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Anwälte / Strafrecht

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Anwaltskritik im Internet: Keine Nötigung

Datum:
08.06.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Stichworte:
Kritik, Rezension
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

StGB 181

Sachverhalt

Am 27.10.2017 reichte Rechtsanwalt B.________ gegen A.________ Strafanzeige ein wegen Verleumdung, Erpressung, Nötigung und weiterer Delikte und konstituierte sich als Privatkläger.

Mit Strafbefehl vom 17.10.2018 verurteilte die Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern A.________ wegen Verleumdung und versuchter Nötigung zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 100.– sowie einer Busse von Fr. 1’200.–.

Dem Strafbefehl lag der nachfolgend dargestellte Sachverhalt zugrunde:

Im September 2017 hatte A.________ auf der Internetseite D.________ zur Anwaltskanzlei «E.________» folgende Rezension verfasst:

«Minus fünf Sternen. Sehr inkompetente Verhalten vom Chef persönlich. Hat Appellations-Termin verpasst und gibt die Schuld an Kunden zurück. Wann Er den Fehler bemerkte, schickt zuerst den Rechnung. Am Schluss hat man die Kosten im tausender Höhe und Betreubung auch in tausender Höhe… Ich werde alle davon warnen!!!» 

Nebst dem teilte A.________ dem Rechtsvertreter von B.________, Rechtsanwalt C.________, in einer E-Mail vom 17.10.2017 mit, dass sie bei einer Rückzahlung des Honorars bereit sei, über die Löschung der «unbequemen» Rezension zu reden.

Anlass für die Rezension und die E-Mail bildete der Umstand, dass A.________ in einem Zivilprozess von der Kanzlei «E.________», einer Kollektivgesellschaft, vertreten worden war und die verantwortlichen Rechtsvertreter, Rechtsanwalt F.________ und Rechtsanwalt Dr. iur. G.________, die Rechtsmittelfrist verpasst hatten. Von B.________ wurde sie nie vertreten und sie führte auch keine Korrespondenz mit ihm.

Prozess-History

  • Bezirksgericht Luzern

    • A.________ erhob gegen den Strafbefehl Einsprache.
    • Das Bezirksgericht Luzern sprach A.________ am 18.06.2019 von sämtlichen Vorwürfen frei.
  • Kantonsgericht Luzern

    • B.________ gelangte ans Kantonsgericht Luzern.
    • Das Kantonsgericht Luzern sprach A.________ der üblen Nachrede sowie der versuchten Nötigung schuldig und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 100.–, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
  • Bundesgericht

    • A.________ wandte sich mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht und beantragte, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und sie sei vollumfänglich freizusprechen.
    • Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen

Das Bundesgericht fasste seine einzelnen Erwägungen wie folgt zusammen (Erw. 2.4)

«Wie dem angefochtenen Urteil entnommen werden kann, verfasste die Beschwerdeführerin die D.________-Bewertung, weil sie mit den Leistungen und mit der Art und Weise, wie sie von der Anwaltskanzlei behandelt worden war, nicht zufrieden war. Im Zeitpunkt, als sie die streitige Mitteilung an den Rechtsvertreter des Beschwerdegegners 2 verfasste, existierte der «Nachteil», nämlich eine auf D.________ einsehbare negative Bewertung der Kanzlei, bereits. In ihrer E-Mail-Nachricht stellte die Beschwerdeführerin für den Fall, dass ihr das bezahlte Honorar zurückerstattet wird, ihre Gesprächsbereitschaft betreffend diese negative Bewertung in Aussicht. Daraus darf geschlossen werden, dass sie beabsichtigte, die Rezension andernfalls unverändert zu lassen, womit ihre Androhung in einem Unterlassen bestand. Inwiefern sich die Situation des Beschwerdegegners 2 durch diese Androhung weiter verschlechtern sollte, geht aus den vorinstanzlichen Ausführungen nicht hervor. Letztlich handelt es sich bei der Nachricht der Beschwerdeführerin um ein Angebot, um den bestehenden Konflikt zwischen einer Kundin und einem Unternehmen zu lösen. Die Kanzlei oder allenfalls der Beschwerdegegner 2 als deren Vertreter waren frei, dieses Angebot anzunehmen oder nicht, ohne im Falle einer Ablehnung eine Verschlechterung der bestehenden Lage befürchten zu müssen. Folglich fehlt es an einem ernstlichen Nachteil, wie ihn der Tatbestand von Art. 181 StGB verlangt. Auf alle Fälle kann nicht gesagt werden, die Beschwerdeführerin – die nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz subjektiv von ihrem Forderungsanspruch gegenüber der Kanzlei überzeugt war – habe die E-Mail-Nachricht mit dem (Eventual-) Vorsatz verfasst, die Situation des Beschwerdegegners 2 weiter zu verschlechtern und ihm damit persönlich ein künftiges Übel anzudrohen. Die Beschwerdeführerin ist deshalb vom Vorwurf der versuchten Nötigung freizusprechen. Damit ist auf ihre weiteren Rügen in diesem Zusammenhang nicht weiter einzugehen.»

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Entscheid

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 11. September 2020 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
  2. Dem Beschwerdegegner 2 werden Gerichtskosten von Fr. 1’500.– auferlegt.
  3. Der Kanton Luzern und der Beschwerdegegner 2 haben der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von je Fr. 1’500.– zu bezahlen.
  4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

BGer 6B_150/2021 vom 11.01.2022

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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