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Haftung des unentgeltlichen Rechtsbeistands

Datum:
15.03.2017
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Keine Haftung des Kantons

Sachverhalt

Das Bundesgericht hatte sich mit der Haftung eines amtlich bestellten unentgeltlichen Rechtsbeistands zu befassen.

Die Beschwerdeführerin A hatte ursprünglich Ansprüche auf Invaliditätsleistungen gegenüber der Vorsorgeeinrichtung C ihres letzten Arbeitgebers geltend gemacht. Nachdem die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistungspflicht ablehnte, rekurrierte sie gegen diesen Entscheid. Für dieses Rekursverfahren wurde ihr – vor Inkrafttreten des BGFA – in der Person des Beschwerdegegners B ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.

Nach rechtskräftiger Abweisung des Rekurses beantragte die Beschwerdeführerin IV-Leistungen bei der Vorsorgeeinrichtung D ihres früheren Arbeitgebers. Diese anerkannte zwar den Leistungsanspruch, machte aber die Verjährung geltend. Das Bundesgericht bestätigte die Verjährung und die Ablehnung des Leistungsanspruchs (BGE 9C_94/2012 vom 04.07.2012).

Die Beschwerdeführerin A klagte daraufhin gegen den Beschwerdegegner B als ihren früheren unentgeltlichen Rechtsbeistand auf Schadenersatz; er habe sie nicht über ihre IV-Leistungsansprüche gegenüber der Vorsorgeeinrichtung D informiert und nicht die notwendigen Verjährungsunterbrechungshandlungen unternommen.

Das erstinstanzliche Gericht verneinte unter anderem die Passivlegitimation des Beschwerdegegners B und wies die Klage ab. Als Begründung führte es an, dass der Beschwerdegegner B in seiner Funktion als unentgeltlicher Rechtsbeistand nicht zu Schadenersatz verpflichtet werden könne. Für seine Handlungen müsse der Kanton Waadt einstehen. Das zweitinstanzliche Gericht bestätigte die erstinstanzlichen Erwägungen und qualifizierte den unentgeltlichen Rechtsbeistand als öffentlichen Beamten im Sinne von OR 61 Abs. 1, weshalb für dessen Handlungen ausschliesslich der Staat nach dessen Haftungsgesetz in Anspruch genommen werden müsse.

Erwägungen

Auch wenn ein als unentgeltlicher Rechtsvertreter bestellter Rechtsanwalt eine staatliche Aufgabe übernehme und mit dem Staat in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis stehe, bedeute dies nicht, so das Bundesgericht, dass auch das Rechtsverhältnis zu der von ihm vertretenen Person öffentlich-rechtlicher Natur sei; im Gegenteil: Er hafte gegenüber ihr aus Privatrecht.

Nach den Ausführungen des Bundesgerichts könnten die Kantone nicht gestützt auf OR 61 Abs. 1 von der privatrechtlichen Haftung abweichen und für einen amtlichen bestellten Rechtsbeistand eine Kantonshaftung vorsehen. Der unentgeltliche Rechtsvertreter übe durch seine unabhängige Interessenwahrung in einem Verfahren vor den Justizbehörden eine anwaltliche Tätigkeit aus. Der amtlich bestellte unentgeltliche Rechtsvertreter befinde sich bei der Mandatsausübung nicht in einem Subordinationsverhältnis zum Staat.

Der Anwalt übe seinen Beruf unabhängig, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung bzw. auf eigene Verantwortung aus. Dies gelte uneingeschränkt auch für Anwälte, wenn sie die Rechtsvertretung als unentgeltlicher Rechtsbeistand übernähmen. Die in BGFA 12 abschliessend aufgezählten Berufsregeln würden es verhindern, dass die Kantone eine Haftung der unentgeltlichen Rechtsvertreter wegen Schlechterfüllung ihrer Funktion gesetzlich ausschliessen könnten; gleiches wurde auch für die Zeit vor Inkrafttreten des BGFA angenommen.

Die kantonalen Gerichte hatten die Passivlegitimation des Beschwerdegegners B zu Unrecht verneint. Das Bundesgericht hob deshalb das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück.

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