SVG 16cbis Abs. 1
Einzig effektive Ersttäter im Strassenverkehr können von der Regelung profitieren, wonach die im Ausland verfügte Führerausweisentzugsdauer von den Schweizer Behörden nicht überschritten werden darf.
Das Bundesgericht bestätigte den gegen eine Autolenkerin in der Schweiz verhängten dreimonatigen Führerausweisentzug für ihre Tempoüberschreitung in Österreich.
Sachverhalt
Die im Kanton Aargau wohnhafte Autolenkerin war für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 50 Stundenkilometern auf einer österreichischen Autobahn von den dortigen Behörden zu einer Busse von 400 Euro verurteilt worden; zudem wurde ihr der Gebrauch des schweizerischen Führerausweises in Österreich für zwei Wochen verboten.
Prozess-History
- Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau
- Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau (StVA AG) entzog der Autolenkerin den Führerausweis später für drei Monate, unter Anrechnung des in Österreich verhängten Fahrverbots von zwei Wochen.
- Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
- Das kantonale Verwaltungsgericht bestätigte den Entscheid StVA AG.
- Bundesgericht
- Die Autolenkerin gelangte mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht und beantragte einen Ausweisentzug von maximal zwei Wochen, unter Anrechnung des in Österreich verhängten Fahrverbots.
Erwägungen des Bundesgerichts
- Massgebende Rechtsgrundlage
- Gemäss Artikel 16cbis des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) bildet die im Ausland verfügte Dauer eines Führerausweisentzugs auch in der Schweiz die Obergrenze, wenn die betroffene Person im «Informationssystem Verkehrszulassung» keinen Eintrag zu früheren Administrativmassnahmen hat.
- Konkreter Fall der Autolenkerin
- Im konkreten Fall kam diese Regel jedoch entgegen der Auffassung der betroffenen Fahrzeuglenkerin nicht zur Anwendung.
- Im «Informationssystem Verkehrszulassung» war die Autolenkerin mit einem Führerausweisentzug von einem Monat aus dem Jahr 2009 vorgemerkt.
- »Kaskadensystem» des Gesetzes
- Zwar führte die Massnahme von 2009 wegen des Zeitablaufs nicht mehr dazu, dass die Mindestdauer des aktuellen Ausweisentzugs entsprechend zu erhöhen wäre (auf über drei Monate gemäss dem sog. «Kaskadensystem»).
- Gesetzesauslegung des SVG
- Das SVG war jedoch so auszulegen, dass von der Privilegierung gemäss SVG 16c bis nur eigentliche Ersttäter erfasst werden, die keinen – also auch keinen nicht mehr kaskadenrelevanten – Massnahmeneintrag aufweisen.
- Im konkreten Fall kam diese Regel jedoch entgegen der Auffassung der betroffenen Fahrzeuglenkerin nicht zur Anwendung.
Entscheid des Bundesgerichts
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der betroffenen Autolenkerin ab.
BGer 1C_653/2021 vom 24.08.2022 = BGE 148 II 511
Quelle
LawMedia Redaktionsteam