OR 783, OR 822 + OR 825a
Führt das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbH zur Situation, dass die Gesellschaft eigene Stammanteile im Nennwert von mehr als 35 % des Stammkapitals halten würde, darf der Austritt nicht bewilligt werden.
Das Bundesgericht hatte «die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung» zu beantworten, ob das Austrittsrecht eines Gesellschafters einer GmbH nach OR 822 durch die Erwerbshöchstgrenze von 35 % eigener Stammanteile gemäss OR 783 Abs. 2 beschränkt werde.
Unter Hinweis auf die Gläubigerschutzfunktion gemäss OR 783 kam es zum Schluss, dass es unstatthaft sei, dass eine GmbH eigene Stammanteile im Nennwert von mehr 35 % des Stammkapitals infolge eines Gesellschafteraustritts halte.
BGer 4A_209/2021 vom 19.07.2021 = BGE 147 III 505
Weiterführende Informationen
N. Erwerb eigener Stammanteile
Art. 783 OR
1 Die Gesellschaft darf eigene Stammanteile nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe der dafür nötigen Mittel vorhanden ist und der gesamte Nennwert dieser Stammanteile zehn Prozent des Stammkapitals nicht übersteigt.
2 Werden im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung, einem Austritt oder einem Ausschluss Stammanteile erworben, so beträgt die Höchstgrenze 35 Prozent. Die über 10 Prozent des Stammkapitals hinaus erworbenen eigenen Stammanteile sind innerhalb von zwei Jahren zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
3 Ist mit den Stammanteilen, die erworben werden sollen, eine Nachschusspflicht oder eine Nebenleistungspflicht verbunden, so muss diese vor deren Erwerb aufgehoben werden.
4 Im Übrigen sind für den Erwerb eigener Stammanteile durch die Gesellschaft die Vorschriften über eigene Aktien entsprechend anwendbar.
B. Ausscheiden von Gesellschaftern
I. Austritt
Art. 822 OR
1 Ein Gesellschafter kann aus wichtigem Grund beim Gericht auf Bewilligung des Austritts klagen.
2 Die Statuten können den Gesellschaftern ein Recht auf Austritt einräumen und dieses von bestimmten Bedingungen abhängig machen.
2. Auszahlung
Art. 825a OR
1 Die Abfindung wird mit dem Ausscheiden fällig, soweit die Gesellschaft:
- über verwendbares Eigenkapital verfügt;
- die Stammanteile der ausscheidenden Person veräussern kann;
- ihr Stammkapital unter Beachtung der entsprechenden Vorschriften herabsetzen darf.
2 Ein zugelassener Revisionsexperte muss die Höhe des verwendbaren Eigenkapitals feststellen. Reicht dieses zur Auszahlung der Abfindung nicht aus, so muss er zudem zur Frage Stellung nehmen, wie weit das Stammkapital herabgesetzt werden könnte.
3 Für den nicht ausbezahlten Teil der Abfindung hat der ausgeschiedene Gesellschafter eine unverzinsliche nachrangige Forderung. Diese wird fällig, soweit im jährlichen Geschäftsbericht verwendbares Eigenkapital festgestellt wird.
4 Solange die Abfindung nicht vollständig ausbezahlt ist, kann der ausgeschiedene Gesellschafter verlangen, dass die Gesellschaft eine Revisionsstelle bezeichnet und die Jahresrechnung ordentlich revidieren lässt.
Quelle
LawMedia Redaktionsteam