Privatanleger sollen nach Ansicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA und des Bundesrates besser geschützt werden. Der Bundesrat hat das Eidg. Finanzdepartement mit der Ausarbeitung der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen beauftragt.
Nach der Finanzkrise, durch die auch viele Schweizer Anleger Geld verloren haben (wie z.B. beim Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers), hat die Finma festgestellt, dass der Anlegerschutz in der Schweiz ungenügend sei. Privatkunden seien oft nur unzureichend über die Risiken informiert. Ende Februar 2012 hat die Finma daher ein Massnahmenpaket vorgeschlagen, das in erster Linie durch klare Verhaltensregeln für Anbieter von Finanzdienstleistungen sowie einer verbesserten Produktdokumentation den Kundenschutz stärken soll. Die insgesamt 18 Massnahmen gehen auf auf die Anhörung zum Diskussionspapier aus dem Jahr 2010 zurück, in welcher sich laut Finma viele Teilnehmer für regulatorische Anpassungen zum Anlegerschutz ausgesprochen haben.
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Finma-Direktor Patrick Raaflaub sagte gegenüber den Medien, die Schweiz drohe im Vergleich zu Europa zum «Kundenschutz-Entwicklungsland» zu werden: Es bestehe die Gefahr, dass die Schweiz vermehrt dubiose Finanzdienstleister anziehe, da diese vor der strengeren Regulierung der EU in die Schweiz abwandern würden. Dies würde dem Ruf der Schweiz als Finanzplatz schaden.
Das Massnahmenpaket fordert für die Kundenberatung von Finanzdienstleistern wie Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter neue, einheitliche Regeln. Ziel ist es, die Kunden besser über die Risiken und Kosten von Finanzprodukten aufzuklären. Die Finma schreibt: «Im Vordergrund steht dabei die Pflicht, alle Kunden über den Inhalt einer Dienstleistung und die Eigenschaften von Finanzprodukten aufzuklären und sie vor den Risiken zu warnen. Kunden sollen künftig Klarheit über alle mit einer Dienstleistung oder dem Kauf eines Produktes verbundenen Kosten haben.»
Dazu soll den Kunden unter anderem eine vollständige und gut verständliche Dokumentation des jeweiligen Produktes zur Verfügung gestellt werden – gerade Anbieter von standardisierten Produkten wie Aktien oder Obligationen sollen verpflichtet werden, Prospekte zu erstellen, welche den Kunden transparent über die mit dem Produkt verbundenen Risiken informiert.
Um die verschiedenen vorgeschlagenen Massnahmen auch umsetzen zu können, möchte die Finma ihre Aufsichtskompetenz ausdehnen: «So sollen Vermögensverwalter ihre weit reichenden Entscheidkompetenzen über die Anlage von Kundenvermögen in Zukunft nur mit einer Bewilligung der FINMA ausüben dürfen. Weiter sollen alle Kundenberater ihre Kenntnisse der geltenden Verhaltensregeln und ihr Fachwissen mit einer obligatorischen Prüfung und periodischen Weiterbildung nachweisen».
Die Schweizerische Bankiervereinigung kritisiert die von der Finma veröffentlichen Vorschläge: «Der grösste Teil der Anregungen aus dem Anhörungsprozess wurde nicht aufgenommen. Das Positionspapier ist dadurch sehr praxisfern und in weiten Teilen weniger differenzierend als der ursprüngliche Vertriebsbericht.» Weiter schreibt sie in einer Medienmitteilung: «Das Positionspapier geht über weite Strecken von unmündigen und unwissenden Kunden aus und verkennt ihre Eigenverantwortung.»
Der Schweizerische Versicherungsverband bezeichnet das Massnahmenpaket in Bezug auf die Versicherungen alsüberflüssiger «Schuss ins Leere». Der SVV schreibt, die Schweizer Privatversicherer würden die Information und den Kundenschutz sehr ernst nehmen; daher bestünde im Versicherungssektor kein zusätzlicher Handlungsbedarf: «Das vorgeschlagene Finanzdienstleistungsgesetz unter Einbezug von Versicherungsprodukten zielt ins Leere: Die Assekuranz verfügt schon heute über zahlreiche Konsumentenschutzbestimmungen, die in den einschlägigen versicherungsspezifischen Bundesgesetzen (Versicherungsvertragsgesetz VVG, Versicherungsaufsichtsgesetz VAG) geregelt sind.» Ausserdem sei angesichts der Vielfalt der Finanzprodukte für Privatkunden eine sektorenübergreifende gesetzliche Regelung kein geeignetes Instrument, um den Kundenschutz zu verbessern.
Die Stiftung für Konsumentenschutz dagegen begrüsst die vorgeschlagenen Massnahmen grundsätzlich. Sie weisst jedoch auf weitere problematische Punkte bezüglich Anlegerschutz hin, die mit dem Massnahmenpaket der Finma nicht gelöst wären: So fordert die SKS zusätzlich eine konkrete Protokollpflicht der Beratungsgespräche, wie sie in Deutschland gilt – diese soll den Anlegern dazu dienen, allfällige Beratungsfehler vor Gericht beweisen zu können. Weiter kritisiert die SKS, dass die Finma zwar feststelle, dass eine klare Regelung von Retrozessionen und Finder’s Fees (Entschädigungen an die Verkäufer von Finanzprodukten von Dritten) fehlen, jedoch keine Massnahmen vorschlage, dies zu beheben. Zudem werde die Rechtsdurchsetzung für Privatkunden mit den vorgeschlagenen Massnahmen nicht verbessert, obwohl dieser Punkt im Diskussionspapier von 2010 aufgeführt war.
Auch der Bundesrat hat sich für einheitliche Regeln beim Vertrieb von Finanzprodukten ausgesprochen: Am 28. März 2012 hat er das Eidg. Finanzdepartement beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen zu erarbeiten, welche den Kundenschutz im Finanzmarktrecht verbessern sollten. Das EFD soll in Zusammenarbeit mit dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement und der Finma den Handlungsbedarf prüfen und einen Vernehmlassungsentwurf ausarbeiten.
Linktipp
Finma Medienmitteilung vom 24.02.2012 | finma.ch
Finma-Positionspapier Vertriebsregeln | finma.ch
Finma-Vertriebsbericht 2010 (Diskussionspapier Vertriebsregeln) | finma.ch
Stellungnahme Schweizerische Bankiervereinigung | swissbanking.org
Stellungnahme Schweizerischer Versicherungsverband | svv.ch
Stellungnahme Stiftung für Konsumentenschutz | konsumentenschutz.ch