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Anwälte / Mediatoren / Strafprozessrecht

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Interessenkonflikte im Strafverfahren

Datum:
06.11.2020
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Stichworte:
amtlicher Verteidiger
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

StPO 127 Abs. 3 / BGFA 12 lit. c – Keine Mehrfachverteidigungen

Einleitung

In letzter Zeit werden Interessenkollisionen in Strafverfahren öfter thematisiert und sind auch vermehrt Streitgegenstand vor Gericht.

Fokus Strafprozessrecht

Gemäss StPO 127 Abs. 3 (siehe Box unten) kann der Rechtsbeistand bzw. Verteidiger im Rahmen von Gesetz und Standesregeln im gleichen Strafverfahren die Interessen mehrerer Verfahrensbeteiligten vertreten.

Als Schranke für die Mehrparteienvertretung gilt insbesondere BGFA 12 lit. c (siehe Box unten).

Fokus Anwaltsrecht

Nach BGFA 12 lit. c haben Rechtsanwälte jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen, zu vermeiden.

Problemlose Situationen

Unproblematisch erscheint die Vertretung mehrerer Privatkläger durch den gleichen Rechtsanwalt bei gleich gearteten Vermögensdelikten.

Problematische Situationen

Ein Interessenkonflikt kann auch entstehen, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass Kenntnisse und das Wissen aus einem früheren Mandatsverhältnis verwendet werden könnten:

Die Unvereinbarkeitsgrundsätze sind auch für Anwälte in der gleichen Kanzlei bzw. bei einem Kanzleiwechsel massgebend:

Keine Mehrfachverteidigungen

Abgesehen von speziellen Ausnahmen dürfen Anwälte keine Mehrfachverteidigungen übernehmen.

Mehrfachverteidigungen sind selbst dann unzulässig, wenn die Mandanten zustimmen:

Interessenkonflikt-Folgen

Tritt der Interessenkonflikt ein, muss der Rechtsanwalt nicht nur das Mandat in dem die Interessenkollision festgestellt wird, niederlegen, sondern bei Mehrfachvertretung bzw. Mehrfachverteidigung alle Mandate.

Fazit

Der vorsichtige Strafverteidiger wird vor Mandatsannahme die Frage eines allfälligen Interessenkonflikts genau prüfen.

Andernfalls läuft er das Risiko einer Niederlegung aller Mandate der Mehrfachvertretung, verursacht den betroffenen Mandaten Umtriebe und setzt sich möglicherweise bei einer Vorhersehbarkeit der Gefahr von Schadenersatzforderungen aus.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

Art. 127 StPO

1 Die beschuldigte Person, die Privatklägerschaft und die anderen Verfahrensbeteiligten können zur Wahrung ihrer Interessen einen Rechtsbeistand bestellen.

2 Die Parteien können zwei oder mehrere Personen als Rechtsbeistand beiziehen, soweit dadurch das Verfahren nicht ungebührlich verzögert wird. In diesem Fall haben sie eine von ihnen als Hauptvertreterin oder Hauptvertreter zu bezeichnen, die oder der zu den Vertretungshandlungen vor den Strafbehörden befugt ist und deren oder dessen Domizil als einzige Zustelladresse gilt.

3 Der Rechtsbeistand kann in den Schranken von Gesetz und Standesregeln im gleichen Verfahren die Interessen mehrerer Verfahrensbeteiligter wahren.

4 Die Parteien können jede handlungsfähige, gut beleumundete und vertrauenswürdige Person als Rechtsbeistand bestellen; vorbehalten bleiben die Beschränkungen des Anwaltsrechts.

5 Die Verteidigung der beschuldigten Person ist Anwältinnen und Anwälten vorbehalten, die nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 20001 berechtigt sind, Parteien vor Gerichtsbehörden zu vertreten; vorbehalten bleiben abweichende Bestimmungen der Kantone für die Verteidigung im Übertretungsstrafverfahren.

Art. 12 BGFA   Berufsregeln

Für Anwältinnen und Anwälte gelten folgende Berufsregeln:

a.     Sie üben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft aus.

b.     Sie üben ihren Beruf unabhängig, in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung aus.

c.     Sie meiden jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen.

d.     Sie können Werbung machen, solange diese objektiv bleibt und solange sie dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht.

e.     Sie dürfen vor Beendigung eines Rechtsstreits mit der Klientin oder dem Klienten keine Vereinbarung über die Beteiligung am Prozessgewinn als Ersatz für das Honorar abschliessen; sie dürfen sich auch nicht dazu verpflichten, im Falle eines ungünstigen Abschlusses des Verfahrens auf das Honorar zu verzichten.

f.      Sie haben eine Berufshaftpflichtversicherung nach Massgabe der Art und des Umfangs der Risiken, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind, abzuschliessen; die Versicherungssumme muss mindestens eine Million Franken pro Jahr betragen; anstelle der Haftpflichtversicherung können andere, gleichwertige Sicherheiten erbracht werden.

g.     Sie sind verpflichtet, in dem Kanton, in dessen Register sie eingetragen sind, amtliche Pflichtverteidigungen und im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen.

h.     Sie bewahren die ihnen anvertrauten Vermögenswerte getrennt von ihrem eigenen Vermögen auf.

i.       Sie klären ihre Klientschaft bei Übernahme des Mandates über die Grundsätze ihrer Rechnungsstellung auf und informieren sie periodisch oder auf Verlangen über die Höhe des geschuldeten Honorars.

j.       Sie teilen der Aufsichtsbehörde jede Änderung der sie betreffenden Daten im Register mit.

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