Die Ansprüche aus einer vereinbarten Betriebsordnung, soweit sie das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen, sind relativ zwingend, d.h.
- Abweichungen zugunsten des Arbeitnehmers sind in den unter OR 362 Abs. 1 aufgezählten Fällen nicht zulässig
- Abweichungen zuungunsten des Arbeitnehmers sind im Übrigen nichtig (vgl. OR 362 Abs. 2)
Das Verhältnis von Betriebsordnung (BO) zu den anderen arbeitsrechtlichen Titeln (Einzelarbeitsvertrag, Gesamtarbeitsvertrag (GAV) und Normalarbeitsvertrag (NAV) wird in Lehre und Rechtsprechung wie folgt beurteilt:
- BO c. Einzelarbeitsvertrag
- Massgeblichkeit der BO, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger ist als die Bedingungen im Einzelarbeitsvertrag (Günstigkeitsprinzip), soweit es sich um „andere Bestimmungen“ im Sinne von ArG 38 Abs. 2 in einer vereinbarten Betriebsordnung handelt (VISCHER FRANK, a.a.O., N 11 zu ArG 39)
- BO c. GAV
- Kein Vorrang der BO vor dem GAV, selbst dann nicht, wenn die Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist (vgl. OR 360, ArG 38 Abs. 2 und 3; vgl. VISCHER FRANK, ArG-Kommentar, a.a.O., N 59 ff. zu ArG 38; BGer in JAR 1998 S. 282)
- BO c. Normalarbeitsvertrag (NAV)
- Massgeblichkeit der BO, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger ist als die Bedingungen im Normalarbeitsvertrag (NAV) (Günstigkeitsprinzip) (umstritten > Aktualität zur gegebenen Zeit auf Aktualität hin prüfen)
Gesetzestexte
Art. 39 ArG
Kontrolle, Wirkungen
1 Die Betriebsordnung ist der kantonalen Behörde zuzustellen; stellt diese fest, dass Bestimmungen der Betriebsordnung mit den Vorschriften dieses Gesetzes nicht übereinstimmen, so ist das Verfahren gemäss Artikel 51 durchzuführen.
2 Nach der Bekanntgabe im Betrieb ist die Betriebsordnung für den Arbeitgeber und für die Arbeitnehmer verbindlich.
Art. 51 ArG
Vorkehren bei Nichtbefolgung von Vorschriften oder Verfügungen
1 Werden Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung oder wird eine Verfügung nicht befolgt, so macht die kantonale Behörde, das Eidgenössische Arbeitsinspektorat oder der Arbeitsärztliche Dienst den Fehlbaren darauf aufmerksam und verlangt die Einhaltung der nicht befolgten Vorschrift oder Verfügung.
2 Leistet der Fehlbare dem Verlangen keine Folge, so erlässt die kantonale Behörde eine entsprechende Verfügung, verbunden mit der Strafandrohung des Artikels 292 des Strafgesetzbuches1.
3 Wird durch einen Verstoss im Sinne von Absatz 1 zugleich ein Gesamtarbeitsvertrag verletzt, so kann die kantonale Behörde in geeigneter Weise auf die Massnahmen der Vertragsparteien zur Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages Rücksicht nehmen.
Literatur
- STREIFF ULLIN / VON KAENEL ADRIAN / RUDOLPH ROGER, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, 7. Auflage, Zürich 2012, N 5 ff. zu OR 361
- PORTMANN WOLFGANG, Kommentar zu den Art. 319 – 362 OR, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Honsell Heinrich / Vogt Peter Nedim / Wiegand Wolfgang (Hrsg.), 5. Auflage, Basel 2011, N 3 zu OR 361
- VISCHER FRANK, Kommentar ArG zu ArG 37 – 39, in: Geiser Thomas / von Kaenel Adrian / Wyler Rémy (Hrsg.): Arbeitsgesetz, Handkommentar, Bern 2005, N 11 zu ArG 39 + N 59 ff. zu ArG 38
Judikatur
- OGer ZH, in: JAR 1990 S. 400
- BGer in JAR 1998 S. 282)