Das Bundesgericht (BGer) hiess die Beschwerde eines Apothekers aus dem Kanton Aargau im Zusammenhang mit der Regelung des Notfalldienstes gut.
Der Apotheker kann nicht dazu verpflichtet werden, sich entweder finanziell an der zentralen Notfallapotheke im Kantonsspital Aarau zu beteiligen oder dann eine Ersatzabgabe zu zahlen.
Die fragliche Regelung ist mit Blick auf mehrere Grundrechte sowie auf die bundesrechtliche Norm zur «Mitwirkung in Notfalldiensten» von Apothekern nicht zulässig.
Sachverhalt
Der Aargauische Apothekerverband erliess 2015 ein Reglement über den Apotheken-Notfalldienst:
- Jede Apotheke wurde einer Notfalldienstregion zugewiesen
- Für die Notfalldienstregionen Aarau, Lenzburg sowie Suhren- und unteres Wynental gründeten die betroffenen Apotheken die «Apotheke im Spital Aarau AG» (AISA AG)
- Seit dem 01.07.2017 betreibt die AISA AG eine Apotheke auf dem Areal des Kantonsspitals Aarau, welche den Notfallkunden das ganze Jahr rund um die Uhr zur Verfügung steht
- 2016 und 2017 wurde der Besitzer einer Apotheke in der Notfallregion Aarau vom Apothekerverband aufgefordert,
- entweder sich an der AISA AG zu beteiligen (einmaliger Aktienerwerb für CHF 11’000 und Gewährung eines Aktionärsdarlehens von CHF 20’000)
- oder sich vom Notfalldienst dispensieren zu lassen und eine Ersatzabgabe zu bezahlen
- Nachdem der Apotheker darauf nicht eingegangen war, auferlegte ihm der Apothekerverband eine Ersatzabgabe von 5’000 Franken für das zweite Halbjahr 2017.
Prozess-History
- Abweisung der Beschwerde des Apothekers durch den Regierungsrat;
- Abweisung der Beschwerde des Apothekers durch das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau.
Erwägungen des Bundesgerichtes
Gemäss Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (MedBG) werden u.a. Apotheker nach Massgabe der kantonalen Vorschriften in Notfalldiensten mitwirken:
- Das Gesundheitsgesetz des Kantons Aargau sieht Notfalldienst für Apotheker vor und überlässt dem Apothekerverband dessen Organisation
- Das Notfalldienstreglement des Apothekerverbandes enthält die Möglichkeit einer eingeschränkten Wahl zwischen
- der Beteiligung an einer zentralen Notfallapotheke oder
- der Bezahlung einer Ersatzabgabe.
Gemäss BGer stehe dieses System zunächst im Widerspruch
- zu der in der Bundesverfassung verankerten Vereinigungsfreiheit und
- zur Wirtschaftsfreiheit.
Eine Zwangsmitgliedschaft in einer AG könne nicht als zielführend zur Regelung eines Notfalldienstes erachtet werden:
- Ein solches System
- sei mit Blick auf die Wirtschaftsfreiheit unverhältnismässig;
- müsste angesichts der Grundrechtseinschränkungen ohnehin in einem formellen Gesetz geregelt werden;
- könne nicht auf Stufe eines Reglements normiert werden;
- verstosse gegen übergeordnetes Recht.
Eine Auslegung hätte zudem ergeben, dass es hinsichtlich der Bestimmung zum Notfalldienst im MedBG nicht zulässig sei, die persönliche Leistung von Notfalldiensten durch rein finanzielle Verpflichtungen zu ersetzen.
Entscheid des Bundesgerichts
Das BGer hiess die Beschwerde des Apothekers an seiner öffentlichen Beratung vom vergangenen Freitag gut.
Urteil des Bundesgerichts vom 27.08.2021 (2C_595/2020)
Quelle
LawMedia Redaktionsteam