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Bevorschusste Unterhaltszahlungen: BGer ändert Rechtsprechung zur Passivlegitimation im Abänderungsprozess

Datum:
25.02.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Eherecht / Eheschliessung / Ehe
Stichworte:
Abänderungsprozess, Passivlegitimation, Unterhaltszahlungen
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZGB 289 Abs. 2

Das Bundesgericht (BGer) hat seine Rechtsprechung zur Passivlegitimation bei der Abänderung von Kindesunterhaltsbeiträgen, die durch das Gemeinwesen bevorschusst werden, geändert:

  • Bisher hatte der Unterhaltspflichtige, der seine Unterhaltsschuld herabsetzen oder aufheben lassen wollte, das Kind und das bevorschussende Gemeinwesen gemeinsam einzuklagen (vgl. BGE 143 III 177).
  • Neu muss das Gemeinwesen nicht mehr eingeklagt werden:
    • Die Abänderungsklage ist nur noch gegen das Kind alleine zu erheben.

Im Wesentlichen führte das BGer aus:

  • Das bevorschussende Gemeinwesen wirke bei der Unterhaltsfestsetzung nicht mit.
  • Es sei daher nicht ersichtlich, weshalb das bevorschussende Gemeinwesen bei einem Abänderungsprozess zwingend beteiligt sein müsse.
  • Ferner würde bei der Kindesunterhalts-Festsetzung nebst der Offizialmaxime auch die Untersuchungsmaxime angewandt.

Die neue Rechtsprechung hat auch Auswirkungen auf die Legitimation bei der erstmaligen Unterhaltsfestsetzung bei Kindern, die von der Sozialhilfe unterstützt werden:

    • Bisher war in der kantonalen Rechtsprechung umstritten,
      • ob das Kind in solchen Fällen alleine aktivlegitimiert ist oder,
      • ob es — vorbehältlich einer Rückzession — gemeinsam mit dem unterstützenden Gemeinwesen klagen muss.
      • Bisherige Praxis:
        • pro alleinige Aktivlegitimation des Kindes:
          • Kantonsgericht Luzern (vgl. LGVE 2020 II Nr. 9)
          • Obergericht Solothurn (vgl. ZKBER.2020.78, Erw. 3.3 f.)
          • Kantonsgericht Graubünden (vgl. ZF08 38, Erw. 2c)
      • contra alleinige Aktivlegitimation, vorbehältlich der Rückzession:
        • Obergericht Bern (vgl. ZK19 380, Erw. 15.5 — 15.8)
        • Obergericht Zürich (vgl. LZ150016,Erw. D.4.4).
  • Nach neuer Rechtsprechung verbleibt das Stammrecht des Unterhaltsanspruchs alleine beim Kind:
    • Das Kind ist beim Abänderungsprozess auch hinsichtlich Unterhaltsperioden, in denen die Unterhaltsforderungen zufolge Bevorschussung bereits auf das Gemeinwesen übergegangen sind, alleine passivlegitimiert.
    • Vice versa muss das Kind analog auch für die Unterhaltsfestsetzung in Perioden alleine aktivlegitimiert sein, in denen die Unterhaltsforderungen zufolge teilweiser oder vollständiger Unterstützung der Sozialhilfe auf das Gemeinwesen übergegangen sind.

Daraus ergibt sich, dass bei einer Unterhalts-Abänderungsklage, unabhängig davon, ob und ab wann die Unterhaltsbeiträge vom Gemeinwesen bevorschusst wurden, immer nur der Unterhaltsschuldner und das Kind sich als Prozessparteien gegenüberstehen.

BGer 5A_75/2020 vom 12.01.2022

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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