verlangen können.

Die Ausgangslage ist, dass beim Erwerb von neuen Stockwerkeigentumswohnungen die Haftung des Verkäufers vertraglich wegbedungen und dafür die Mängelrechte gegenüber den am Bau Beteiligten dem StWE-Käufer abgetreten werden. Diese Abtretung der Mängelrechte ist in ihrer rechtlichen Zulässigkeit und Wirkung tatsächlich umstritten.

Zum Ersten beginnt das Übel dieser Freizeichnungs- bzw. Abtretungspraxis meistens damit, dass der Immobilienpromotor den Standardkaufvertrag mit dem freiberuflichen Notar oder auch mit dem Amtsnotariat abspricht und vorausgesetzt wird, dass sich alle Käufer diesem Standardtext unterwerfen. Durch ein solches Vorgehen entsteht eine parteiische Einseitigkeit beim Urkundsbeamten, die nicht tolerierbar ist. Frau P. Gössi müsste mit ihrem Anliegen hier ansetzen. Die Erfahrung in der Beratungspraxis zeigt aber, dass hartnäckige Käufer durchaus eine Neubaugewährleistung des Verkäufers aushandeln können. Die Parteiautonomie sollte hochgehalten werden und das Publikum in Fällen ohne Kontrahierungszwang nicht durch übermässigen Schutz noch mehr unvorsichtig gemacht werden. Dem Käufer obliegt die erforderliche Aufmerksamkeit und Vertretung der eigenen Interessen, ganz nach dem Motto „Kein Spieler schläft“.

Zum Zweiten stellt sich die Frage nicht nur bei Stockwerkeigentumswohnungen, sondern bei allen Neubauten, unabhängig von der Organisationsform (Alleineigentum, Gesamteigentum, selbständiges und dauerndes Baurecht usw.) und ungeachtet der Nutzungsart (auch bei Büro- oder Gewerbeimmobilien).

Zum Dritten greift die von Frau P. Gössi angedachte Partikulargesetzes-Novelle zu wenig weit und erscheint deshalb als partielles Flickwerk: Beim Stockwerkeigentum ist der Käufer nur für das in seinem Miteigentumsanteil repräsentiertes Sonderrecht (seine StWE-Wohnung, d.h. seine in sich geschlossenen Räume) alleinzuständig; die Mängelrechte für die gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen, an denen er über seinen Miteigentumsanteil mitberechtigt ist, stehen der Stockwerkeigentümergesamtheit zu und werden durch den StWE-Verwalter vertreten. Der geplante Gesetzesartikel gibt keinen Aufschluss darüber, ob der Miteigentumskäufer auch die Gewährleistungsrechte für Mängel der gemeinschaftlichen Liegenschaft einfordern kann und welche Rechte und Pflichten seine Mitstockwerkeigentümer diesfalls hätten. Prozessuale Weiterungen unter den Stockwerkeigentümern wie Streitverkündungen und Nebeninterventionen etc. würden folgen und das ohnehin oft angespannte Verhältnis unter den Stockwerkeigentümern trüben.

Zum Vierten fehlt oft die Unabhängigkeit des StWE-Verwalters: Der StWE-Verwalter wird vom Immobilienpromotoren bestimmt und anschliessend von den Stockwerkeigentümern bezahlt. Wem er sich verpflichtet fühlt, zeigt sich erst inmitten der Gewährleistungsfrist. Bis die Mehrheit der Stockwerkeigentümer einig sind und die bautechnischen und rechtlichen Massnahmen organisiert sind, ist die Gewährleistungsfrist oft abgelaufen oder die Verwirkung bevorstehend; daran würde der geplante Art. 219 Abs. 4 OR nichts ändern.

Zum Fünften liegt das Problem auch bei den Stockwerkeigentümern als Käufer selbst: Sie kaufen in einer Risikoaversion eine Stockwerkeigentumswohnung als gäbe es nie Baumängel und als würde man nachher alleinzuständig sein und nicht mit Mitstockwerkeigentümern gemeinschaftlich entscheiden müssen. Vielleicht würden hier präventive Informationen von Banken, Hauseigentümerverbänden usw. für’s Erste ausreichen. Auch eine Belehrungspflicht des Urkundsbeamten wie beim Grundsteuerpfandrecht oder bei Bauhandwerkerpfandrechten könnte ebenso ausreichend sein.

Zum Sechsten verunsichert der vorgeschlagene Wortlaut mehr als er klärt und gaukelt den StWE-Käufern eine vermeintliche Sicherheit vor; es ist zu erwarten, dass jeder Verkäufer „übermässige Kosten“ der Mängelbehebung geltend machen wird; ein Zivilprozess dürfte insofern oft vorprogrammiert sein. Ob die 60-tägige Mängelanzeigefrist, für den Fall, dass Mängel der gemeinschaftlichen Liegenschaft durch Art. 219 Abs. 4 miterfasst werden sollen, ausreichend ist, muss bezweifelt werden.

Grundsätzlich wären die Ursachen und nicht die Symptome zu bekämpfen.

Es wäre naheliegender, die Bauwirtschaft zu einer mängelfreieren Bauproduktion zu zwingen, zum Beispiel durch Umkehr der Beweislast, falls ein Werkunternehmer nicht reagiert, und Weiteres.

Es erstaunt, dass die Kommission für Rechtsfragen NR (RK-NR) mit 19 zu 1 Stimmen bei 3 Enthaltungen im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens der Initiative Folge gegeben hat.

14.453 – Parlamentarische Initiative

Für verbindliche Haftungsregeln beim Kauf neuer Wohnungen

von Petra Gössi vom 25.04.2014

Das Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) wird wie folgt geändert:

Art. 219

Abs. 4

Beim Verkauf eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück mit einer Baute, die weniger als ein Jahr vor dem Verkauf überwiegend neu erstellt wurde, hat der Käufer bei Mängeln der Baute auch das unabdingbare Recht, vom Verkäufer die unentgeltliche Beseitigung der Mängel zu verlangen, sofern dies dem Verkäufer nicht übermässige Kosten verursacht. Mängel sind dem Verkäufer innert 60 Tagen nach der Entdeckung anzuzeigen.

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