Nachdem Italien das «Salvini-Dekret» rückgängig gemacht hat, kann die Schweiz im Rahmen der Dublin-Bestimmungen wieder Familien mit minderjährigen Kindern nach Italien überstellen.
Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) in einem Referenzurteil entschieden.
Einleitung
Ende 2018 trat in Italien das Gesetzesdekret 113/2018 über öffentliche Sicherheit und Einwanderung, besser bekannt als «Salvini-Dekret», in Kraft:
- Weitreichende Auswirkungen des Dekrets auf die Unterbringungssituation von Asylsuchenden in Italien.
- Unterbringung Dublin-Rückkehrender in Erstaufnahmezentren oder in temporären Einrichtungen, die oftmals überfüllt waren und den Bedürfnissen von besonders verletzlichen Asylsuchenden nicht gerecht werden, namentlich
- Familien mit Kindern oder
- Personen mit gravierenden Gesundheitsproblemen.
- Verwehrung des Zugangs zum Zweitaufnahmesystem (bessere Betreuung).
Dublin-Überstellungen vorübergehend eingeschränk
- Das BVGer hat Ende 2019 entschieden (Referenzurteil E-962/2019), dass für Familien und schwer erkrankte Asylsuchende Dublin-Überstellungen nach Italien nur zulässig seien, wenn
- die italienischen Behörden vorgängig individuelle Garantien abgäben für
- eine angemessene Betreuung und
- eine korrekte Unterbringung.
- die italienischen Behörden vorgängig individuelle Garantien abgäben für
Schutzbedürftige Personen geniessen wieder Priorität
Im Dezember 2020 hat Italien mit dem Gesetzesdekret 130/2020 die Bestimmungen des Salvini-Dekretes weitgehend rückgängig gemacht:
- Nach dem Anmeldeverfahren
- Überführung der Asylsuchenden ins Aufnahme- und Integrationssystem SAI (Sistema di accoglienza e integrazione), welches nunmehr wieder allen Asylsuchenden offensteht.
- Schutzbedürftige Personen,
- denen eine besondere Form der Unterstützung zugesichert wurde,
- geniessen bei der Überstellung von einem Erstaufnahmezentrum in das SAI Priorität.
SEM-Entscheid gestützt
- Das BVGer erwog daher, dass
- Italiens Anerkennung der Familieneinheit und die Zusicherung einer familiengerechten Unterbringung mit Blick auf die neue Gesetzeslage als hinreichende Zusicherungen im Sinne der Rechtsprechung des BVGer und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu werten seien;
- die Schweiz Familien mit minderjährigen Kindern wieder nach Italien überstellen dürfe;
- der Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM) gegenüber einer alleinerziehenden Mutter und deren Sohn, die am BVGer Beschwerde führten, rechtens sei.
Rechtskräftiges Urteil
Das BVGer-Urteil ist abschliessend und kann deshalb nicht beim Bundesgericht angefochten werden.
BVGer-Urteil F-6330/2020 vom 18.10.2021
Weiterführende Informationen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam