ZPO 68 Abs. 2 lit. d / BGFA
Sachverhalt
A.________ wird vorgeworfen, am 26.07.2018 beim Friedensrichter und in der Folge beim Bezirksgericht Bülach als Vertreter von B.B.________ aufgetreten zu sein bzw. am 12.09.2018 eine Klage in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit namens und im Auftrag von B.B.________ beim Bezirksgericht Bülach erhoben und sich dabei als ihr unentgeltlicher Vertreter bezeichnet zu haben.
Dabei war er nicht (mehr) Inhaber des kantonalen Anwaltspatents und auch nicht in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen.
Prozess-History
- Das Obergericht des Kantons Zürich (OGZ) sprach A.________ am 25.08.2020 zweitinstanzlich der vorsätzlichen Übertretung des Anwaltsgesetzes des Kantons Zürich schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von CHF 600.00.
- ________ erhob dagegen Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht (BGer), mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und ihn vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Anwaltsgesetz freizusprechen resp. ihm eine Entschädigung sowie eine Genugtuung für das kantonale Verfahren zuzusprechen.
Erwägungen des Bundesgerichts
Gemäss ZPO 68 Abs. 2 lit. d sind vor den Miet- und Arbeitsgerichten beruflich qualifizierte Vertreter zur berufsmässigen Vertretung befugt, soweit das kantonale Recht dies vorsieht. Die Bestimmung enthält einen echten Vorbehalt zugunsten der Kantone.
Den Kantonen steht es daher frei, ob sie Vertretungen im Sinne von ZPO 68 Abs. 2 lit. d zulassen wollen.
Aufgrund von § 11 Abs. 2 lit. a AnwG/ZH sind im Kanton Zürich in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von Fr. 30’000.– Vertretungen durch beruflich qualifizierte Vertreter zugelassen.
In beiden erwähnten Bestimmungen wird nicht konkretisiert, was unter beruflich qualifizierten Vertretern zu verstehen ist.
Allerdings führt der Kanton Zürich seine gemäss dem früheren, unterdessen aber aufgehobenen § 12 Abs. 1 lit. a AnwG/ZH (Fassung in Kraft bis 01.01.2011) geltende Praxis weiter:
- Zulassung lediglich von Angestellten der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisationen, der eine Partei angehört;
- Keine Anhaltspunkte, weshalb die Weiterführung der bisherigen Praxis im Rahmen der Anwendung des kantonalen Rechts unhaltbar sein soll (auch keine Vorbringen des Beschwerdeführers);
- Gleiche Meinung der herrschenden Lehre.
Dem Beschwerdeführer gelang es nicht, aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt haben könnte. Weiter ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die einschlägige kantonale Norm gänzlich sachwidrig angewendet worden wäre.
Auch der Vorwurf der Verletzung der Wirtschaftsfreiheit half dem Beschwerdeführer nicht weiter:
- Grundsatzkonforme Beschränkung;
- Hinreichend konkrete gesetzliche Grundlage;
- Beschränkung der Vertretungsmöglichkeit im öffentlichen Interesse;
- Qualitätssicherung der Vertretung zum Schutz der vertretenen Parteien;
- Verhältnismässige Beschränkung, zumal damit kein Berufsausübungsverbot bewirkt wird.
Entscheid
Bestätigung der Verurteilung.
Quelle
BGer 6B_1167/2020 vom 03.12.2020
Art. 68 ZPO Vertragliche Vertretung
1 Jede prozessfähige Partei kann sich im Prozess vertreten lassen.
2 Zur berufsmässigen Vertretung sind befugt:
-
- in allen Verfahren: Anwältinnen und Anwälte, die nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200029berechtigt sind, Parteien vor schweizerischen Gerichten zu vertreten;
- vor der Schlichtungsbehörde, in vermögensrechtlichen Streitigkeiten des vereinfachten Verfahrens sowie in den Angelegenheiten des summarischen Verfahrens: patentierte Sachwalterinnen und Sachwalter sowie Rechtsagentinnen und Rechtsagenten, soweit das kantonale Recht es vorsieht;
- in den Angelegenheiten des summarischen Verfahrens nach Artikel 251 dieses Gesetzes: gewerbsmässige Vertreterinnen und Vertreter nach Artikel 27 SchKG30;
- vor den Miet- und Arbeitsgerichten beruflich qualifizierte Vertreterinnen und Vertreter, soweit das kantonale Recht es vorsieht.
3 Die Vertreterin oder der Vertreter hat sich durch eine Vollmacht auszuweisen.
4 Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer vertretenen Partei anordnen.
29 SR 935.61
30 SR 281.1
Anwaltsmonopol
§ 11
1. Den Anwältinnen und Anwälten, die im kantonalen Anwaltsregister eingetragen sind oder Freizügigkeit nach dem BGFA geniessen, sind folgende Tätigkeiten vorbehalten:
- die Verteidigung und die berufsmässige Vertretung der Privatklägerschaft oder anderer Verfahrensbeteiligter im Strafprozess vor den Strafbehörden,
- die berufsmässige Vertretung im Zivilprozess vor den Schlichtungsbehörden und den Gerichten.
2. Zur Tätigkeit im Bereich des Anwaltsmonopols sind auch berechtigt:
- Vertreterinnen und Vertreter im Sinne von Art. 68 Abs. 2 lit. d ZPO vor den Miet- und Arbeitsgerichten bis zu einem Streitwert von Fr. 30 000,
- Vertreterinnen und Vertreter nach Art. 27 SchKG in Angelegenheiten des summarischen Verfahrens nach Art. 251 ZPO.
3. Vom Anwaltsmonopol ausgenommen ist die nicht berufsmässige Verteidigung im Übertretungsstrafverfahren.
Weiterführende Informationen
- 6B_1167/2020 | bger.ch
- Anwaltstätigkeit und Anwaltsmonopol | anwaelte.ch