KVG 25a Abs. 5 – Geografische Begrenzung unzulässig
Der Wohnsitzkanton ist grundsätzlich zuständig zur Festsetzung und Übernahme der Restfinanzierung der Pflegekosten beim Aufenthalt einer versicherten Person in einem ausserkantonalen Pflegeheim.
Das Bundesgericht (BGer) bestätigt den Entscheid des Kantonsgerichts Genf:
- Zur Festlegung der Höhe der Restfinanzierung wendet der Wohnsitzkanton grundsätzlich seine eigenen Regeln an.
- Er legt die von ihm zu tragende Restfinanzierung nach den Regeln des Sitzkantons des Pflegeheims fest, wenn
- bei der Aufnahme der versicherten Person im ausserkantonalen Pflegeheim kein Pflegeplatz in der Nähe ihres Wohnsitzes zur Verfügung gestellt werden konnte.
Sachverhalt
Eine betagte Person mit Wohnsitz im Kanton Genf trat am 10.07.2019 in ein Pflegeheim im Kanton Zürich ein.
In der Folge ersuchte sie das zuständige Departement des Kantons Genf um Übernahme der Restfinanzierung der Pflegekosten. – Dies wurde ihr mit der Begründung verweigert, dass der Kanton Genf die Restfinanzierung der Pflegekosten in einem ausserkantonalen Heim nur garantiere, wenn sich dieses in geografischer Nähe befinde; dieser Perimeter umfasse ausschliesslich die westschweizer Kantone mit Ausnahme des Kantons Wallis.
Prozess-History
Die Sozialversicherungsabteilung des Kantonsgerichts des Kantons Genf hiess die dagegen erhobene Beschwerde gut und anerkannte die Pflicht des Kantons Genf zur Übernahme der Restfinanzierung der Pflegekosten. Der Kanton Genf gelangte ans Bundesgericht, das die Beschwerde abweist und den Entscheid des Kantonsgerichts bestätigt.
Erwägungen
Das Verfahren betraf die Pflicht des Kantons Genf zur Übernahme der Restfinanzierung der Pflegekosten im Sinne von Artikel 25a Absatz 5 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG, in der seit dem 01.01.2019 geltenden Fassung).
Aus den Gesetzgebungsarbeiten ergibt sich, dass
- die Regelungen zur Bestimmung des Betrags der Restfinanzierung beim Aufenthalt in einem Pflegeheim ausserhalb des Wohnsitzkantons zu Diskussionen Anlass gaben;
- die Zuständigkeit des Wohnsitzkantons zur Festlegung und zur Übernahme der Restfinanzierungskosten nie umstritten war.
- bei einem Aufenthalt in einem Pflegeheim ausserhalb des Wohnsitzkantons dieser grundsätzlich seine eigenen Regeln zur Bestimmung der Höhe der Restfinanzierung anzuwenden habe.
- der Wohnsitzkanton demgegenüber die Restfinanzierung nach den Regeln des Standortkantons des Pflegeheims, wenn der versicherten Person bei der Aufnahme im ausserkantonalen Pflegeheim kein Platz in einer Pflegeeinrichtung nahe ihres Wohnsitzes angeboten werden könne.
Laut BGer kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass im Falle eines Aufenthalts in einem ausserkantonalen Pflegeheim der Wohnsitzkanton nicht zur Übernahme der Restfinanzierung der Pflegekosten verpflichtet wäre.
Wie das Kantonsgericht des Kantons Genf mithin zu Recht festgehalten hatte, ergibt sich eine solche Interpretation
- weder aus dem Wortlaut von Artikel 25a Absatz 5 KVG,
- noch aus dessen Zweck.
Mit der Norm sollte vielmehr sichergestellt werden, dass die Restkosten der Pflege, d.h. also die Gesamtheit der nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und von der versicherten Person selber getragenen Kosten, durch die öffentliche Hand übernommen werden, nämlich vom Kanton – oder falls von diesem so festgelegt – auch von den Gemeinden.
BGer 9C_460/2021 vom 01.04.2022 | bger.ch
Weiterführende Informationen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam