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Exequatur Schweiz / Gerichte

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Oberrichter: Anschein einer Befangenheit gegeben

Datum:
16.08.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Exequatur Schweiz
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

BV 30 Abs. 1

Gemäss BV 30 Abs. 1 hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf, dass ihre Streitsache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Gericht beurteilt wird.

Dabei gelten folgende Kautelen:

  • Garantie, dass keine sachfremden Umstände, die ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken
  • Ermöglichung eines korrekten und fairen Prozesses und einer Verfahrensoffenheit für ein gerechtes Urteil
  • Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Gerichts, wenn  bei objektiver BetrachtungGegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder  die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen
    • Annahme einer Voreingenommenheit und Befangenheit in diesem Sinne, wenn im Einzelfall anhand aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände Gegebenheiten aufscheinen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken:
      • Nicht das subjektive Empfinden einer Partei ist massgebend, sondern ein in  objektiverWeise begründetes Misstrauen in die Unvoreingenommenheit
      • Es genügen Umstände, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit hervorrufen
    • Für die Ablehnung wird nicht vorausgesetzt, dass der Richter tatsächlich befangen ist.

Der Thurgauer Oberrichter C.________ war während des Scheidungsverfahrens, welches Gegenstand des zu revidierenden Entscheids war, zumindest vorübergehend als Anwalt der Beschwerdeführerin tätig.

Einerseits bestand ein Sachzusammenhang zwischen dem anwaltlichen Mandat und dem zu beurteilenden Streitgegenstand und andererseits lag die anwaltliche Tätigkeit zeitlich nicht derart weit zurück, dass sie bei objektiver Betrachtung keine Rolle spielen würde.

Mithin liegen Umstände vor, die den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit hervorrufen.

Die Beschwerde erwies sich daher als begründet.

Der Entscheid war allein aus diesem Grund aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Quelle

BGer 5A_237/2020 vom 03.07.2021

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