StPO 140 und StPO 141 Abs. 1
Ein Geständnis, welches im Rahmen einer verdeckten Ermittlung durch unzulässige Druckausübung auf die betroffene Person erlangt wurde, darf nicht für ihre Verurteilung verwendet werden.
- Dies ist Ausfluss des Rechts, sich nicht selber belasten zu müssen.
Das Bundesgericht (BGer) weist daher eine Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (OSTA ZH) ab.
Sachverhalt
Das Obergericht des Kantons Zürich (OGZ) hatte einen Mann (Beschuldigter) im September 2020 vom Vorwurf des Mordes an seiner Ehefrau freigesprochen:
- Das Opfer war 2009 vor der ehelichen Wohnung aus kurzer Distanz erschossen worden.
Das OGZ erachtete bei seinem Entscheid ein Geständnis des Beschuldigten für unverwertbar, das er 2015 im Rahmen einer verdeckten Ermittlung abgelegt hatte:
- Zunächst hatte ein verdeckter Ermittler zu dem Mann eine Freundschaft aufgebaut.
- In der Folge gelangte eine verdeckte Ermittlerin als Wahrsagerin dazu.
- Die Beiden sollen sich gezielt die Angst des Mannes vor übersinnlichen Mächten zu Nutze gemacht haben; dabei nutzten sie namentlich seinen Glauben an die Existenz eines bösen Geistes des Opfers.
- Die beiden verdeckten Ermittler boten dem Mann Schutz, wenn er reinen Tisch mache und sein Herz öffne.
- Der Betroffene legte schliesslich gegenüber dem «Freund» ein Geständnis ab.
Prozess-History
Die OSTA ZH gelangte gegen den Freispruch ans Bundesgericht.
Sie argumentierte im Wesentlichen,
- die verdeckte Ermittlung stelle keinen Verstoss gegen das Fairnessgebot dar;
- eine Überschreitung der Grenze des Zulässigen durch die Ermittler sei einzig bei der Strafzumessung zu berücksichtigen;
- das Geständnis an sich müsse verwertbar bleiben.
Erwägungen
Zur Ausgangslage:
- Zulässigkeit
- Der Einsatz verdeckter Ermittler zur Aufklärung einer bereits begangenen Straftat gelte laut BGer grundsätzlich als zulässig.
- Gewisses Mass an Täuschung möglich
- Bei einer verdeckten Ermittlung dürften auch Aussagen der Zielperson erlangt werden, mit denen sie sich selber belaste.
- Ein gewisses Mass an Täuschung sei Teil einer verdeckten Ermittlung und grundsätzlich rechtmässig.
- Aber keine Umgehung der Rechte auf Aussageverweigerung und Vorwurfbestreitung
- Das BGer hält aber klar fest, dass die verdeckte Ermittlung nicht zu einer Umgehung des Rechts auf Aussageverweigerung und auf Bestreitung der Vorwürfe führen dürfe, indem die betroffene Person zu entsprechenden Äusserungen genötigt werde.
Das OGZ ist davon ausgegangen, dass ein unzulässiger Druck ausgeübt wurde:
- Die Ermittler hätten insbesondere auf das Herbeiführen einer Situation hingearbeitet, in welcher dem Mann das Geständnis als einzige Möglichkeit erschienen sei, für sich und seine Kinder Schutz zu finden.
- Die Ermittler hätten den Mann unter massivem psychischem Druck zu einem Geständnis gedrängt, und zwar durch
- Ausnutzung seines Glaubens an übersinnliche Kräfte;
- das gezielte Schüren von Ängsten.
Die von der OSTA ZH dagegen erhobenen Einwände genügten laut BGer den Begründungsanforderungen nicht.
Das BGer teilte die Ansicht der OSTA ZH nicht und erwog folgendes:
- Missachtung der Fairness
- Das BGer sah im Vorgehen und Verhalten der OSTA ZH eine Verletzung des Farinessgebots
- Folgen
- Die Konsequenz der verbotenen Beweiserhebungsmethode sind laut BGer:
- Die Unverwertbarkeit des Geständnisses und
- nicht eine blosse Strafminderung
- Die Konsequenz der verbotenen Beweiserhebungsmethode sind laut BGer:
- Hoher Stellenwert des Rechts auf Schweigen etc.
- Ein hoher Stellenwert hätten laut BGer
- das Recht auf Schweigen und
- das Recht, sich nicht selber belasten zu müssen
- Diese beiden Rechte zählten zum Kern des Anspruchs auf ein faires Verfahren, wie es die Strafprozessordnung (StPO) an verschiedenen Stellen widerspiegle
- Ein hoher Stellenwert hätten laut BGer
- Gefahren von so herbeigeführten Geständnissen
- Laut BGer ist weiter zu bedenken, dass
- der Beweiswert solcher Geständnisse unter Umständen fraglich sei;
- je nach ausgeübtem Druck selbst Unschuldige dazu gebracht werden könnten, ein falsches Geständnis abzulegen.
- Laut BGer ist weiter zu bedenken, dass
Entscheid
Das BGer weist die Beschwerde der OSTA ZH ab.
BGer 6B_210/2021 vom 24.03.2021
Publiziert: 20.04.2022
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Quelle
LawMedia Redaktionsteam