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Das revidierte Erbrecht: Ein Überblick über die am 01.01.2023 in Kraft tretenden Änderungen (Teil 8)

Teil 8 – Gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a): Berücksichtigung im Ehegüter- und Erbrecht

Datum:
25.11.2022
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Erbrecht
Thema:
Das revidierte Erbrecht
Stichworte:
Ehegüterrecht, Erbrecht, Erbrechtsrevision, Gebundene Selbstvorsorge, Säule 3a
Autor:
RA Urs Bürgi und RA Marc Peyer
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG
von
RA Urs Bürgi, Inhaber des Zürcher Notarpatentes, und
RA Marc Peyer, Fachanwalt SAV Erbrecht

Einleitung

Wie bereits berichtet tritt am 01.01.2023 die Erbrechtsrevision in Kraft.

Diese Artikelfolge soll auf das gesamte Erbrechts-Reformvorhaben des Bundes und die einzelnen, am 01.01.2023 in Kraft tretenden Änderungen näher eingehen.

Zunächst zur Agenda der Artikelfolge:

Altes Recht

Einleitung

In dem noch bis 31.12.2022 geltenden Recht ist die ehegüter- und erbrechtliche Behandlung der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) umstritten.

Dazu nachfolgend im Einzelnen.

Abgrenzung

Für die Beurteilung der Vorsorge-Situation wird heute unterschieden in:

  • Vorsorgeversicherungen der Versicherer und
  • Vorsorgevereinbarungen der Bankstiftungen.

 Abgrenzung: Lebensversicherungen

Von der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) abzugrenzen sind die Lebensversicherungen.

Es gilt dabei v.a. unter folgenden zwei Arten zu unterscheiden:

  • Reine Todesfallrisikoversicherungen
    • Auszahlung erfolgt nur, wenn während der Vertragsdauer der Tod als Versicherungsfall eintritt
    • Es gibt keinen Rückkaufswert
    • Der Begünstigte hat einen Direktanspruch gegenüber dem Versicherer (VVG 78)
    • Berührt weder Nachlassmasse noch Pflichtteilsberechnungsmasse
  • Gemischte Lebensversicherungen
    • Kombination einer temporären Todesfallversicherung mit einer Erlebensfallversicherung (Sparplan)
    • Der Begünstigte hat einen Direktanspruch gegenüber dem Versicherer (VVG 78)
    • Ein Teil der Prämien wird für den Versicherungsschutz verwendet, der Rest für das Sparkapital
    • somit Vorliegen eines Rückkaufswerts
    • Rückkaufswert wird zur Pflichtteilsberechnungsmasse gerechnet (ZGB 476)
    • Rückkaufswert unterliegt der Herabsetzung (ZGB 529)

Vorsorgeversicherungen

Für Vorsorgeversicherungen der Säule 3a mit Rückkaufswert ist die Begünstigung (wie bei Lebensversicherungen mit Rückkaufswert) unter Anwendung von ZGB 476 einzubeziehen für:

  • die Festlegung der Pflichtteilsberechnungsmasse
  • mit dem Rückkaufswert
    • im Todeszeitpunkt des Erblassers.

In Anwendung von Art. 529 kann eine Leistung aus einer Vorsorgeversicherung der Säule 3a mit Rückkaufswert der Herabsetzung unterliegen:

  • mit dem Rückkaufswert
    • im Todeszeitpunkt des Erblassers.

Vorsorgevereinbarungen

Für Vorsorgevereinbarungen von Bankenstiftungen ist unter dem noch geltenden Recht unklar,

  • ob die entsprechenden Leistungen in den Nachlass fallen oder,
  • ob sie einzig für die Feststellung der Pflichtteilsberechnungsmasse und damit letztlich für eine allfällige Herabsetzung von Relevanz sind.

Da es sich nicht um Versicherungsleistungen handelt,

  • gelangen die versicherungsrechtlichen Bestimmungen des VVG und insbesondere VVG 78 (Direktanspruch des Begünstigten) nicht zur Anwendung;
  • sind die erbrechtlichen Bestimmungen von ZGB 476 (Hinzurechnung zur Pflichtteilsberechnungsmasse) und ZGB 529 (Herabsetzung) nicht anwendbar.
    • ZGB 476 und ZGB 529 wird von einem Teil der Lehre analog angewandt.

