Schenk Sebastian Impulse zur praxisorientierten Rechtswissenschaft, 19 Zürich 2017 Erhältlich in: Schulthess Buchshop |
Buchart
Buch (Kartoniert, Paperback)
Inhalt / Rezension
Der Autor befasst sich in seiner Masterarbeit mit einem Spezialthema im zivilprozessualen Beweisrecht, mit der sog. „antizipierten Beweiswürdigung“ oder auch „vorweggenommenen Beweiswürdigung“.
Die antizipierte Beweiswürdigung hat – trotz Normierungsentwurf (Art. 147 Abs. 2 VE-ZPO) – in der am 01.01.2011 in Kraft getretenen Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) keinen Eingang gefunden. In der Botschaft des Bundesrates zur ZPO wurde ausgeführt, dass die „antizipierte Beweiswürdigung“ dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäss ZPO 157 inhärent sei. Das Bundesgericht geht in seiner Rechtsprechung von der Zulässigkeit der „antizipierten Beweiswürdigung“ aus. Die Lehre bleibt in dieser Frage gespalten. Die erwähnten Ungereimtheiten im Gesetzgebungsprozess befeuern den herrschenden Lehrstreit, so der Autor.
Als Kernpunkte der „vorweggenommenen Beweiswürdigung“ gelten:
- Würdigung der Beweismittel vor ihrer Abnahme
- Hypothetisches Beweisergebnis
- Nichtabnahme gewisser, von den Parteien angebotener Beweismittel durch das Gericht
- Negative Prognose vor Abnahme der angebotenen Beweismittel
- Nichtabnahme bestimmter Beweismittel verkürzt Beweiswürdigungsbasis.
Die „antizipierte Beweiswürdigung“ steht stets in einem Spannungsverhältnis zum Recht auf Beweis.
Der Autor beleuchtet unter Einbezug der aktuellsten Literatur und Rechtsprechung in umfassender Weise die verschiedenen Aspekte der „antizipierten Beweiswürdigung“:
- Begriffliche Einordnung
- Überblick über die Arten des Rechtsinstituts
- Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Grundlagen
- Erscheinungsformen der vorweggenommenen Beweiswürdigung
- Gesetzliche antizipierte Beweiswürdigung
- Richterlich antizipierte Beweiswürdigung
- Echte antizipierte Beweiswürdigung
- Unechte antizipierte Beweiswürdigung
- Beantwortung der Zulässigkeitsfrage
- Grundsatz
- Rechtsprechung
- Darstellung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
- Darstellung der kantonalen Rechtsprechung
- EMRK
- Lehrmeinungen
- Darstellung der einzelnen Lehrmeinungen
- Stellungnahme des Autors
- Beweisverfügung
- Rechtsschutz auf kantonaler und eidgenössischer Ebene
- Alternativen zur vorweggenommenen Beweiswürdigung
- Treu und Glauben
- Kostenverteilung
- Weitere Alternativen
- Praxisrelevanz
Der Autor stellt stets Pro und Kontra gegenüber und kommt zu Recht zum Schluss, dass die Alternativen unbefriedigend sind. Der Autor nimmt sodann in zutreffender Weise eine starke Verbreitung des Problems im Prozessalltag an.
In praktischer Hinsicht ist jedoch zu bemerken, dass prozessführende Anwälte sich nicht mit dem Grundsatzproblem abfinden und es nicht bei der negativen Beweismittelwürdigung vor ihrer Abnahme durch das Gericht bewenden lassen, sondern das Recht zur jederzeitigen Prozesseingabe nutzen und versuchen das Gericht zu motivieren, vorschnell unberücksichtigte Beweismittel doch abzunehmen.
Fokus
Dogmatisch auf das zivilprozessuale Beweisrecht ausgerichtetes Werk, welches sich des im Prozessalltag unterschätzten, aber für den Prozesserfolg wesentlichen Problems der „antizipierten Beweiswürdigung“ annimmt.
Bewertung
Gute theoretische Aufarbeitung eines beweisrechtlichen Sonderproblems.