StHG 3 Abs. 1 + 2 sowie 4b Abs. 1; BV 127 Abs. 3; § 8 Abs. 1 + 2 StG/LU
Sachverhalt
Bezüglich des Steuerpflichtigen (Beschwerdeführers (BF)), Alleinaktionär und Geschäftsführer einer Zuger AG ergab sich folgendes:
- Der BF bewohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau eine 7-Zimmer-Maisonettewohnung im Kanton Luzern.
- Der BF unterhält zusätzlich eine weitere Wohnung an seinem Arbeitsort, im Kanton Zug,
- wo er mindestens zwei Mal pro Woche übernachte und
- regelmässig den Kontakt mit seinen 12- bzw. 16-jährigen Töchtern aus erster Ehe, unter gemeinsamer elterlicher Sorge bei der Mutter wohnhaft, pflege.
- Die Zuger Wohnung ist ferner offizieller Wohnsitz seines 18-jährigen Sohnes.
Prozess-History
- Steueramt des Kantons Luzern
- Der Kanton Luzern vertrat die Ansicht, dass sich der steuerrechtliche Wohnsitz gemäss StHG 3 Abs. 2 des Beschwerdeführers im Kanton Luzern befinde.
- Eine dagegen gerichtete Einsprache wies die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern ab.
- Kantonsgericht Luzern
- Dagegen erhob der BF eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Kantonsgericht Luzern (KG LU).
- Das KG LU wies sein Rechtsmittel mit Urteil ab.
- Bundesgericht
- Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans BGer beantragte BF,
- es sei das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 23. März 2021 aufzuheben;
- es sei festzustellen, dass sich sein steuerrechtlicher Wohnsitz nicht in V.________/LU befinde;
- es sei festzustellen, dass sich der steuerrechtliche Wohnsitz in T.________/ZG befinde.
- Eventualiter beantragte der BF,
- es sei festzustellen, dass ein alternierender Wohnsitz in T.________/ZG und V.________/LU vorliege und
- es sei die Angelegenheit an die Kantonale Steuerverwaltung Luzern zur Vornahme der Veranlagung zurückzuweisen.
- In prozessualer Hinsicht beantragte der BF,
- dass der Kanton Zug in das bundesgerichtliche Verfahren einzubeziehen sei.
- Die Vorinstanz und die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern beantragten die Abweisung der Beschwerde.
- Die Steuerverwaltung des Kantons Zug beantragte, dass die Beschwerde gutgeheissen werden solle,
- soweit sie sich gegen den Kanton Luzern richte;
- der Veranlagungsort der direkten Bundessteuer durch das Bundesgericht festgelegt werden solle.
- Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans BGer beantragte BF,
Erwägungen des Bundesgerichts
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Nach gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung haben
- verheiratete Steuerpflichtige ihren Wohnsitz grundsätzlich am Ort der gemeinsamen Familienwohnung,
-
- und zwar auch dann,
- wenn sie werktags an einem anderen Ort der Erwerbstätigkeit nachgehen.
- und zwar auch dann,
Gewichtungen
- Paarbeziehungen
- sind normalerweise stärker zu gewichten als die familiären Bande zu Eltern und anderen Familienmitgliedern.
- Kinderbeziehungen des Steuerpflichtigen
- wiegen zwar in der Regel stärker als jene zu den Eltern und Geschwistern,
- wobei die Beziehung zum Ehegatten bzw. Partner im Kontext der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen im Regelfall zumindest nicht weniger bedeutsam ist.
- wiegen zwar in der Regel stärker als jene zu den Eltern und Geschwistern,
- Das Übergewicht der Beziehung zum Ehegatten bzw. Partner
- kann jedenfalls dann angenommen werden, wenn
- der Steuerpflichtige seine Kinder nicht (mehr) zu betreuen braucht oder
- der Betreuungsaufwand von untergeordneter Bedeutung ist,
- sei es,
- weil ihr die Obhut nicht oder nicht alleine zusteht (gemeinsame Sorge) oder
- weil die Kinder
- sich bereits im fortgeschrittenen Schulalter befinden oder
- gar volljährig sind.
