Vergewaltigungsversuch in der Behindertentoilette?
Einleitung
Es geht im konkreten Fall um den bestrittenen Vorwurf eines Vergewaltigungsversuchs, der im Rahmen einer Firmen-Weihnachtsfeier erfolgt sein soll.
Sachverhalt
An einer Unternehmens-Weihnachtsfeier trafen sich nach dem Kennenlernen an der Bar eine Mitarbeiterin (32) mit einem Arbeitskollegen (38) in einer Behindertentoilette, wo es zu Intimitäten gekommen sein soll.
Von den beiden Kontrahenten, beides französische Staatsangehörige, wurde der Ablauf der Geschehnisse an der Weihnachtsfeier vor Gericht sehr unterschiedlich dargestellt:
- Sie spricht von einem Vergewaltigungsversuch.
- Er macht einvernehmliche Handlungen geltend.
Es blieb Aussage gegen Aussage.
Der Anzeigeerstatterin gelang es nicht die anklagende Staatsanwältin vom Vergewaltigungsversuch zu überzeugen, weshalb diese nach dem Prinzip „in dubio pro duriore“ (lat. „Im Zweifel für das Härtere“) ihre Anklage erhoben habe.
Beantragt waren:
- Eine bedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten wegen versuchter Vergewaltigung.
- 5 Jahre Landesverweis.
Gemäss der Staatsanwältin habe sich die Anzeigeerstatterin in gravierende Widersprüche in ihren Aussagen verwickelt:
- Verneinung des Vergewaltigungsversuchs bei der Polizei
- Geltendmachung des Vergewaltigungsversuchs bei der Staatsanwaltschaft.
Die Anzeigeerstatterin konnte sich mit zunehmender Verfahrensdauer immer genauer erinnern. Ihre Aussagen hatte die Privatklägerin in Sitzungen mit ihrer zwischenzeitlich zugezogenen Psychologin „erarbeitet“.
Erwägungen
Das Gericht kam zum Schluss, dass sich der Sachverhalt nicht zweifelsfrei erstellen lasse. Die Privatklägerin habe widersprüchlich und vage ausgesagt. Es lasse sich nicht erklären, weshalb sie mit dem Beschuldigten zur Toilette gegangen sei, wenn sie sich schon vorher unwohl gefühlt habe.
Ebenso zweifelte das Gericht die angebliche „Szene mitten auf der Treppe mit heruntergelassener Hose“ an.
Das Gericht folgte offenbar dem Grundsatz „in dubio pro reo“ (lat. „Im Zweifel für den Angeklagten“), wonach ein Angeklagter nicht verurteilt werden darf, wenn dem Gericht Zweifel an seiner Schuld verbleiben, zu folgen.
Entscheid
- Vollumfänglicher Freispruch des verzeigten Arbeitskollegen.
- Zusprechung einer Genugtuung von CHF 4‘000 an den Arbeitskollegen.
Schlusswort des Gerichts
Das Gericht meinte, „es könne durchaus sein, dass die Frau mit ihrer Psychologin nachträglich eine Erklärung für das ihr selber unerklärliche Verhalten gesucht habe“.
Mehr
Interessierte können weitere Informationen zu den Abläufen jenen Abends und zur Verhandlung, zu der unter Ausschluss der Öffentlichkeit nur akkreditierte Gerichtsberichterstatter unter Auflagen zugelassen waren, nachlesen unter: Vergewaltigungsversuch an Firmen-Weihnachtsfeier? | nzz.ch
Quelle
Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 18.10.2019, S. 19 /
Urteil DG190227 vom 17.10.2019