Rechtsweg über Ombudsstelle SRG und UBI
Die Löschung eines Kommentars zu einem redaktionellen Beitrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) in einem ihrer Online-Foren oder Social-Media-Kanälen kann rechtlich angefochten werden:
- Ob im Einzelfall ein unzulässiger Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit des Autors vorliegt, ist
- nach vorgängigem Schlichtungsversuch der Ombudsstelle SRG
- durch die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) zu prüfen.
«SRF News veröffentlichte am 10. August 2021 in ihrem übrigen publizistischen Angebot auf Instagram den Beitrag «Deutschland schafft kostenlose Corona-Tests ab». Eine Person brachte hierzu einen Kommentar an, der von der SRF-News-Redaktion wenige Stunden später gelöscht wurde, da er mit ihrer «Netiquette» (Regeln der SRG für das soziale Kommunikationsverhalten) nicht vereinbar sei. Die Autorin des Kommentars gelangte dagegen zunächst an die Ombudsstelle SRG Deutschschweiz, welche die Beanstandung nicht weiter behandelte. Auf die anschliessende Beschwerde der Autorin trat die UBI nicht ein. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Autorin an seiner öffentlichen Beratung vom Dienstag gut. Die Kommentarfunktion zu redaktionellen Beiträgen in Online-Foren oder Social-Media-Kanälen der SRG gehört zu ihrem übrigen publizistischen Angebot. Die Kommentarfunktion dient dem Meinungsaustausch und der Meinungsbildung rund um den redaktionellen Beitrag. Bietet die SRG ausserhalb ihres Programms solche Foren für Meinungsäusserungen an, muss sie möglichst grundrechtskonform handeln und ihrer Rolle als gesamtschweizerisch konzessionierte Anbieterin im Radio- und Fernsehbereich Rechnung tragen. Mit der Löschung von Kommentaren oder dem individuellen, vorübergehenden oder dauernden Ausschluss von Personen von der Kommentarfunktion greift die SRG in die Meinungsäusserungsfreiheit der Betroffenen ein. Damit muss ein Rechtsweg offen stehen, der den Anforderungen der Bundesverfassung (Artikel 29a BV) genügt. Zivil- oder strafrechtliche Rechtsmittel sind in diesem Zusammenhang nicht hinreichend wirksam; die Streichung eines Kommentars stellt in der Regel keine Persönlichkeitsverletzung oder eine strafrechtlich sanktionierte Ehrverletzung dar, wie der vorliegende Fall belegt. Auch ein Aufsichtsverfahren des Bundesamtes für Kommunikation würde nicht den erforderlichen Rechtsschutz bieten. Es besteht somit kein anderer Rechtsweg als über die Ombudsstelle der SRG und anschliessend die UBI. Die UBI ist gemäss dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen zuständig für Beschwerden im Zusammenhang mit dem Inhalt redaktioneller Beiträge der SRG. Löscht die SRG aktiv einen Kommentar zu einem redaktionellen Beitrag in ihrem übrigen publizistischen Angebot oder verweigert sie einzelfallweise den Zugang zu Kommentarfunktionen, liegt darin ebenfalls ein wertender redaktioneller Akt. Soweit eine Vermittlung durch die Ombudsstelle der SRG zuvor gescheitert ist, wird die UBI auf Beschwerde hin somit einzelfallbezogen zu prüfen haben, ob die SRG unzulässigerweise in die Meinungsäusserungsfreiheit der Autorin und des Autors eines gelöschten Kommentars eingegriffen hat.»
Quelle: Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 29.11.2022
BGer 2C_1023/2021 vom 29.11.2022
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LawMedia Redaktionsteam