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Stockwerkeigentum: Störungen durch gemeinschaftliche Teile / Wer ist einzuklagen?

Datum:
25.09.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Sachenrecht / Immobiliarsachenrecht
Stichworte:
Immobilien, Stockwerkeigentum, Stockwerkeigentümergemeinschaft
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZGB 712l Abs. 2 – Actio negatoria

Einleitung

Stockwerkeigentümer rügten, dass Leute von einer Gebäudeunterhaltsbrücke aus in ihre Wohnungen Einblick nehmen könnten, wenn die Brücke für Unterhaltsarbeiten am Gebäude begangen werden müsse. – Eine schwierige Ausgangslage und eine noch schwierigere Einordnungsfrage.

Sachverhalt

Parteien

Verfahrensbeteiligte

A.A.________ und B.A.________,

Beschwerdeführer,

gegen

  1. H.________ AG,
  2. Stockwerkeigentümergemeinschaft C.________,

Beschwerdegegnerinnen,

D.D.________ und E.D.________,

Nebenintervenienten im kantonalen Verfahren

Streitsache

Das Flachdach der in Stockwerkeigentum aufgeteilten Wohnliegenschaft (…) wird durch die Oberlichter der Stockwerkeinheiten zweigeteilt:

  • Westseite des Daches
    • Erreichbarkeit vom Haus über einen Treppenaufgang
  • Ostseite des Daches
    • Dieser Dachteil ist mit der Westseite durch eine Brücke verbunden, die über die Oberlichter der darunterliegenden Einheiten führt und den Zugang zu sogenannten Technikzylindern ermöglicht
  • Brücke
    • Brückenerrichtung
      • im Herbst 2013
    • Brückenstandort
      • anfänglich über der Einheit 5.0
      • Versetzung am 17.03.2014 (…) über die Einheit 1.1, deren Eigentümer gegen die Versetzung keine Einwände erhoben hatten

An einer ausserordentlichen Stockwerkeigentümerversammlung vom 09.02.2015 wurde entschieden, die Brücke am jetzigen Standort zu belassen.

Dieser Beschluss wurde angefochten und bildete Gegenstand des beim Bezirksgericht hängigen Verfahrens.

A.A. und B.A. sind Eigentümer der Einheit 2.2, deren mittels Oberlicht erhelltes Atrium schräg unter der neu positionierten Brücke liegt.

Prozess-History

  • Massnahmeverfahren
    • 04.2014
      • Massnahmegesuch gegenüber der G. AG und der Stockwerkeigentümergemeinschaft X. auf Rückplatzierung der Brücke an ihren ursprünglichen Ort
    • 09.2014
      • Gutheissung durch das Bezirksgericht
    • 01.2015
      • Abweisung durch das Obergericht des Kantons Zürich am 22. Januar 2015
    • 04.2015
      • Abweisung der Beschwerde durch das Bundesgericht mit Urteil 5A_126/2015, soweit es darauf eintrat
  • Hauptprozess
    • 10.2014
      • Einleitung des Hauptprozesses gegen die H. AG und die Stockwerkeigentümergemeinschaft X.
    • 10.2016
      • Abweisung der Klage auf Rückversetzung der Brücke an den ursprünglichen Ort durch das Bezirksgericht
    • 03.2017
      • Abweisung der Berufung durch das Obergericht des Kantons Zürich, soweit es darauf eintrat.

Erwägungen

Das Bundesgericht hat folgende Kernpunkte mit entsprechenden Erwägungen konstatiert:

  • Störereigenschaft und Passivlegitimation des Störers (Erw. 4.1)
    • Aktivlegitimiert zur Einklagung eines Anspruches sei dessen Träger
    • Passivlegitimiert sei der diesbezüglich Verpflichtete
    • Die actio negatoria sowie Abwehransprüche aus dem Nachbarrecht und aus dem Besitzesschutz würden sich grundsätzlich gegen den Störer richten:
      • Verhaltensstörer sei, wer durch sein eigenes Verhalten oder durch das Verhalten Dritter, für die er einstehen müsse, den Besitz oder das Eigentum eines anderen unmittelbar störe oder gefährde
      • Zustandsstörer sei, wer die tatsächliche oder rechtliche Herrschaft über die Sache habe, welche den Besitz oder das Eigentum eines anderen unmittelbar störe oder gefährde; dies sei primär der Eigentümer des Grundstücks, von welchem die Störung ausgehe
  • Umfang der Passivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft (Erw. 4.3)
    • Zu prüfen war daher die Passivlegitimation der ebenfalls eingeklagten Stockwerkeigentümergemeinschaft, was nachfolgend geschieht
  • Verselbständigung der Stockwerkeigentümergemeinschaft und Abgrenzung zur Gesamtheit der Stockwerkeigentümer als Miteigentümer (Erw. 4.3.3)
    • Abgrenzung
      • Beim Stockwerkeigentum ist zu unterscheiden zwischen der
        • Gesamtheit der Stockwerkeigentümer als Miteigentümer des Grundstücks
        • Stockwerkeigentümergemeinschaft als Verwaltungsgemeinschaft
    • Stockwerkeigentümer
      • Diese bilden in den sie betreffenden Angelegenheiten eine Streitgenossenschaft, und zwar in jenen Bereichen des Eigentums, über welche nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, auf der Aktiv- wie auch auf der Passivseite eine notwendige Streitgenossenschaft
    • Stockwerkeigentümergemeinschaft
      • Die Stockwerkeigentümergemeinschaft ist zur gemeinschaftlichen Verwaltung des Stockwerkeigentums berufen und wird aus dem Kreis der jeweiligen, durch das Grundbuch ausgewiesenen Stockwerkeigentümer gebildet; diese Rechtsgemeinschaft ist von Gesetzes wegen zivilrechtlich und in noch grösserem Mass prozessual dahingehend verselbständigt, dass sie zur Erfüllung der betreffenden Aufgaben über ein (im Miteigentum aller Stockwerkeigentümer stehendes) Sondervermögen verfügt und ihr die Handlungsfähigkeit sowie im Verfahren die Partei- und Prozessfähigkeit zukommt, indem sie im Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit in eigenem Namen klagen und beklagt werden kann
    • Tendenzen in der neueren Lehre
      • Nach jüngerer Lehre soll auch ein Stockwerkeigentümer die Gemeinschaft ins Recht fassen können, wenn sie im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit das Eigentumsrecht im Sinn des Sonderrechts des Einzelnen widerrechtlich verletzt oder übermässig auf dessen Einheit einwirkt
    • Abgrenzung in concreto
      • Auf die Frage, wie es sich im internen Verhältnis zwischen dem einzelnen Stockwerkeigentümer und der Stockwerkeigentümergemeinschaft verhält, wird im Folgenden einzugehen sein
  • Interne und externe Angelegenheiten der Stockwerkeigentümer (Erw. 4.3.4)
    • Dritte
      • Dritte sind in keiner Weise in die Stockwerkeigentümergemeinschaft eingebunden und haben keine Mitwirkungsrechte
    • Interne
      • Intern wirken die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Stockwerkeigentümer einerseits und der Stockwerkeigentümergemeinschaft andererseits über die Stockwerkeigentümergemeinschaft, mit der Folge, dass ein Stockwerkeigentümer in einer Sache zuerst einen Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft erwirken muss, damit er ihn nachher anfechten kann
  • Beschlusskompetenzen und Beschlussfassung der Stockwerkeigentümerversammlung (Erw. 4.3.5)
    • Vorliegend hat die Stockwerkeigentümergemeinschaft im Zuge der Auseinandersetzung denn auch Beschluss über die Position der Brücke gefasst und die Beschwerdeführer haben diesen angefochten (Verfahrensstand unbekannt)
  • Anfechtungsklage gegen die Stockwerkeigentümergemeinschaft und Klage gegen die Gesamtheit der Stockwerkeigentümer (Erw. 4.3.6)
    • Die Beschwerdeführer und Stockwerkeigentümer verlangen die Verschiebung der Brücke von der Stockwerkeigentümergemeinschaft, nachdem diese Brücke von anderen Stockwerkeigentümern verschoben worden ist:
      • Die Brücke ist für den Gebäudeunterhalt notwendig und damit ein gemeinsamer Bauteil
      • Eine allgemeine Handlungspflicht der Stockwerkeigentümergemeinschaft zur Verschiebung der Brücke an den ursprünglichen Standort ist nicht ersichtlich, denn es geht um die Wahrung von Partikulär-Interessen
    • Ein Stockwerkeigentümer könnte dann gegen die anderen Stockwerkeigentümer vorgehen, wenn diese eine Störung verursachen und wenn die Stockwerkeigentümergemeinschaft ihrer Pflicht zur Beseitigung dieser Störung nicht nachkommt.

Quintessenz:

Zusammenfassend ergab sich, dass die eingeklagten Beschwerdegegner nicht passivlegitimiert waren und die Beschwerde im Ergebnis abzuweisen war, soweit auf sie eingetreten werden konnte.

Entscheid

  • Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden konnte
  • Auferlegung der Gerichtskosten von CHF 5’000.— an die Beschwerdeführer
  • Entschädigung der Beschwerdegegner mit CHF 6’000.– und der Nebenintervenienten mit CHF 3’000.– für das bundesgerichtliche Verfahren, durch die Beschwerdeführer, unter solidarischer Haftbarkeit
  • Mitteilungen

Quelle

BGE 5A_340/2017 vom 11.12.2018 = BGE 145 III 121 ff.

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