Neues Recht

Einleitung

Das neue Recht klärt die heute bestehenden Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a).

Neu: Eigener Anspruch der Vorsorge-Begünstigten

Im neuen Recht haben alle aus einer anerkannten Vorsorgeform begünstigten Personen einen eigenen bzw. persönlichen Anspruch auf die ihnen zugewiesene Vorsorgeleistung:

  • Die Vorsorgeleistung wird den begünstigten Personen von der Versicherungseinrichtung oder der Bankstiftung direkt ausbezahlt (vgl. nBVG 82 Abs. 4).

Neu: Direktanspruch der Vorsorge-Begünstigten

Mit dem „eigenen Anspruch“ wird im neuen Recht den Vorsorge-Begünstigten ein Direktanspruch gemäss Art. 2 BVV 3 eingeräumt, und zwar für die

  • Vorsorgeversicherung (bisher)
  • Vorsorgevereinbarung (neu). 

Neu: Vorsorgeleistungen nicht im Nachlass

Die Vorsorgeleistungen der Säule 3a sind nach dem Ableben des Vorsorgenehmers neu nicht Gegenstand:

  • der güterrechtlichen Auseinandersetzung;
  • des Nachlasses;
  • einer Erbteilung.

Neu: Berücksichtigung bei der Herabsetzung

Die direkt ins Vermögen des Vorsorge-Begünstigten gelangenden Leistungen aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) sind der Herabsetzung unterworfen:

  • Hinzurechnung für die Berechnung der Pflichtteile zum Vermögen des Erblassers (in der sog. „Pflichtteilsmasse“)
    • bei der Versicherungsleistung eines Versicherers (Vorsorgeversicherung)
      • mit dem Rückkaufswert im Todeszeitpunkt
      • (vgl. nZGB 476 Abs. 1);
    • bei der Vorsorgevereinbarung mit einer Bankenstiftung (Säule 3a)
      • mit dem entsprechenden Kapitalbetrag
      • (vgl. nZGB 476 Abs. 2).
  • Ergebnis
    • Es unterliegen somit der Herabsetzung:
      • Versicherungsansprüche auf den Tod des Erblassers mit ihrem Rückkaufswert (nZGB 529 Abs. 1);
      • Ansprüche aus der Vorsorgevereinbarung bei einer Bankenstiftung (Säule 3a) im Todesfall des Erblassers mit ihrem vollen Wert (nZGB 529 Abs. 2).
  • Hinweis
    • Beim Sparen mittels Vorsorgevereinbarung bei einer Bankenstiftung (Säule 3a) gibt es keinen Rückkaufswert.

Neu: Einreihung in der Herabsetzungsreihenfolge

Die Leistungen aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) werden durch das revidierte Erbrecht bei der Herabsetzung qualifiziert als

  • Zuwendungen unter Lebenden.

Dies geht aus der künftigen Gesetzesbestimmung nZGB 532 Abs. 1 Ziffer 3 hervor (siehe Box unten).

Die Reihenfolge in der Herabsetzung (neu) bestimmt sich nach nZGB 532 Abs. 2 Ziffer 2 (siehe nachfolgende Box).

Fazit

Die Klärung der umstrittenen ehegüter- und erbrechtlichen Behandlung der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) schafft die gewünschte Klarheit. Die gleichzeitige Berücksichtigung des Vorsorgesparens bei den Herabsetzungsregeln macht zwar Sinn, wird aber höhere Anforderungen an die Nachlassplanung stellen und zu mehr Herabsetzungsstreitigkeiten unter den Erben führen.

RA Urs Bürgi

Urs Bürgi berücksichtigt bei seiner Beratungstätigkeit die betriebswirtschaftlichen Aspekte und strebt pragmatische Lösungen an, um seiner Klientschaft einen Mehrwert zu generieren.

RA Marc Peyer

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