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Gesellschaftsrecht / Internet / Markenrecht / Personenrecht

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MERCK vs. MERCK / Markennutzung im Internet: Inlandbezug zur Schweiz und Geoblocking bzw. Geotargeting

Datum:
28.10.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Gesellschaftsrecht, Internet, Markenrecht, Personenrecht
Stichworte:
Markenrecht, Markenschutz
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

MSchG 13, OR 956 Abs. 2, ZGB 29 Abs. 2 und UWG 3 Abs. 1 lit. d

Sachverhalt

Die Merck KGaA (Sitz in Deutschland) verfolgt als Unternehmenszweck die Herstellung und den Vertrieb von Arzneimitteln, in der Schweiz insb. über ihre Tochtergesellschaft, die Merck (Schweiz) AG, in Zug (zusammen: Beschwerdeführerinnen).

Ferner ist die Merck KGaA Inhaberin der IR-Marken «E. Merck» und «Merck» in mehreren Klassen.

Die Beschwerdegegnerinnen, die Merck & Co. Inc. (Sitz in den USA) und ihre Tochtergesellschaften in der Schweiz sind Domain-Owner neben «merck.com» über mehrere Internetpräsenzen mit den Bestandteilen «merck» und «.com», die alle in der Schweiz abrufbar sind.

In dieser Situation sahen die Beschwerdeführerinnen eine Kennzeichenverletzung und verlangten vor dem Handelsgericht Zürich (HGZ) die Einschränkung der Abrufbarkeit der Internetseiten in der Schweiz mittels Geoblocking bzw. Geotargeting.

Die Vorgeschichte der Streitigkeit reicht weit zurück. Beide Seiten haben ihren Ursprung in derselben Familienunternehmung. Die 1668 in Darmstadt, Deutschland, gegründete Vorgängerin der Klägerin 1 expandierte Ende des 19. Jahrhunderts in die USA und gründete dort 1890 als US-Zweigniederlassung die Beklagte 2, die damals Merck & Co. hiess. Während des Ersten Weltkriegs beschloss die US-Regierung den Trading with the Enemy Act, auf dessen Grundlage die Familie Merck 1918 ihrer Anteile an der Beklagen 2 enteignet wurde. 1919 erwarb der inzwischen US-Staatsbürger gewordene George W. Merck die Anteile von der US-Regierung zurück.

Seit Ende des Ersten Weltkrieges existieren zwei unabhängige Pharmaunternehmen, die beide in den Firmenbezeichnungen ihrer Gesellschaften das Zeichen «Merck» führen. Die mit zunehmender Internationalisierung entstandenen Abgrenzungsprobleme lösten die Parteien während langer Zeit einvernehmlich und vertraglich in dem Sinne, dass die beklagtische Gruppe ausserhalb der USA und von Kanada – also auch in der Schweiz – nicht unter dem Zeichen «Merck» auftrat und umgekehrt die klägerischen Gesellschaften dies in den USA und Kanada nicht taten (Vereinbarung von 1932, Consent Degree von 1945, Vereinbarungen von 1955, 1970 und 1975). (Vgl. lit. A.c.)

Prozess-History

  • Das HGZ wies die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerinnen weitgehend ab, da sich die Internetpräsenzen der Beschwerdegegnerinnen nicht an Schweizer Nutzer richten und deshalb keinen genügenden Bezug zur Schweiz aufweisen würden
    • Es stellten die Internetpräsenzen erst gar keine Kennzeichennutzung in der Schweiz dar
  • Gegen den Entscheid des HGZ erhoben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht (BGer).

Erwägungen

Die technischen Optionen, mittels sog. Geoblocking- bzw. Geotargeting-Massnahmen die Abrufbarkeit einer Internetseite territorial zu beschränken, sei bei der markenrechtlichen Beurteilung des ausreichenden wirtschaftlichen Inlandbezugs mit einzubeziehen.

Das Bundesgericht legte seinen Erwägungen eine aktuelle Auslegungsmethode zugrunde und berücksichtigte die technischen Fortschritte im Bereich des Geoblocking bzw. Geotargeting seit der „Joint Recommendation 2001“:

  • Im Bereiche des Internets habe ein technologischer Wandel stattgefunden
  • Mittlerweile bestünden sog. Geoblocking- bzw. Geotargeting-Möglichkeiten, mit denen Internetnutzern in verschiedenen geographischen Gebieten unterschiedliche Inhalte zur Verfügung gestellt würden
  • Bei der Geolokalisation handle es sich um eine Standardtechnik, mit welcher gezielt Internet-Nutzern aus einem bestimmten Land den Zugang zu einer Website zu verweigern.

Die Möglichkeit, den Abruf von Internetseiten territorial zu beschränken, könne auch bei der Beurteilung der Voraussetzung des hinreichenden wirtschaftlichen Inlandbezugs («commercial effect») nicht unbeachtet bleiben:

  • Damit erscheine die – ursprünglich unausweichliche – Diskrepanz zwischen der globalen Verfügbarkeit von Internetseiten und territorial beschränkten Kennzeichenrechten in einem anderen Licht
  • Entgegen der in der Beschwerdeantwort vertretenen Ansicht gehe es dabei nicht um die Tatfrage, ob die zu beurteilende Internetpräsenz im Schutzland überhaupt abgerufen werden könne, zumal ein Eingriff in nationale Schutzrechte durch Verwendung des Internets aufgrund des Territorialitätsprinzips selbstredend die Abrufbarkeit der beanstandeten Internetpräsenz in diesem Gebiet voraussetze

Vielmehr gehe es um die Rechtsfrage des hinreichenden wirtschaftlichen Inlandbezugs als Voraussetzung einer allfälligen Kennzeichenverletzung über das Internet im Hinblick auf einen wertenden Ausgleich zwischen global verfügbarem Internet und territorial beschränkten Schutzrechten.

Die technische Möglichkeit einer geographischen Einschränkung der Abrufbarkeit von Inhalten erweitere nicht nur den Kreis denkbarer Sanktionen bei festgestellten Verletzungen, sondern es sei ihr bereits bei der gebotenen Interessenabwägung im Rahmen der Feststellung des «commercial effect» Rechnung zu tragen.

Entscheid

  1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, Dispositiv-Ziffern 2-6 des Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Mai 2019 werden aufgehoben und die Sache wird zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 32’000.– werden den Beschwerdegegnerinnen (unter solidarischer Haftbarkeit und intern je zu einem Fünftel) auferlegt.
  3. Die Beschwerdegegnerinnen haben die Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren (unter solidarischer Haftbarkeit und intern je zu einem Fünftel) mit insgesamt Fr. 37’000.– zu entschädigen.
  4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Handelsgericht des Kantons Zürich und dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) schriftlich mitgeteilt.

Quelle

BGer 4A_339/2019 vom 29.04.2019

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