- sei es,
- kann jedenfalls dann angenommen werden, wenn
StHG + früherer Entscheid zum sog. «alternierenden Wohnsitz»
Nach Ablauf der Umsetzungsfrist von StHG 72 Abs. 1 hatte das BGer in einem Einzelfall einen sog. «alternierenden Wohnsitz» auch bei einem Steuerpflichtigen angenommen,
- der ähnlich enge Beziehungen zu mehreren Orten unterhielt,
- ohne aber seinen Lebensmittelpunkt in regelmässigen Abständen vom einen nach dem anderen Ort zu verschieben
- vgl. BGer 2C_969/2010 vom 03.08.2011, Erw. 3.3; vgl. auch (ähnlich) BGer 2P.201/1996 vom 04.12.1998 Erw. 3 [entschieden nach vorharmonisiertem kantonalem Recht].
Prüfung des sog. «alternierenden Wohnsitzes» nach StHG und im konkreten Fall
Gleichwohl fragte sich nun das BGer, ob am letztgenannten Verständnis des sog. «alternierenden Wohnsitzes» festgehalten werden und inwiefern im harmonisierten Steuerrecht (insbesondere mit Blick auf StHG 4b Abs. 1) das Konzept des sog. «alternierenden Wohnsitzes» überhaupt noch Anwendung finden kann:
- Diese Fragen brauchten hier nicht abschliessend entschieden zu werden:
- Im vorliegenden Fall waren
- weder nach der Konzeption der publizierten Rechtsprechung zum interkantonalen Steuerrecht (vgl. BGE 101 Ia 557, Erw. 3; BGE 100 Ia 242, Erw. 2b)
- noch nach derjenigen, die dem Urteil 2C_969/2010 vom 03.08.2011 zugrunde lag,
- die Voraussetzungen für die Annahme eines sog. alternierenden Wohnsitzes erfüllt:
- Der BF hat seinen Lebensmittelpunkt offensichtlich nicht in regelmässigen Abständen von T.________/ZG nach V.________/LU (und vice versa) verlegt,
- wie es die publizierte Rechtsprechung zum interkantonalen Steuerrecht verlangte.
- Er verbrachte zwar über das ganze Jahr gesehen wohl annähernd gleich viel Zeit in T.________/ZG wie in V.________/LU und unterhielt in T.________/ZG auch bedeutende persönliche, familiäre und gesellschaftliche Beziehungen.
- Der BF hat seinen Lebensmittelpunkt offensichtlich nicht in regelmässigen Abständen von T.________/ZG nach V.________/LU (und vice versa) verlegt,
- Im vorliegenden Fall waren
- Jedoch wog die Beziehung zu seiner Ehegattin in V.________/LU schwerer als diese anderen Lebensinteressen.
Die Vorinstanz ist folglich zu Recht zum Schluss gelangt, dass der BF seinen Lebensmittelpunkt und damit seinen steuerrechtlichen Wohnsitz in V.________/LU hat.
Damit stand die Steuerhoheit dem Kanton Luzern zu und es war das Urteil der Vorinstanz nicht zu beanstanden.
Entscheid
- Abweisung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unter Kostenfolge
BGer 2C_398/2021 vom 23.12.2021 = BGE 148 II 285 ff.
Fazit
In einer Patchwork-Konstellation ist die Beziehung zum «neuen» Partner dann stärker zu gewichten als jene zu den Kindern, wenn
- die Kinder nicht mehr betreut werden müssen oder
- der Betreuungsaufwand von untergeordneter Bedeutung ist.
Die von der Rechtsprechung entwickelte Figur des sog. «leitenden Angestellten»
- darf nicht ohne weiteres auf weitere Konstellationen ausgedehnt werden.
Das Konzept des sog. «alternierenden Wohnsitzes»
- steht in einem Spannungsverhältnis zum Wohnsitzbegriff des StHG.
Vorliegend waren – wie oben ausgeführt – die Voraussetzungen nicht gegeben, weshalb für das BGer offenbleiben konnte, ob daran festzuhalten ist.
Weiterführende Informationen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam