Mit Initial Coin Offerings (ICOs) steht eine neue Methode zur Finanzaufnahme für Start-Ups im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dieser Artikel soll einen Überblick zur Blockchain basierten Technologie bieten und Fragen zur Anwendbarkeit des schweizerischen Finanzmarktrechts klären.
Einleitung
Am 22. Dezember 2017 machte ein Schweizer Start-Up namens Singularity Net Furore, indem es eine erfolgreiche ICO vermeldete, bei der innerhalb von nur 66 Sekunden 36 Millionen Dollar Kapital generiert wurden. Das Unternehmen, welches einen virtuellen Marktplatz für KI-Technologien etablieren möchte, ist dabei nur eines von hunderten, welche im Jahr 2017 frisches Kapital über den Verkauf von Blockchain basierten Token aufnahm: Laut einem Ranking des Online-Magazins Business Insider generierten Unternehmen letztes Jahr rund 3.5 Milliarden Dollar durch den Verkauf von ICO-Token.
Die Mechanik von ICOs
ICOs können in einer Vielzahl von Varianten ausgestaltet sein und sich in ihrer Funktionsweise stark unterscheiden. Allen Initial Coin Offerings gemeinsam ist jedoch, dass sogenannte Blockchain basierte Token veräussert werden, mit dem Ziel, neues Kapital aufzunehmen. Das Bestreben der Kapitalaufnahme durch ICOs erklärt denn auch die begriffliche Verwandtheit mit dem traditionellen Initial Public Offering (IPO), also dem Börsengang, welcher meist ebenfalls angestrebt wird, um einem Unternehmen neues Kapital zuzuführen.
Sowohl der Erstverkauf der Token, als auch jede weitere Transaktion ebendieser virtuellen Entitäten werden in einer auf kryptographischen Technologien basierenden Blockchain festgehalten, wobei dies effizient verhindert, dass Token unberechtigt vermehrt, oder mehrfach transferiert werden können. Gleichzeitig ermöglicht die Blockchain, dass die Eigentumsverhältnisse an Token möglichst einfach an Dritte übertragbar sind.
Dabei unterscheiden sich insbesondere die Berechtigungen stark, welche der Finanzgeber mit dem Erwerb eines solchen ICO-Token erhält. Bei einigen ICOs liegt der Anreiz für Käufer von Token darin, dass sie privilegierten Zugang zu den Dienstleistungen des kapitalaufnehmenden Unternehmens erhalten. Im Falle von Technologie-Unternehmen sind dies z.B. oft entfallende Abo-Kosten, oder aber auch Erstzugang zu angebotenen Blockchain-Technologien etc. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob der Zugang zu einer bereits bestehenden Technologie oder Dienstleistung gewährt wird, oder ob der Token, wie im Falle von Vorfinanzierungen, Zugang zu einer Technologie oder Dienstleistung gewährt, die erst noch entwickelt werden muss. Solche Token können lapidar als virtuelle Coupons bezeichnet werden, welchen die Eigenschaft inhärent ist, dass sie gegen physische oder andere virtuelle Währungen an Dritte weiterverkauft werden können.
Andere ICO-Token erinnern in ihrer Berechtigung hingegen eher an Aktien, Obligationen oder derivative Finanzinstrumente: Der Kauf eines solchen Token verspricht den Finanzgebern Anteile an zukünftigen Unternehmenserträgen, oder künftigen Kapitalflüssen.
Da Unternehmen in der Ausgestaltung ihres ICOs frei sind, fällt eine trennscharfe Kategorisierung schwer und es ist oft nicht klar, welche Gesetze und Regulatorien (insbesondere im Bereich des Finanzmarktrechts) zur Anwendung kommen. Aus diesem Grund hat die schweizerische Finanzmarktaufsichtsbehörde FINMA am 16.2.2018 eine Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings publiziert, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.
Anwendbarkeit von Finanzmarktrecht bei ICOs
Um der Frage nachzugehen, welche ICOs dem schweizerischen Finanzmarktrecht unterstehen resp. Effekten (= Wertpapiere, Wertrechte, Derivate und Bucheffekten, welche vereinheitlicht zum massenweisen Handel [entsprechend mehr als 20 Anleger eines nicht geschlossenen Anlegerkreises] geeignet sind) darstellen, hat die FINMA eine Kategorisierung der ICOs vorgenommen, die auf dem wirtschaftlichen Zweck der zu verkaufenden Token basiert. Die sich gegenseitig nicht ausschliessenden Kategorien sind die folgenden:
Zahlungs-Token
Unter diese Kategorie fallen Token, welche tatsächlich, oder nach Absicht des ICO-Organisators, als Zahlungsmittel verwendet werden. Dies sind z.B. reine Krypto-Währungen, wie Bitcoin, oder Ether.
Nutzungs-Token
Die FINMA bezeichnet Token dann als Nutzungs-Token, wenn sie den Käufer zum privilegierten Zugang zu einer Dienstleistung oder Technologie ermächtigen.
Anlage-Token
Anlage-Token repräsentieren Vermögenswerte und erfüllen somit einen ähnlichen Zweck, wie Aktien, Obligationen oder derivative Finanzinstrumente. Ebenfalls können unter die Kategorie der Anlage-Token diejenigen fallen, die physische Wertgegenstände auf einer Blockchain handelbar machen.
Wie bereits erwähnt schliessen sich die drei Kategorien nicht aus, wodurch Mischformen möglich sind – sogenannte hybride Token.
ICO-Token als Effekte?
Kommt die FINMA zum Schluss, dass Token einer ICO unter die Effekten fallen, so kommen die Rechtsfolgen aus dem schweizerischen Finanzmarktrecht zum Zuge. Aus diesem Grund wird entlang der oben gezeigten Token-Kategorien geklärt, ob diese zu den Effekten zählen, oder nicht.
Zahlungs-Token
Die Lehrmeinung zur Effektenqualität von Zahlungs-Token divergiert. Teilweise wird die Meinung vertreten, dass alle Token Wertrechte darstellen und somit Effekten darstellen. Die FINMA hingegen vertritt die Ansicht, dass Zahlungs-Token, wenn sie als Zahlungsmittel konzipiert sind und der wirtschaftlichen Funktion nach keine Analogie zu traditionellen Effekten aufweisen auch nicht als solche zu behandeln sind. Dies ist konsistent mit der bisherigen Praxis der FINMA betreffend Bitcoin und Ether.
Nutzungs-Token
Da bei Nutzungs-Token meist der typische Kapitalmarktbezug fehlt, werden sie oft nicht als Effekten behandelt. Dies, wenn Nutzungs-Token ausschliesslich einen Anspruch auf Zugang zu einer Dienstleistung oder Nutzung ermöglichen.
In Fällen hybrider Token, bei denen ganz oder teilweise die wirtschaftliche Funktion als Anlage besteht, behandelt die FINMA diese als Effekten.
Anlage-Token
Anlage-Token werden von der FINMA als Effekten eingestuft und ebenso behandelt. Auch Vorfinanzierungen und Vorverkäufe, die lediglich Ansprüche auf den Erhalt von Token garantieren, generieren Wertrechte, die von der FINMA als Effekten angesehen werden.
Anwendbarkeit des Geldwäschereigesetzes (GwG)
Grundsätzlich untersteht der ICO-Organisator als Herausgeber von transaktionsfähigen Token dem Geldwäschereigesetz (GwG). Denn jeder Akteur, der Dienstleistungen im Zahlungsverkehr erbringt und Zahlungsmittel ausgibt, gilt als Finanzintermediär und ist somit dem GwG unterstellt.
Rechtsfolgen der GwG-Unterstellung sind verschiedene Sorgfaltspflichten und die Pflicht, sich einer Selbstregulierungsorganisation anzuschliessen, oder sich direkt der FINMA zwecks GwG-Aufsicht zu unterstellen.
Wenn Nutzungs-Token in erster Linie den Zugang zu einer Blockchain ermöglichen sollen, welche für Zwecke ausserhalb des Finanzbereichs geschaffen wird, kann im Einzelfall eine Unterstellungspflicht unter das GwG ausser Betracht fallen.
Schema: Kategorisierung von ICOs
Vorfinanzierung und Vorverkauf / Der Token besteht noch nicht, aber ein handelbarer Anspruch auf Übertragung des Token | Der Token besteht | |
ICOs von Zahlungs-Token | gleich Effekten
kein Zahlungsmittel gemäss GwG |
keine Effekten
gleich Zahlungsmittel gemäss GwG |
ICOs von Nutzungs-Token | keine Effekten, falls ausschliesslich
Nutzungsfunktion
gleich Effekten, falls zusätzlich Investitionsfunktion
kein Zahlungsmittel gemäss GwG, falls akzessorisch |
|
ICOs von Anlage-Token | gleich Effekten
kein Zahlungsmittel gemäss GwG |
Eigene Darstellung, Quelle: Eidg. Finanzmarktaufsicht FINMA / „Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs)“, Ausgabe vom 16. Februar 2018
Mögliche Schnittstellen mit anderen Gesetzen
Ein ICO kann allfällig mit einer gesetzlich regulierten Tätigkeit als Derivathaus (= Schaffung von Derivaten und öffentliches Angebot auf dem Primärmarkt), als Emissionshaus (Paketweise Übernahme und Platzierung von Anlage-Token) oder als Bank (Schaffung von Anlage-Token mit Einlagen-Charakter) einhergehen, womit die einschlägigen Sonderbestimmungen anwendbar werden. Dasselbe gilt auch für eine allfällig vorhanden Prospektpflicht nach Obligationenrecht etc.
Anforderungen an Unterstellungsanfragen an die FINMA
Unterstellungsanfragen können direkt an die FINMA gerichtet werden. Die Bearbeitung von Unterstellungsanfragen ist kostenpflichtig. Damit die FINMA derartige Anfragen effizient bearbeiten kann, ist unter FINMA publiziert Wegleitung zu ICOs | finma.ch das Dokument Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings abrufbar, in welchem die Mindestangaben betreffend des zu prüfenden Projekts ausgewiesen werden.
Weiterführende Informationen
- ICT-Law
- Crowdlending: Kredite ohne Banken – Für KMUs und Start-ups
- FINMA publiziert Wegleitung zu ICOs | finma.ch
- Finanzierung auf der Blockchain: Millionen in Minuten | srf.ch
- ICO erklärt: Das steckt hinter dem Finanzierungsmodell der Blockchain-Szene | t3n.de
- Die Schweiz entwickelt sich zum ICO-Hub | netzwoche.ch
- Schweizer Krypto-Firma holt 36 Millionen Dollar in einer Minute | finews.ch